Test - Rise of the Ronin : Test: Wenn Sekiro und Ghost of Tsushima ein Kind hätten ...
- PS5
Nach den beiden Nioh-Spielen wagte Team Ninja mit Wo Long: Fallen Dynasty einen Ausflug in chinesische Gefilde, Rise of the Ronin kehrt nun zurück ins historische Japan der Edo-Periode, ein spannendes Setting, das zuletzt dank Serien wie Shogun und Blue Eye Samurai auf massives Interesse stieß. Das Spielprinzip entfernt sich zumindest teilweise von den gewohnten Souls-likes des Studios und vermischt Elemente von Assassin’s Creed, Ghost of Tsushima und Sekiro: Shadows Die Twice. Ein wilder Mix, der aber nur bedingt schmeckt.
Rise of the Ronin spielt zu einem spannenden Wendepunkt in der japanischen Geschichte. Die Edo-Periode neigt sich dem Ende zu, nach langen Jahren der Abschottung öffnet das Land der aufgehenden Sonne langsam die Pforten für westliche Einflüsse. Das schmeckt freilich nicht allen Bürgerinnen und Bürgern im Land und so steckt ihr alsbald mittendrin im Konflikt zwischen dem altehrwürdigen Shogunat und diversen progressiven Fraktionen. Noch heute existierende Städte wie Kyoto und Yokohama in ihrer historischen Version zu besuchen, lässt das Nippon-Herz höherschlagen.
Rache? Nein!
Rise of the Ronin beginnt wie die Mutter aller Rachegeschichten. Lange Jahre lebt ihr in Frieden und trainiert mit eurer Zwillingsklinge, bis das Holzkatana kracht. Doch schon auf eurer ersten Mission läuft so einiges schief. Ein maskierter Samurai, der blaue Dämon, schlägt eurer besseren Hälfte kurzerhand ein paar Körperteile ab, und um das Böse-Taten-Bingo vollzumachen, brennen böse Buben auch gleich noch euer Dorf nieder.
Verantwortlich hierfür zeichnen aber nicht die amerikanischen Aggressoren, stattdessen hegen die Schlingel vom Shogunat einen Groll gegen eure Oase der Einsamkeit. Warum und weshalb, das gilt es für euch herauszufinden. Im Zuge eurer ewig währenden Mission, eure Zwillingsklinge zu finden und euer Dorf zu rächen, trefft ihr auf allerhand historisch verbürgte Personen der Edo-Ära und werdet in den Strudel ihrer Machtkämpfe gezogen.
Ihr habt von dieser Zusammenfassung jetzt schon einen Knoten im Hirn? Ging mir in meinen ersten Stunden mit Rise of the Ronin nicht anders. Im späteren Storyverlauf gestaltete sich es sogar noch schwerer, der Geschichte zu folgen. Wenn ihr nicht gerade eure Doktorarbeit über das Bakumatsu verfasst habt, treibt euch die Vielzahl an Personen, Orte und politischen Verstrickungen sicherlich ebenso schnell an den Rand der geistigen Gesundheit wie mich. Da hilft es auch nur wenig, dass euer selbst gebastelter Charakter in den meisten Fällen stumm bleibt und ihr euch so noch mehr wie ein Fremdkörper fühlt. Die Entscheidungen, ob ihr mit oder gegen das Shogunat kämpft, wirken sich zudem so wenig aus, dass ich mich bisweilen fragte, warum ich sie überhaupt treffen soll.
Regelmäßig verbündet ihr euch zudem mit einem neuen Gefährten, der euch fortan in Quests begleitet, und wie in JRPGs üblich dürft ihr sie auch beschenken, um die Verbundenheit mit ihr zu erhöhen, was wiederum Boni verschafft. Warum man sich dann aber ständig mit den Freunden zerstreitet oder sie sich plötzlich gar zum Feind macht, bleibt angesichts der konfus erzählten Geschichte oft völlig im Unklaren. Alternativ lassen sich die KI-Kumpanen im Übrigen durch echte Mitspieler austauschen. Der Koop-Modus läuft immerhin ziemlich rund.
Parieren geht über Studieren
Dass Rise of the Ronin bei seiner Story Federn lässt – halb so wild. Denn dafür schallert das Kampfsystem ja richtig. Oder? Zumindest war in diesem Segment immer Verlass auf Team Ninja. Und ja, auch in ihrem neuesten Werk gibt es wieder einige spannende Mechaniken, die bisweilen aber in die Belanglosigkeit abdriften. Aber von vorne.
Bei der Erstellung eurer Spielfigur und eurer Zwillingsklinge entscheidet ihr euch entsprechend, ob ihr als weiblicher oder männlicher Charakter loszieht. Aus sechs Klassen wählt ihr euren Favoriten, letztlich erwies sich diese Wahl aber als weitgehend irrelevant. Im Spieldurchlauf schmeißt euch Rise of the Ronin ohnehin regelrecht mit Fertigkeitspunkten zu, sodass man nach und nach sowieso sämtliche Skills und Boni freischaltet, wodurch die Wahl der Waffe und der Abstammung schnell keine Rolle mehr spielt.
