Test - Windbound : Zauberhaftes Survival-Roguelike im Zelda-Stil
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Sieht aus wie Zelda, steuert sich auch ähnlich, ist aber keins. Windbound von den 5 Lives Studios ist ein interessanter Mix aus Roguelike-Adventure, Survival-Game und einer Prise Nintendo-Charme, für den man Geduld und Spucke mitbringen muss, denn der Einstieg ist steil. Doch sobald man sich in der Wildnis der wunderschönen Cel-Shading-Inseln eingefummelt hat, will man sie am liebsten gar nicht mehr verlassen.
Vier Stoßgebete in 30 Sekunden. Das dürfte ein neuer persönlicher Rekord sein. In den rund neun Stunden, die ich für das erste Mal Durchspielen benötigte, flogen zeitweise Flüche und Verwünschungen im Sekundentakt. Aber nicht wegen harter Gegner oder einer fiesen Aufgabenstellung. Es war dieser verfluchte Wind auf hoher See, der an meinem Geduldsfaden zerrte. Nicht umsonst heißt das Spiel Windbound.
Launisch war er. Ich könnte schwören, er drehte sich immer genau in die Richtung, die ich gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte, wenn ich mit Karas selbstgebasteltem Frankenstein-Gefährt über das blaue Nass fuhr. Ich drehte das Segel hin, ich drehte es zurück, spannte es und lockerte es, in der Hoffnung, irgendwie den richtigen Winkel zu finden, der dem Ding Fahrt verleiht. Klappte auch irgendwann, nur lief ich zwischenzeitlich Gefahr, im Schleichtempo Haien oder gefräßigen Krabben ausgeliefert zu sein, welche die fragile Konstruktion aus Bambus und Gras-Seil innerhalb von Sekunden in ihre Einzelteile zerlegen konnten.
Von Insel zu Insel
Eine Seefahrt, die ist lustig? Von wegen! Sie ist für das Beenden dieses Abenteuers in vielfacher Hinsicht essenziell, aber keinesfalls entspannend. Ich gebe zu, ich habe den Wellengang und die Aussicht zuweilen genossen, es ist also nicht so, als ob das Erforschen der Meere keinen Spaßfaktor hätte. Im Gegenteil, wenn das Boot mal fährt und man den Forscherdrang ausleben darf, den das Spiel suggeriert, bekommt man richtig Lust auf Abenteuerurlaub.
Nicht zuletzt in grafischer Hinsicht hat Windbound eine Menge zu bieten, wenn man etwas für den Cel-Shading-Stil übrig hat. Blaue See, fluffige Wolken, exotische Inseln, die im flüssigen Tag-und-Nachtzyklus immer wieder neue Schattierungen ihres Farbspiels zeigen. Da steckt ein dicker Batzen desselben Zaubers drin, der damals Zelda: The Wind Waker interessant machte. Aber da mein Boot in einigen Kapiteln mehrfach drohte, in seine Bestandteile zu zerfallen, habe ich nicht selten Blut und Wasser geschwitzt.
Letztendlich eine Frage des Schwierigkeitsgrads. Wählt man den Story-Modus, so endet ein Ableben (durch Ertrinken, durch Hunger oder Verletzungen) mit dem Verlust aller Gegenstände, die man nicht direkt am Körper trägt. Im Überlebensmodus ist dagegen alles dahin – inklusive des Fortschritts. Dann heißt es Neustart in Kapitel eins. Typisch Roguelike.
Bootszerfall war aber nicht mein einziges Problem. Ich schipperte auf fremden Gewässern herum, stets auf der Suche nach Inseln, auf denen ein magischer Turm steht. Drei dieser Türme muss Kara in jedem der fünf Kapitel des Spiels finden, da auf deren Spitze Artefakte warten, mit denen sie ein magisches Portal öffnet. Nur so gelangt sie zurück zum Konvoi ihres Volks, von dem sie durch einen Sturm getrennt wurde. Knifflig, wenn man nicht weiß, wo diese Inseln sind und was sie sonst noch so bieten.
