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Test - Mortal Shell : Einmal Dark Souls in der Nussschale, bitte!

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Als Mortal Shell im August 2020 für die Last-Gen veröffentlicht wurde, erwarb es sich bei Fans des Genres nach eher mittelprächtigen Souls-Nachahmern wie Hellpoint und Ashen schnell den Ruf eines der besseren Vertreter der Gattung schwerer Action-Rollenspiele. Doch leider fanden wir damals nicht die Zeit für einen ausführlichen Test. Heute erscheint Mortal Shells in der Enhanced Edition für die Playstation 5 und Xbox Series X|S, und das möchten wir zum Anlass nehmen, diesen blinden Fleck auf unserer Souls-Weltkarte mit Farbe zu füllen.

In Mortal Shell dreht sich Vieles um die Zahl Vier. In vier weitestgehend frei erkundbaren Gebieten steuern wir vier unterschiedliche Charakterklassen, während das alles von nur vier Entwicklern zusammengeschustert wurde. Das umreißt natürlich nicht gänzlich den Kern von Mortal Shell. Ein Blick in die düstere, beinharte und gefährliche Spielwelt des Action-Rollenspiels offenbart da schon mehr. Denn bereits die ersten Schritte durch Fallgrimm zeigen überdeutlich, was Mortal Shell sein will: eine Hommage an Dark Souls.

Das klingt erstmal nach großen Ambitionen. Doch das Team von Cold Symmetry verfügt bereits über Triple-A-Erfahrung aus vergangenen Projekten. So konnten einige Mitarbeiter in der Vergangenheit bei namhaften Produktionen für Blizzard, in der Filmbranche oder bei der Entwicklung von Ghost of Tsushima mitwirken. Mit Mortal Shell gelingt Cold Symmetry, was für viele Indie-Entwickler noch immer die Quadratur des Kreises bedeutet: mit wenig Manpower ein Spiel zu verwirklichen, das sich nicht hinter Triple-A-Produktionen verstecken muss und dabei auch noch in kreativer Hinsicht frische Akzente setzen kann, Chapeau!

Entschlossen zum Sieg

Unsere Reise durch Fallgrimm beginnen wir mit einem schwachen, weißen Körper. Um in der feindseligen Welt zu überleben, bemächtigen wir uns kurzerhand der sterblichen Überreste vergangener Helden – Hüllen genannt. Diese bilden das spielerische Zentrum von Mortal Shell und auch die entscheidende Neuerung, die es im Vergleich mit den ansonsten sehr offenkundigen Vorbildern aus dem Hause From Software frisch und anders erscheinen lässt.

Denn die insgesamt vier Hüllen, die ihr nach und nach im Waldgebiet gleich zu Beginn des Spiels entdeckt, repräsentieren quasi vier unterschiedliche Klassen, die für unterschiedliche Spielstile und -situationen geeignet sind. Die Überreste von Vasall Harros dienen etwa als guter Allrounder mit moderater Ausdauer und Lebensenergie und stellen besonders für Anfänger eine gute Wahl dar. Wenig später im Spiel stoßen wir auf den Schurken Tiel, der über sehr viel Ausdauer, aber wenig Lebensenergie verfügt, sowie König Eredrim, der als Tank wiederum viel Lebenskraft, aber wenig Ausdauer sein Eigen nennt. Zuletzt entdecken wir noch den Gelehrten Salomon, der besonders viel Entschlossenheit zeigt.

Der Kniff an Mortal Shell besteht darin, dass ihr die Hüllen jederzeit wechseln und der jeweiligen Situation anpassen könnt bzw. das auch solltet. Theoretisch lässt sich Mortal Shell auch in hüllenloser Form durchspielen, doch dann verkraften wir nur einen einzigen Treffer und verpassen außerdem die spielerische Vielfalt des Souls-likes. Es lohnt sich also, die Körper der vergangenen Helden zu finden und regelmäßig zu wechseln, um auf jeden Boss und Gegner individuell bestmöglich vorbereitet zu sein.

Eine zweite gut durchdachte Verbesserung, die die Entwickler von Cold Symmetry an der bekannten Souls-Formel für Mortal Shell vorgenommen haben, nennt sich Entschlossenheit. Entschlossenheit lädt sich durch erfolgreiche Treffer in den Kämpfen auf. Haben wir genug Punkte gesammelt, können wir mächtige Paraden nutzen. Das lohnt sich, weil wir unseren Gegnern auf diese Weise besonders viele Hitpoints abziehen. Natürlich ist damit auch wieder das Risiko verbunden, bei schlechtem Timing selbst einen Treffer einzustecken.

