Test - 12 Minutes : Und täglich grüßt Willem Dafoe
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Der Titel „12 Minutes“ ist Programm. Genauso viel Zeit gewährt das ungewöhnliche Adventure dem Spieler, um ein Rätsel zu lösen. Der Clou: Eine Zeitschleife lässt die Geschichte immer wieder von vorne beginnen. Originell oder einfach nur repetitiv?
Wer hätte nicht auch gern, dass eines Abends plötzlich Willem Dafoe an der Haustür klingelt? Im Fall von 12 Minutes bedeutet das aber nichts Gutes, denn der Hollywoodstar spricht einen Polizisten, der uns eines schweren Verbrechens beschuldigt. Und mit dem Verhaften nimmt der es auch nicht so genau, vielmehr will Dafoe uns eiskalt das Licht ausknipsen.
Wer hat an der Uhr gedreht?
Wie gut, dass wir nach unserem Ableben eine zweite Chance bekommen. Und es soll nicht die letzte sein. In 12 Minutes ist die namenlose Spielfigur in einer Zeitschleife gefangen, nach jedem Tod geht alles wieder von vorne los. Also genau wie in Filmen wie Und täglich grüßt das Murmeltier oder Edge of Tomorrow. Oder (aktuellen) Spielen wie Returnal und Deathloop.
Und doch spielt sich das exklusiv für Xbox (und PC) verfügbare Adventure 12 Minutes aus dem Hause Annapurna erfrischend anders. Eben auch, weil es nicht einen ganzen Tag wieder und wieder abspielt, sondern uns, wie der Titel andeutet, gerade mal 12 Minuten in Dauerschleife erleben lässt. Und das auf engstem Raum: Die komplette Handlung ist auf ein winziges Zwei-Zimmer-Apartment reduziert, das wir zudem nur aus der Top-Down-Perspektive sehen. Das stete Gefühl von Beklemmung ergänzt sich damit hervorragend mit dem Wissen, dass jede Minute alles vorbei sein kann. Das Resultat: Stress!
Von den lediglich drei auftretenden Protagonisten erkennen wir durch die Draufsicht nie die Gesichter. Aber auch ganz ohne sichtbare Emotionen reißen uns die drei Figuren mit, da sich ihre prominenten Sprecher voll ins Zeug legen. Unsere Spielfigur wird von James McAvoy (X-Men) vertont, während Star-Wars-Entdeckung Daisy Ridley unserer Freundin ihre Stimme leiht, die uns bei unserer abendlichen Ankunft freudig in den eigenen vier Wänden erwartet.
Auf die Freude folgt die Verheißung. Der Tisch wurde mit Kerzen gedeckt, es gibt Dessert. Etwa auch etwas zu feiern? Zunächst müssen wir selbst nachhelfen, es fehlt Wasser. Also Tassen schnappen, zur Spüle gehen und ab auf den Tisch damit. Mit wenigen Klicks lehrt 12 Minutes seine Steuerung, immerhin bleibt ja auch nicht viel Zeit. Grundsätzlich geht die Bedienung wie in jedem anderen Point-and-Click-Adventure von der Hand. Objekt A kann mit Objekt B kombiniert werden, ein dritter Gegenstand ist dabei nie nötig. Das Spiel hält sich bei seinem Prinzip und seinen Aufgaben so simpel wie nötig. Dass es dennoch so fordert, liegt einzig allein an seinem gnadenlosen Zeitlimit. Ist die Uhr rum, ist es vorbei.
Rat mal, wer zum Essen kommt
Kaum essen wir zu Abend, rückt Daisy Ridley mit froher Kunde heraus. Doch dann klingelt es auf einmal an der Tür. Ein unerwarteter Gast? Noch bevor wir aufmachen können, platzt ein Polizist (Dafoe) herein, der unserer besseren Hälfte des Mordes an ihrem Vater beschuldigt. Und dieser mutmaßliche Mord scheint ihn selbst schwer mitzunehmen, denn mit dem Beamten ist nicht zu spaßen. Wutentbrannt geht er auf die beiden los, fesselt sie und ehe wir uns versehen, bringt er unsere Spielfigur, ohne mit der Wimper zu zucken, kaltblütig um.