Alle Inseln, inklusive ihrer Pflanzen- und Tierwelt, werden nämlich prozedural generiert. Man muss also auf Sicht navigieren und hoffen, dass das nächste Eiland am Horizont das richtige ist. Oder zumindest eines, das ein paar nützliche Pflanzen und Tiere beherbergt. Ressourcen, mit denen man Karas Hunger stillen, Werkzeuge und Waffen herstellen und das Boot in Schuss halten kann. Das hat positive und negative Aspekte. Einerseits bleibt das Abenteuer immer frisch und voller Überraschungen, selbst bei wiederholtem Durchspielen. Andererseits kann man sich nie auf sein Glück verlassen. Auch das ist typisch Roguelike.
MacGuyvers Schwester
Mein Gott, was hat diese Frau Hunger. Alle paar Augenblicke schrumpft ihre Ausdauerleiste um ein Stück, weil ihr Magen knurrt, und das bedeutet wiederum weniger Durchhaltevermögen beim Rennen und Schwimmen. Sinkt der gelbe Balken auf null, leidet schlussendlich die Lebensleiste. Abhilfe verschaffen Beeren, Pilze oder bevorzugt Fleisch, das nur dann dauerhaft den Hunger stillt, wenn es über einem Lagerfeuer gebraten wurde.
Allein dieser kleine Faktor des Bedarfs-Kreislaufs beschäftigte mich eine ganze Weile. Ein Tier erlegen, dessen Fleisch ernten, dickes Gras, Zweige und Steine sammeln, aus den drei Komponenten ein Lagerfeuer errichten und dann mehrere Minuten warten, bis das Fleisch durch ist. Eine Aufgabenkette, die unter Umständen einen kompletten Tageszyklus füllt, wenn die Insel, auf der man gerade unterwegs ist, wenige Ressourcen anbietet. Oder wenn das passende Werkzeug fehlt, weil es nach mehrmaligem Gebrauch zu Bruch ging.
Wind Waker? Pah, das ist Breath of the Wild, wie es im Buche steht. Soll heißen, die Regeln sind komplex und gut durchdacht, wodurch der Ablauf des Abenteuers durchgehend aufregend bleibt, wenn man den Nervenkitzel eines möglichen Ablebens mangels passender Ressourcen erträgt.
Nun, Kara ist geschickt, wenn es um das Basteln von Werkzeugen und Bootsteilen geht, aber manchmal auch sehr wählerisch. Auf der einen Seite gibt sie sich für das Flechten eines leichten Bootes MacGuyver-mäßig mit ein paar zusammengebundenen Grashalmen zufrieden, auf der anderen Seite besteht sie auf den Unterkiefer eines ganz bestimmten, höchst gefährlichen und seltenen Tieres als Hauptbestandteil einer Axt. Und da diese Axt das einzige Werkzeug ist, mit dem man dicke Holzstämme fällen kann, habe ich Welten dafür in Bewegung gesetzt, auch wenn ich Kara in Gefahr und mein Nervenkostüm aufgrund der Roguelike-Regeln zum Flattern brachte.
Windbound lebt von diesen Abhängigkeiten. Gäbe es sie nicht, wäre ich schlicht von Turm zu Turm gesegelt und hätte die fünf Kapitel in Rekordzeit beendet. Witzigerweise ist es genau das, was man im höheren der beiden Schwierigkeitsgrade versuchen muss, weil man sich sonst in Einzelheiten verheddert.
Man muss nicht zwingend auf Risiko spielen, aber wer es zu lasch angeht, verliert öfter das Leben und den Fortschritt, weil Schäden durch Hunger und Monsterangriffe auf Dauer Überhand nehmen. Man verplempert auf der Suche nach ressourcenreichen Inseln zu viel Zeit auf hoher See, wo es keinen Nachschub gibt, und beim Aufbereiten etlicher weiterer Ressourcen geht ebenfalls Zeit drauf, in der Kara womöglich Hunger leidet. Bescheidenheit ist eine Zier in Windbound.
