Test - Warcraft Battlechest : Test: Wenn “mir egal, ich lass das jetzt so“ ein Spiel wäre
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Drei Spiele zum Preis von einem? Mit der Möglichkeit, alle Teile einer großen Echtzeitstrategie-Marke (wieder) zu erleben und zu beurteilen? Was nach einem tollen Nostalgie-Trip klingt, birgt leider etliche Tücken. Ob Horde oder Allianz: Die Rückkehr nach Azeroth lohnt, aber mit Abstrichen.
Ja, ist halt ein Warcraft und passt soweit schon, paar Komfortfunktionen sind dabei, etwas mehr Mühe hätte aber nicht geschadet.
Würde ich so einen Text abliefern – mutmaßlicherweise stünde mir eine unfreundliche Mail des Chefredakteurs ins Haus mit der Ankündigung, demnächst mehr Zeit zu haben. Doch dem Grunde nach ist es das, was Blizzard tut: Eine Erst- respektive Wieder-Neuauflage der bekannten Echtzeitstrategieklassiker, die 22 bis 30 Jahre auf dem Plattenpanzer-Buckel haben, abliefern und dabei formal die Mindeststandards an derartige Comebacks erfüllen, mit wenigen Bonus-Ideen durch schlampige Umsetzung oder einzelne Kürzungen konterkariert. Dass das Ganze dennoch unterhält, liegt an einer mit etwas Nostalgie eben doch soliden Basis, die vor einem Vierteljahrhundert gelegt wurde.
Das Battlechest – ein in der Firmentradition gängiger Terminus für Bündel und Sammelboxen – umfasst dabei etwas verwirrenderweise sechs Spiele – Warcraft 1 bis 3, jeweils im Original mit entsprechenden Patches und Kompatibilitätsummantelungen für moderne Systeme sowie in tatsächlichen Neubearbeitungen. „Reforged“ heißt die leicht verbesserte Neuneuauflage von Warcraft 3 immer noch, die ersten beiden Teile tragen den Untertitel „Remastered“ und bilden den Schwerpunkt unseres Tests, da diese zum ersten seit Langem modernisiert wurden.
Warcraft 1: Wo kleine Änderungen viel bewirken
Den enormen Sprung, den Spiele in den 90ern vornahmen, führte die Warcraft-Reihe mitsamt der ewigen Konkurrenz aus dem House Westwood damals eindrücklich vor. Das erste Warcraft und Dune 2, knapp vorher erschienen, können sich zwar als Pioniere des Genres rühmen, die Bedienung war jedoch innerhalb weniger Jahre hoffnungslos veraltet und nur noch für absolute Puristen erträglich.
Der Verfasser dieser Zeilen, damals glühender Warcraft-2-Fan, kaufte im November 1997 eine Heft-CD-Fassung des Vorgängers und legte sie nach zweieinhalb Missionen beiseite. Die Krümelgrafik wäre noch zu verschmerzen gewesen, doch das Interface mit dem Shortcut-Zwang für einfachste Anweisungen wie Bewegen und Gruppieren waren jenseits der Schmerzgrenze. Wenn es doch nur etwas gäbe, um den Titel auf der Spielbarkeitstreppe eine Stufe höher zu heben!
Diese Anforderung erfüllt Warcraft 1 Remastered. Und so sehr ich mit dem Rest der abgelieferten Arbeit ins Gericht gehen werde und so sehr die fehlende Ambition des Produktes ärgert, so sehr ist dieser Übertragung doch allein eine Würdigung wert. Ein Spiel, das für viele moderne Naturen unzugänglich ist wie ein Onkel Ottokars Oldtimer mit Handkurbel, wird hiermit immerhin nur unzugänglich wie Tante Hildegards Wagen mit Kassettenradio und Easter-Egg-Rückwärtsgang. Einheiten lassen sich so auswählen, gruppieren und befehlen, wie es Ende der Neunziger üblich war. Bis zu zwölf – statt wie im Original vier – Einheiten lassen sich Gruppen zuweisen und in die Schlacht schicken.
Das allein ermöglicht ein deutlich weniger leidensintensives Erleben des Klassikers und ist damit per se eine ordentliche Errungenschaft. Und auch eine kleine moderne Idee: Lebensbalken über Einheiten und Gebäuden nur bei Bedarf, also nicht vollständiger Gesundheit. Demgegenüber stehen aber sogleich einige Warum-hat-daran-niemand-gedacht-Momente. Das Mana von magischen Einheiten etwa wird weiter ohne genauen numerischen Wert angezeigt – wir müssen schätzen, wie lange es noch vom nächsten Beschwörungszauber dauert.
Mit diesen dezenten Neuerungen können wir in den Kampagnen Orks und Menschen aufeinander hetzen. Das erste Warcraft ist dabei einfacher gehalten, was Anzahl und Komplexität unserer Truppen angeht – keine Luft- und Wassereinheiten, weniger Zaubersprüche und Upgrades – und restriktiver im Stadtaufbau.
