Test - Warcraft 3 : Warcraft 3
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Apropos Mikromanagement. Blizzard typisch, verzichten die Kalifornier auf fast alle inzwischen gängigen Features, was die Einheitensteuerung angeht. 'Age of Empires II' verwöhnte Spieler werden sicherlich Optionen wie verschiedene Agressivitätsstufen, feste Formationen oder Position halten ohne zu schießen vermissen. Die Entwickler setzen lieber auf den Menschen als Kontrollmechanismus und wollen damit eine engere Bindung zwischen Spieler und Spiel erreichen. Eines haben sie allemal erreicht - es gibt immer etwas zu tun, denn die Wegfindung ist auch in 'Warcraft III' nicht gerade perfekt. Besonders die Automatik-Formationsbildung bringt einen manchmal an den Rand der Verzweiflung.
Kennt man 'Age of Empires II', 'Shogun' und andere Echtzeit-Strategiespiele vor allem durch ihre epischen Massenschlachten, geht es in 'Reign of Chaos' eher beschaulich zu, wozu allein schon das Einheitenlimit von 90 beiträgt. Viele werden nun die Hände über den Kopf schlagen, doch im tatsächlichen Spielverlauf bewahrheitet sich einmal mehr, dass die Blizzard-Entwickler genau wissen, was sie tun. Anstatt Einheiten anonym in die Schlacht zu schicken sind die Kämpfe sehr stark taktische geprägt und es herrscht eine Menge Abwechslung vor allem im Multiplayer-Bereich. Hinzu kommen die bereits erwähnten Helden, welche, richtig benutzt, den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben können. Schmerzlich vermisst man dagegen eine frei konfigurierbare Hotkey-Belegung und Funktionen um den Basisbau zu vereinfachen. Geschlampt haben die Entwickler beim Volk der Menschen: Dieses kann als einziges Volk mit mehreren Bauern gleichzeitig bauen und somit die Bauzeit verkürzen. Nun ist es nicht möglich einfach drei Bauern auszuwählen und dann zu bauen sondern ein Bauer muss mühsam die Baustelle eröffnen und die anderen dann hinzugezogen werden. Diese wäre sicherlich eleganter zu lösen gewesen.
Auch gehen Siedler nach Erledigung ihres Bauauftrages nicht ihrer ursprünglichen Beschäftigung nach, sondern stehen dumm in der Gegend rum. Überhaupt scheint die Einheiten-KI nicht gerade einen Hochschulabschluss zu besitzen - zu oft verheddern sich Einheiten in größeren Gruppen untereinander und manchmal bleiben sie an Engstellen sogar stecken.
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Grafik, Sound und Synchronisation
Von 'Empire Earth' über 'Battle Realms' hin zu 'Warcraft III' wird die 3D-Grafik immer schöner und funktioneller. Die Zaubersprüche und das bewegte Wasser gehören grafisch mit zum besten, was das Genre derzeit zu bieten hat. Einigen wird die Optik vielleicht ein wenig zu bunt und Comichaft vorkommen, doch diesen Kritikern sei gesagt, dass dies genau dem Stil von 'Wacraft' entspricht und von den Entwicklern durchaus beabsichtigt ist. Das Terrain und die liebevoll gestalteten Gebäude, bei denen sich alles bewegt - es staubt und werkelt - sind einfach ein Traum. Bei jedem Gebäude kann ich genau erkennen, ob es gerade produziert oder nicht, was eines der wichtigsten Hilfsmittel beim Game-Design ist. Dass die vielen Render-Videos zur Creme de la Creme gehören, sollten sowieso alle Kenner wissen, die Blizzard nicht für einen Begriff aus Jörg Kachelmanns Wetterbericht halten.
Ist die Grafik schon weit überdurchschnittlich, setzt der Sound nochmals eines drauf und rundet 'Warcraft III' nach oben hin geschmacklich ab. Die Musik ist einzigartig und wird selbst im Multiplayer niemals langweilig. Normalerweise stelle ich die Musik spätestens nach dem zweiten Spiel ab, hier habe ich sie nach über 300 Spielen im BattleNet immer noch laufen. Durch den 3D-Sound werden zudem wichtige Spielinformationen mitübertragen und das Hämmern der Peons hat mich schon vor manchem Tower-Rush gewarnt.