Ein wenig unausgeglichen
Obwohl jedes Rezept und jede Zutat, die man finden kann, in den Menüs des Spiels ausführlich beschrieben wird, verwirrte mich das Item-Management bei Spielstart stärker als erwartet, weil es von allem zu viel gibt. Federn, Tonklumpen, Knochen, Holzzweige, Holzstämme, Bambus, Giftdrüsen, Rohmetall, Fleisch, Pilze … Die Liste der nutzbaren Gegenstände ist lang und das Spiel bombardierte mich von Anfang an mit Utensilien, die ich noch gar nicht verarbeiten konnte.
Ich musste lernen, bescheiden zu bleiben und Prioritäten zu setzen, was bei lächerlichen acht Halteslots im Inventar schwerfällt. Weitere sieben Inventarplätze gewährt der erste Typ Beutel, den ich aus Palmblättern knüpfte, aber auch das war für den Einstieg zu wenig, weil ich aus all den Rohstoffen Werkzeuge, Kleidung, Nahrung und Waffen fertigte, die ebenfalls Platz beanspruchten. Nahrung verdirbt zudem nach einiger Zeit, hat also Priorität bei der Herstellung und im Verbrauch.
Das ist für sich gesehen kein negativer Kritikpunkt. Wie einst beim allerersten 8-Bit-Zelda liegt viel Reiz im Ausloten der Möglichkeiten. Gerade weil es keine ausschweifenden Tutorials gibt, fühlt sich jeder Erfolg umso herausragender an. ICH habe Feuer gemacht! Nur können die Entwickler die Spannung nicht konstant über das Spiel hinweg halten.
Da ich erst in Kapitel 3 an Seide herankam, mit der ich größere Beutel herstellen konnte, bestand meine Hauptaufgabe lange Zeit im Jonglieren der Ressourcen. Das Boot fasst dank installierbarer Töpfe und Beutelhalter ebenfalls einige Gegenstände, aber einerseits muss man dann für jedes fehlende Teil zum Boot rennen, andererseits geht alles, was man auf dem Wassergefährt lagert, verloren, wenn es mal zu Bruch geht (oder wenn man stirbt). Ich musste lernen, mich mit einer permanenten Knappheit zu arrangieren.
Als ich endlich den richtigen Flow dafür gefunden hatte, wurde das Jonglieren aber plötzlich unnötig, weil ich größere Beutel mit 18 Trageslots fertigen konnte. Nicht, dass ich mich beschweren wollte, aber von jetzt auf gleich verpuffte einer der krassesten Survival-Elemente und der Schwierigkeitsgrad sank gleich mit. Uff! Tut mir leid, aber da muss ich den Entwicklern bei 5 Lives eine verbesserungswürdige Spielbalance attestieren. Ich hätte mit beidem leben können, nur bitte konsequent.
Ja ja, ich meckere mal wieder auf hohem Niveau. Am Spaß änderte dieser Bruch im Spielablauf wenig. Aber das war nicht die einzige Designentscheidung, die mir Rätsel aufgab. Warum ist die einzige nicht-prozedural gestaltete Insel zwar schön, zugleich aber auch diejenige, die sich nie ändert? Warum gibt es bei den Überfahrten, die die Kapitel verbinden, tosende Sturmwellen in einem Gebiet, in dem anderweitig keine Gefahr droht? Das kam mir stets vor wie die Wildwasserbahn eines Freizeitparks – interessant, aber ohne Konsequenz. Mal einen Sturm auf dem offenen Meer zu erleben, wäre viel aufregender gewesen und hätte dem Basteln eines stabilen Bootes mehr Sinn verliehen.
Wozu dienen Seescherben, wenn es sie im Überfluss gibt und man sie nur zwischen den Kapiteln gegen wenig nützliche Eigenschaften eintauschen kann? Warum wird die mystische Geschichte nicht ein wenig ausführlicher dargelegt? Aus den Piktogrammen vor der Überfahrt kann man kaum einen Sinn entziffern. Fragen über Fragen.
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