Die Kämpfe laufen angenehm flott ab. Pro Waffengattung rüstet ihr bis zu drei Stile aus, die ihr im Stein-Schere-Papier-Prinzip gegen eure Feinde einsetzen müsst. Neben normalen und aufgeladenen Schlägen entfesselt ihr mit euren Katanas, Odachis, Speeren oder Bayonetten zudem besondere Waffenfertigkeiten. Die verursachen haufenweise Ki-Schaden, senken also die Ausdauer eurer Feinde und machen sie anfällig für Finishing Moves. Dabei solltet ihr stets eure eigene Ki-Leiste im Blick haben, diese leert sich durch Angriffe und eingesteckte Treffer.
Mit am wichtigsten fallen jedoch die Paraden aus, die deutlich an Sekiro erinnern. Eine ellenlange Angriffskette abzuwehren und direkt mit einem Finisher nachzusetzen, das befriedigt einfach ungemein. Dennoch bilden die Kämpfe in Rise of the Ronin ein zweischneidiges Schwert. In keiner Sekunde erreichen sie die Präzision von From Software oder das Spektakel eines Ghost of Tsushima. Dafür kreuzt ihr entschieden zu oft die Klingen, die Kamera versteckt sich zu häufig hinter der Wand und an Varianz mangelt es auch. Was nicht zuletzt daran liegt, dass Team Ninja die Bosskämpfe im Spiel nicht als gezielte inszenatorische Höhepunkte einsetzt, sondern damit geradezu inflationär um sich schmeißt.
Trotz zahlreicher Unterschiede zu ihren vorherigen Spielen, lässt auch Rise of the Ronin seine Einflüsse aus dem Souls-Genre erkennen: Durch Rasten an Fahnenmasten füllen sich Heil-Items und Munition wieder auf, auch Gegner erscheinen wieder. Einen Teil eurer Erfahrungspunkte verliert ihr beim Ableben, habt aber die Chance, sie von eurem Henker zurückzuholen.
Open World, als wäre es 2010
So durchdacht und vielschichtig die Kämpfe ausfallen, so altbacken tritt Rise of the Ronin in seinem Open-World-Ansatz auf. Katzen suchen, Gebiete von Feinden säubern, Würfel-Glücksspiele, Foto-Herausforderungen und versteckte Schreine, Gleitschirm-Herausforderungen, all das mag zu Zeiten von Assassin’s Creed 2 noch akzeptabel gewesen sein. 2024 entlockt es mir aber lediglich ein müdes „Nani“. Selbiges gilt für die Alibi-Basis, euer Langhaus. Hier quatscht ihr mit Verbündeten oder stellt Dekorationen auf. Da ihr hier aber nahezu keine Zeit verbringt, könnt ihr es auch gleich bleiben lassen.
Beim Missionsdesign stellt sich Rise of the Ronin nicht besser an. Auch wenn euch der Titel gerne Varianz vorgaukelt, läuft es doch oft schlicht darauf hinaus, alle Gegner in einem Gebiet abzumurksen. Abwechslung sucht man vergebens, und wenn ihr euch doch mal am Stealth versuchen wollt, macht euch das unpräzise System einen Strich durch die Rechnung. Während Gegner Kämpfe in ihrem direkten Umfeld zumeist gekonnt ignorieren, erblicken sie euch dank ihrer Katzenaugen bisweilen selbst in der stockfinsteren Nacht.
Schon klar, ein Ronin ist nun mal nicht so ein versierter Schleicher wie ein Shinobi. Dennoch, warum Stealth anbieten, wenn es nur in den seltensten Fällen funktioniert? Selbst die zur Ablenkung gedachten Tontöpfe sorgen eher dafür, dass die Feinde erst recht auf euch aufmerksam werden. Große Teile seiner etwa 25 Stunden langen Story streckt das Spiel zudem künstlich. Eine Hauptmission schickt euch doch tatsächlich erstmal zum müßigen Holzsammeln, bevor es mit dem Abenteuer weitergeht.
>> Top 10: Samurai-Spiele: Scharfe Klingen und ehrenvolle Krieger <<
Die Spielwelt selbst fällt mit ihren historischen Städten und Gegenden wie Yokohama, Edo und Kyoto zwar super spannend aus und wirkt bisweilen richtiggehend authentisch. Hier sei noch erwähnt, dass Rise of the Ronin keine zusammenhängende Welt, sondern drei große Gebiete auffährt. Je mehr ihr die einzelnen Stadtteile befreit, desto mehr Boni winken euch – einmal mehr kommt eine Bindungsmechanik zum Tragen. Die Erkundung via Gleitschirm und Enterhaken fällt zwar ganz nett aus, hat man aber in anderen Spielen schon deutlich besser umgesetzt erlebt.
Letztlich wird all dem ohnehin die unzureichende Technik zum Verhängnis. Oftmals sieht Rise of the Ronin gar schlechter aus als Nioh 2, obwohl es augenscheinlich auf derselben Engine läuft. Pop-ups, matschige Texturen und katastrophale Animationen machen nicht gerade den Eindruck von Current-Gen-Exklusivität, vielmehr fühlte ich mich oftmals, als würde ich vor einer Playstation 3 sitzen. Erst recht im Vergleich mit Ghost of Tsushima wirkt das hier Gebotene fast schon frech. Immerhin fallen die deutschen Sprecher von Rise of the Ronin sowie die zeitgemäße Musik sehr gut aus, für das Extra-Plus an Authentizität würde ich aber zum japanischen Voice-Over raten.
Kommentarezum Artikel