Der Abstieg und die Gründe
Wir
schreiben das Jahr 1996: LucasArts ruhte sich noch auf seinen Lorbeeren
von 'The Dig' aus, Sierra nahm nach 'King's Quest 7' und 'Larry 6' eine
vorübergehende Auszeit und auch kleinere Unternehmen wie Adventuresoft
hielten sich vornehm zurück. Stattdessen überschwemmten neumodische
'interaktive Movies' den Markt, die als Adventures vermarktet wurden,
aber weder in der Presse noch unter den Spielern viele Freunde fanden.
Gleichzeitig veröffentlichte 3dfx den ersten VooDoo-Chip, der nicht nur
die 3D-Evolution mehrere Generationen überspringen ließ, sondern sogar
für die breite Masse bezahlbar war: Die hochwertigen
Beschleuniger-Karten wanderten zum Teil für weniger als 200 DM über die
Ladentheke.
Damit standen dem Wechsel von 2D- zu
3D-Grafik Tür und Tor offen. Gemeinsam mit der ansteigenden
Prozessor-Power konnten die neuen Grafikkarten endlich glaubwürdige
Umgebungen in Echtzeit rendern, Shooter wie 'Quake' waren auf
herkömmlichen PCs flüssig spielbar. Gegen Ende des Jahres erschien
schließlich auch noch 'Tomb Raider', das den Begriff des
Action-Adventures prägt; einfache Schalter- und Kisten-Rätsel sollten
die zeitgemäße Ablösung der klassischen Knobeleien darstellen. Der
Erfolg gab dem Spiel Recht, in den folgenden Jahren fand es die zu
erwartenden Nachahmer. Pseudo-3D-Adventures wie 'Myst' schreckten
dagegen eher ab, als dass sie dem Genre neue Kunden beschert hätten -
als ein kostenloser Bonus für neue CD-ROM-Laufwerke verbreiteten sie
sich dennoch enorm.
Mit
'Baphomets Fluch 2' und 'Monkey Island 3' erschienen 1997 die vorerst
letzten erfolgreichen Adventures, denn auch LucasArts wollte auf den
3D-Zug aufspringen. 'Grim Fandango' schreckte mit seiner ungewohnten
GamePad- oder Tastatur-Steuerung viele Fans ab, auch 'Monkey Island 4'
sollte selbst Piraten-Liebhaber enttäuschen. Im Zuge des 'Episode
1'-Hypes produzierte die ehemalige Adventure-Schmiede überwiegend
mittelmäßige 'Star Wars'-Titel. Auch Sierra wagte sich mit 'Gabriel
Knight 3' in die dritte Dimension, die Resonanz darauf war jedoch eher
durchwachsen. Erst mit 'Runaway' sollte im Jahre 2002 wieder ein sehr
gutes 2D-Adventure erscheinen, das überzeugende Wertungen und
Verkaufszahlen vorweisen konnte. Die von Presse und Publishern
verbreitete Mär, das Adventure-Genre sei kommerziell tot, erscheint
damit sehr unglaubwürdig: Von 1998 bis 2002 gab es schlicht und
ergreifend keinen absoluten Top-Titel, der an die früheren Erfolge
hätte anknüpfen können.
Argumente,
die Entwicklung von Adventures sei zu teuer und aufwändig, sind
fadenscheinig: Die Basis eines 2D-Adventures ist im Grunde immer die
gleiche - lediglich einige gute Grafiker für Hintergrund-Bilder und
Animationen sind in den Entwickler-Teams Pflicht. Warum also haben
viele Unternehmen gänzlich Adventures den Rücken zugekehrt? Keiner kann
diese Frage so genau beantworten. Am mangelnden Interesse der Spieler
kann es jedenfalls nicht liegen: Erst vor kurzem berichtete uns ein
befreundeter Redakteur, eine alte News zu 'Sam & Max 2' habe
doppelt so viele Klicks gebracht wie neue Informationen zur 'Far
Cry'-Demo und die Schließung von Legend Entertainment zusammen.
Woran
es dem Adventure-Genre allerdings tatsächlich mangelt, sind
Innovationen: Nahezu jedes Genre hat sich in den vergangenen Jahren
stetig fortentwickelt, nur die Adventures treten weiter auf der Stelle.
Der Wiederspielbarkeits-Wert ist noch immer niedrig, der Umfang häufig
zu gering, um die hohen Verkaufspreise zu rechtfertigen. Auf der
anderen Seite aber werden Spiele wie 'Max Payne 2' zu Top-Sellern,
obwohl selbst Anfänger in fünf Stunden das Ende sehen können.
Entscheidend könnte sein, dass Adventures noch immer nicht das
geringste Fünkchen an künstlicher Intelligenz beinhalten; und das,
obwohl gerade bei 2D-Grafik doch jede Menge Rechen-Power zur Verfügung
stehen müsste. Während die NPCs in Rollenspiele wie 'Gothic' auf
beinahe jede Handlung des Spielers reagieren, können Adventure-Helden
keinerlei falsche Entscheidungen treffen. Computer-Charaktere stehen
immer am gleichen Ort, lassen sich immer wieder die gleichen Fragen
stellen und warten geduldig darauf, dass der Spieler den korrekten Satz
sagt oder ihnen den richtigen Gegenstand bringt.
Warum
also können sich die NPCs in Adventures keine Aktionen des Spielers
merken, warum gehen sie nicht einem eigenen Tages-Ablauf nach, warum
verändert sich nicht die Story, wenn der Spieler einen Fehler macht?
Klar: Viele Publisher sind derzeit nicht bereit, ein großes Risiko bei
der Spiele-Entwicklung einzugehen - aber fahren mittelmäßige
Ego-Shooter oder das x-te MMORPG ihre Kosten wieder ein? Ein Umdenken
ist erforderlich, wenn sich der Spiele-Markt entwickeln soll.
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