Werden wir niedergerungen, wirft uns das Spiel aus der Hülle und zurück in unsere weiße, fragile Körperform. Einmalig haben wir die Chance, unsere Hülle sofort wieder einzusammeln und mit einem Extra-Leben weiterzukämpfen. Das sorgt nicht nur für treffende Vergleiche mit Sekiro, sondern ebenso für spannende Kämpfe auf Messers Schneide. Denn werden wir in der Körperform getroffen, bevor es uns gelingt die Hülle wieder einzusammeln, heißt es Game Over und zurück zum Anfang des Levels.

Im Laufe des Spiels lernen unsere Hüllen bis zu zehn individuelle Fähigkeiten. Dazu sammeln wir die Währung des Spiels, das sogenannte Tar, sowie Einblicke, die mit Menschlichkeit aus Dark Souls vergleichbar sind. Beides bringen wir dann im Austausch für neue Skills zur NPC-Dame Swester Genessa, die gleichzeitig in den einzelnen Gebieten als eine Art Leuchtfeuer dient. Ansonsten gibt uns Mortal Shell kaum Rollenspiel-Elemente an die Hand und reduziert sich damit vor allem auf das Gameplay seiner Hüllen.

Mit den freigeschalteten Fähigkeiten im Gepäck, spielen sich die Hüllen allesamt sehr unterschiedlich, was allerdings bisweilen zu Problemen mit der Balance der Helden führt. So heilt sich beispielsweise der Schurke Tiel mit Gift, anstatt daran zu sterben wie seine Hüllen-Kollegen. Weil die Spielwelt aber nur so vor giftigen Sporen strotzt, heilt sich Tiel fortwährend und ist dadurch seinen Mitstreitern deutlich voraus. Auch spielerisch scheint der Schurke den anderen Klassen überlegen, da er die höchsten Ausdauerwerte besitzt. Weil Mortal Shell auf ein ausdauerbasiertes Kampfsystem wie in Dark Souls setzt, entscheidet nicht selten die Ausdauermenge über den Ausgang eines Kampfes. Mehr hilft in diesem Fall tatsächlich mehr. Schon alleine deshalb ist Tiel meist unsere erste Wahl auf der Reise durch Fallgrimm.

Für die wenigen Waffen im Spiel gilt das Gleiche. Die Entwickler haben sich für vier unterschiedliche Waffen entschieden, die sich mit wenigen gefundenen Gegenständen verbessern lassen. Doch das Upgraden lohnt kaum, denn auch hier gilt: Hammer und Meißel sind durch ihre Geschwindigkeit und Durchschlagskraft auch ohne Verbesserungen so mächtig, dass die beiden Schwerter und der Streitkolben schnell unnütz werden.

Hart, härter, verhärtet!

Auch mit seinem Kampfsystem hebt sich Mortal Shell auf erfrischende Weise von anderen Souls-Vertretern ab. Es orientiert sich zwar prinzipiell an Dark Souls, nimmt aber eine entscheidende Änderung vor: In Mortal Shell blocken wir nicht, sondern verhärten unsere Hülle kurzzeitig zu undurchdringlichem Stein. Dadurch prallen die Hiebe der Widersacher ab und wir erhalten keinen Schaden. Nach kurzer Aufladezeit dürfen wir dann erneut verhärten.

Der eigentliche Clou dieser Mechanik besteht darin, dass wir sie zu jedem Zeitpunkt im Kampf anwenden dürfen – selbst mitten in einem Angriff, so als würden wir die Zeit anhalten. Schon nach kurzer Zeit eröffnen sich dadurch nicht nur defensive, sondern vor allem auch dynamische offensive Möglichkeiten. Weil das so gut funktioniert, durchströmt einen nach erfolgreichem Verhärten mitten in einem Schlag beinahe kindliche Freude. Denn das Manöver lässt nicht nur den Angriff des Gegners spektakulär an der versteinerten Haut abprallen, sondern führt unseren wuchtigen Hieb trotz kurzer Versteinerungspause einfach weiter aus - eine geniale Idee für das Genre, die Mortal Shell eine frische neue Dimension des Soulslike-Kampfes eröffnet.

Das richtige Timing für die Manöver herauszufinden, gestaltet sich übrigens gar nicht so einfach. Zwar sind die Bewegungen der abwechslungsreichen Gegner meist recht flott zu lernen, doch dann grätscht gelegentlich das Spiel mit schwammigen Hitboxen oder Hindernissen dazwischen, an denen wir aus unersichtlichen Gründen hängen bleiben. So schlagen die Unholde hin und wieder sichtbar daneben, treffen uns aber trotzdem.