Spiel vorbei? Ja und nein. 12 Minutes dreht nun die Uhr zurück und setzt genau zu dem Zeitpunkt wieder an, als wir die Wohnung betreten haben. Wenn wir nichts unternehmen, endet der kurze Abend genauso tragisch wie zuvor. Die Aufgabe scheint also klar: Mit dem Vorwissen aus der letzten Zeitschleife, müssen wir das Desaster verhindern. Das klappt jedoch nicht in einem Durchlauf, denn um das Rätsel zu lösen, müssen wir immer wieder scheitern und zahlreiche neue Versuche unternehmen. Bis zum endgültigen Ende erleben wir die 12 Minuten somit unzählige Male.
Klingt ein bisschen nach lästigem Roguelike, und tatsächlich besteht das Spiel vor allem aus Wiederholungen. Gefühlt endlos spulen wir die immer gleichen Vorgänge ab: Tisch decken, Wasser einfüllen, mit der Freundin plaudern, vergeblich versuchen, den Polizist zu beruhigen ... Jedoch variieren schnell die Abläufe, denn natürlich braucht es neue Wege, um das Ziel zu erreichen.
Gleich beim zweiten Versuch zum Beispiel verriegeln wir als erstes die Tür, damit der unerwünschte Besucher diesmal nicht einfach so hinein spazieren kann. Viel nützt das aber nicht, denn nach kurzer Zeit tritt der Polizist einfach die Tür ein. Aber diesmal können wir mit einem Messer die uns verpassten Fesseln lösen. Doch dann schlägt uns der Cop direkt K.O. Mit diesem Prinzip führt 12 Minutes uns durch seine knapp vier Stunden Spielzeit: scheitern, lernen und viel ausprobieren.
Ein Roguelike-Adventure?
So manchen Spieler kann das frustrieren, denn außer dem berüchtigten Trial and Error bleibt ihm nicht viel übrig. Zumal das strenge Zeitlimit (nach etwa sechs Minuten taucht schon der Polizist auf) für Stress sorgt und uns zu schnellen Entscheidungen zwingt. Doch 12 Minutes weiß, seine vermeintlich größte Schwäche geschickt zu kontern: Denn wie bei guten Trial-and-Error-Spielen greift hier das Suchtprinzip, es doch noch einmal probieren und diesmal unbedingt besser machen zu wollen. Statt genervt das Gamepad wegzuwerfen, legen wir also eine weitere Runde ein. So lange, bis das große Rätsel gelöst ist.
Die Frage, ob unsere Freundin wirklich eine Mörderin ist, macht den großen Reiz der Geschichte aus. Hat sie tatsächlich ihren Vater umgebracht? Und wenn ja, warum? Was hat der Fremde damit zu tun? Mit der Zeit decken wir einige dunkle Geheimnisse und schockierende Wahrheiten auf und das eigentlich nur innerhalb dieser zwölf Minuten. Hochspannend und motivierend, auch weil die Sprecher ganze Arbeit leisten und mit ihren Emotionen für zusätzliche Intensität sorgen.
Mit der Zeit gilt es, die verschiedensten Ansätze zu wählen, um an Informationen zu kommen. Zunächst versuchen wir natürlich nur, irgendwie den aggressiven Cop auszuschalten. Das Messer nützt nichts? Dann machen wir uns den Lichtschalter zunutze, der unter Kurzschlüssen leidet. Im Schrank verstecken hilft auch nicht, weil uns unsere Freundin verrät? Wie wäre es damit, ihr vorher Schlafmittel ins Wasser mischen?
Doch später wollen wir vor allem auch herausfinden, was Daisy Ridleys Figur zu verbergen hat, und müssen ihr in den Dialogen möglichst viele Informationen herauslocken. Mit diesen können wir dann in der nächsten Zeitschleife wiederum ganz neue Lösungswege testen. So dynamisch und komplex diese dadurch wirken, so simpel sind die Rätsel in Wirklichkeit. Gäbe es die zeitliche Begrenzung nicht, würde jedem ganz schnell auffallen, wie einfach gestrickt die Mechanik doch ist. Nach und nach kommt dennoch Licht ins Dunkel, wie bei einem virtuos geschriebenen Thriller-Roman können wir nicht aufhören und „lesen” das Abenteuer in einem Rutsch durch.
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