Genau wie der Nachfolger aber ziehen wir unsere Basis mithilfe von Gold und Holz hoch und müssen zudem die Nahrungsmittelversorgung über Höfe sichern. Das ist ein in dieser Form natürlich heutzutage recht rohes Prinzip, aber es funktioniert und das damalige Blizzard hatte viele clevere Ideen damit, zum Beispiel echte Indoor-Missionen oder das Beschwören mächtiger Elementar-Einheiten.
Die offensichtlichste Neuerung im Battlechest ist natürlich ein moderner Grafikstil – auf Knopfdruck lässt sich in Teilen zur Originalansicht umschalten – um die Sehnerven im Jahr 2024 weniger zu strapazieren. Dieser sieht leider gar nicht mal so gut aus. Kritische Zungen in diversen Foren und Reddit-Threads unken über KI-basiertes Hochskalieren, in jedem Fall sieht das Endergebnis unglaublich seelenlos aus und erinnert eher an das x-te Spiel, das auf Social Media beworben wird, als an die hochaufgelösten Varianten der ursprünglichen Konzepte. Das ärgert besonders, weil eine schlüssige Ästhetik ja ebenfalls zu den Grunderwartungen an Blizzard gehört. Oder gehörte.
Geschenkt: Dass sich die KI teilweise nur durch Schummeln am Leben halten kann, in dem sie etwa ohne Bauarbeiter Konstruktionen starten darf – im Gegenzug reihen sich die Kontrahenten-Einheiten freundlicherweise wie eine Perlenschnur vor unsere Bogenschützen-Gruppen. Gegen menschliche Gegner lässt sich die Remastered-Fassung übrigens nicht spielen, obwohl der Multiplayer-Modus dereinst der große Wurf des ersten Warcrafts war.
Warcraft 2: Schlampige Detail-Verbesserungen
Der Nachfolger dagegen – richtig: die Schlacht geht in die zweite Runde, und neben Orks und Menschen werden noch weitere Fantasy-Völker ins Gemetzel gezogen – startet von einer moderneren Basis. Dementsprechend wirken die Verbesserungen geringfügiger und auch ein Stück weniger durchdacht. Maximal zwölf statt neun gleichzeitig anwählbaren Einheiten sowie Doppelklick-für-alle-Einheiten-eines Typs: Prima, allerdings werden beim Hinzufügen der zehnten Einheit die Einheitenportraits unelegant gestaucht.
Ein Baumenü, das über die noch fehlenden Voraussetzungen für Konstruktionen, Upgrades oder Einheiten aufklärt – prima! Meine allerersten Spielversuche vor Urzeiten in der Kampagne stockten tatsächlich eine Weile, als ich den nötigen Pfad für Ritter nicht gleich entdeckte. Es fehlen noch Stall und Schmiede? Danke, weißte Bescheid. Allerdings wirkt der Schreibstil der neuen Tooltipps weitaus knapper als der mitunter behäbige Duktus der ursprünglichen Texte.
Eine Klitzigkeit natürlich, aber sie passt zum Gesamteindruck – denn auch optisch wirkt Warcraft 2 Remastered wie eine halbherzige Auffrischung. Das traurige Mir-egal-ich-lass-das-jetzt-so-Finale: Auf die legendäre deutsche Synchronisation („Was willst du?“ schellte uns der Ritter entgegen) wurde beim Remaster verzichtet. Die englischen Stimmen überzeugen natürlich weiterhin.
Immerhin hat Blizzard neben den Kampagnen auch jede Menge freie Karten und Szenarien mitgeliefert. Dass KI, Wegfindung und Missionsdesign auch 1996 noch einiges zu wünschen übrig ließen, überrascht nicht. Aber die Basis für ein schönes Spiel ist erkennbar, ebenso die Fortschritte im Vergleich zum Vorgänger in allen Bereichen.
Für alle, die dereinst in Azeroth viel Spaß hatten, lohnt sich das Remastered-Paket trotz der wenigen und wenig liebevollen Neuerungen. Heutzutage kaum noch vorstellbare Aspekte wie etwa die komplett symmetrischen Armeen oder die Notwendigkeit, ohne Zwischensequenzen oder auch nur Stimmeinblendungen kleine Extra-Geschichten zu erzählen, haben mit etwas Nostalgie-Bonus ihren Charme.
Im Add-on „Beyond the Dark Portal“ begründete die Marke zudem das Konzept starker Helden-Einheiten. Und (Unter-)Wasser-, Luft- und Landeinheiten auf den Karten gegeneinander zu hetzen, dabei Einheiten mächtige Buffs zu geben, was mit tollen Soundeffekten kombiniert wird – das hat wenig von seiner Faszination verloren. Ich habe keine Turm- oder Flugeinheit, um die tauchenden Schildkröten der Orks aufzudecken? Macht nichts, schicke ich einfach auf gut Glück ein paar Stürme in die grobe Gegend.
Es gibt viele dramatische Momente und gut durchdachte Mechanismen. Die Marke und auch unsere Erinnerung hätte mehr verdient als diesen lauen Aufguss – aber ehrlicherweise lohnt sich auch das Resultat immer noch.
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