Die englische Sprachausgabe ist jenseits von jedem Tadel und kann von Anfang bis Ende begeistern, selten hat man solch professionelle Sprecher erlebt, welche die Stimmung der Einzelspielerkampagne nochmals erhöht, sofern die überhaupt möglich ist. Naturgemäß fällt die deutsche Synchronisation wieder einmal davon ab und wirkt an einigen wenigen Stellen sogar ein bisschen lustig. Daher mein Tipp an alle, die englisch können: Kauft euch die US-Version, welche zudem über ein besseres Handbuch und eine, wie ich meine, schönere Verpackung verfügt.
Zur Krönung ins BattleNet
Besticht bereits die Einzelspieler-Kampagne durch ihre liebevolle Gestaltung und atmosphärisch dichte Realisierung, setzt der Multiplayer-Modus dem Ganzen noch die Krönung auf. Noch nie gab es eine grafisch derart aufwändige Lobby, noch nie so geniale Matchmaking-Services wie im BattleNet. Am besten betrachtet ihr die Screenshots der Bnet-Lobby um einen Eindruck zu erhalten, wie genial diese gestaltet wurde.
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Aber auch bei den Funktionen haben die Entwickler ihre Hausaufgaben gemacht: Kranken heutige Online-Ligen oft unter der Cheater-Plage, ist dies bei Blizzards neuer Liga praktisch unmöglich. Denn anders als in allen anderen Systemen kann man sich hier seine Gegner nicht aussuchen, sondern das BattleNet arrangiert von sich aus die Begegnungen. Je nach Sieg oder Niederlage erhält man dann Erfahrungspunkte und kann in höhere Levels aufsteigen. Der Level sowie die Statistik sind jederzeit in einem Spielerprofil einsehbar. Noch mehr Gedanken haben sich die Kalifornier über die Teamspiele gemacht, denn leichter hat man diese noch nie arrangiert. Spiel aufgemacht, Freunde ausgesucht, die mitspielen sollen - diese kriegen dann automatisch eine Aufforderung zum Beitreten, sofern sie im Bnet sind - auf 'Suche Spiel' geklickt und schon sucht das BattleNet nach gleichstarken Gegnern.
Wie bei allem Neuen gilt: Auch diese Funktion hat ihre Kinderkrankheiten. So kann man zwar die Maps auswählen die man spielen möchte, das Bnet wählt dennoch eine beliebige Map aus, die Levelunterschiede sind noch zu groß - als Level 10 Spieler mit gut 60 wins kann ich immer noch auf einen kompletten Newbie treffen - und es kommt des öfteren zu disconnects am Anfang des Spiels, welcher dann zu einem Verlust des Spiels führt. Der letzte Punkt wurde aber angeblich gerade durch einen Patch gefixed.
Abzüge bekommt Blizzard hingegen für die miserablen Server in Europa: Derzeit geht praktisch nichts auf diesen, es kommt zu Spielunterbrüchen zu hauf und oft ist nicht mal ans Chatten zu denken. Schade, denn gerade das hervorragende BattleNet wäre Garant für langandauernden Spielspass. Tipp am Rande: Solange sich die Situation nicht bessert, spielt lieber auf den US-Servern, denn diese wurden offensichtlich ausreichend dimensioniert und funktionieren tadellos.
Nicht alles Gold was glänzt
Kritik muss sich Blizzard, beziehungsweise der Publisher Vivendi sicherlich auch wegen des etwas mickrigen europäischen Handbuchs gefallen lassen. Kommen die Amerikaner - wir haben sowohl die US-Version gekauft, als auch die Europa-Version getestet - mit einem noch annehmbaren kleinen Buch weg, muss sich der deutsche Spieler mit einem dünnen Heftchen abspeisen lassen, das gerade einmal die wichtigsten Spielfunktionen erklärt. Erforscht man dann zufällig seine 'Warcraft III'-CD, findet man unverhofft als PDF-Datei, was wohl eigentlich als Handbuch dienen sollte. Über 100 Seiten mit feinsten Artworks, Beschreibung der Geschichte der Völker, ein Vorstellung aller Helden und Einheiten, und und und. Offensichtlich will man so die Leute in die völlig überteuerte Special-Edition von 'Wacraft III' treiben, welche dieses Handbuch in gedruckter Form enthält. So nicht Vivendi, mag sich mancher Käufer leicht verärgert denken.
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