Auch beim Ausweichen gehen die Entwickler von Cold Symmetry etwas andere Wege als From Software, was zunächst ein bisschen Gewöhnung erfordert. Drücken wir die Ausweich-Taste, macht unsere Hülle zunächst nur einen Schritt zur Seite, ähnlich wie in Bloodborne. Erst bei zweimaligem Druck auf die Taste rollt sich der Recke ab. Das ist mitunter wenig effektiv, weil es mehr Ausdauer kostet und wir damit nicht selten im Kampf den Überblick verlieren. Nach etwa dem ersten Viertel des Spiels hat man die Mechanik aber verinnerlicht. Frust kommt daher kaum auf.

Wer ist hier der Boss?

Bei den Bossgegnern – immerhin die Paradedisziplin eines jeden Souls-Spieles – hat es Cold Symmetry leider verpasst, spektakuläre Akzente zu setzen. Meist erfordern diese lediglich das Lernen der Angriffsmuster aus Hauen und Stechen, ohne dass den Kreaturen zusätzlich interessante Spezialfähigkeiten spendiert worden wären. Dadurch bleiben die Kämpfe zwar fordernd, werden aber etwas langatmig, zumal die Endgegner mit nicht gerade wenig Lebenspunkten ausgestattet sind.

So bleiben die Bosse leider wenig in Erinnerung, weil ihnen auch visuell die Alleinstellungsmerkmale fehlen. Denkwürdige Momente wie in Dark Souls, wo wir beispielsweise gegen Manus mit seiner riesigen Klaue kämpfen oder in Erinnerungen an Artorias schwelgen, der in grazilem Todestanz nach unserem Leben trachtet, bleiben in Mortal Shell aus. Schade eigentlich, denn die abwechslungsreichen Gebiete – Eishöhlen, himmelhohe Türme, ein Feuertempel und der dunkle Wald – hätten mit etwas ausgefeilteren Bossen durchaus ein würdigeres Finale verdient. So viel sei verraten: Zumindest mit dem Endgegner des Spiels hat das Team aber einiges wieder gut gemacht.

Lordran, bist du's?

Im Gegensatz zu den Bossen fällt die Geschichte von Mortal Shell dafür umso erinnerungswürdiger aus. Zu Beginn des Spiels schickt uns ein riesiger Gefangener mit Pestmaske los, die geweihten Glandula – Teile seines Körpers – zu finden. In Gegenstands-Beschreibungen und Gesprächen mit NPC-Charakteren erfahren wir nach und nach, was die Welt in den Untergang getrieben hat und wie wir sie retten können. Die Erzählweise schreit in ihrem Stil ganz offensichtlich so laut Dark Souls, dass wir uns bisweilen fragen mussten, ob wir aus Versehen das falsche Spiel geladen haben.

Mortal Shell: Enhanced Edition - PS5 + Xbox Series X/S Reveal Trailer

Als aufgebohrte Enhanced Edition erscheint das Soulslike Mortal Shell nun auch für PlayStation 5 und Xbox Series X/S.

Um den Beutestücken alle wichtigen Informationen zu entlocken, lässt uns Mortal Shell die Verbrauchsgüter mehrmals benutzen, bevor sie ihre eigentliche Wirkung verraten. Das ist zwar an sich eine gute Idee, die den Items mehr Bedeutung verleiht, kann aber hin und wieder etwas stören. Wenn wir uns zunächst zehnmal vergiften müssen, ehe ein Pilz uns seinen wahren Nutzen offenbart, dann nervt das schon ein wenig. So wird das ohnehin schon schwere Souls-like gerade zu Beginn nochmal um einiges härter. Dass der olle Pilz dann nach unserem zehnfachen Lehrgeld fortan unsere Giftresistenz steigert, hallt daraufhin wie blanker Hohn nach.

Gut, egal in welcher Hülle

Zum Schluss müssen wir noch einige Worte über die Enhanced Edition verlieren. Die uns vorliegende Version von Mortal Shell auf der PS5 sieht visuell besser aus als die Versionen auf den Last-Gen-Konsolen, so viel steht fest. Im Vergleich zur Epic-exklusiven PC-Version sind hingegen kaum merkliche Unterschiede festzustellen. Das Spiel wird durchgehend butterweich in der Unreal Engine 4 präsentiert und hat in unserem Testzeitraum nicht ein einziges Mal rumgezankt.

Man sollte bei alledem immer im Hinterkopf behalten, dass die Enhanced Edition – die für Besitzer der Last-Gen-Version im Übrigen kostenlos ist – von nur vier Personen zusammengeschustert wurde. Selten bekommt man für sein (weniges!) Geld so ein rundes Indie-Spiel. Klar, hier stellt sich kein Next-Gen-Feeling ein, auch nicht mit neuen Rumble-Funktionen auf dem DualSense-Controller der PS5. Mit dem Remaster in Form der Enhanced Edition zeigt Cold Symmetry dafür eindrucksvoll, wie man ein ohnehin schon sehr gutes Spiel solide für die nächste Generation optimiert.

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