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Test - Steelrising : Nicht Bloodborne 2, aber ein erfrischend spaßiges Souls-like

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Die Greedfall-Macher auf Abwegen: Nachdem sich die französischen Entwickler von Spiders nach mittelmäßigen Rollenspielen wie Mars: War Logs und Bound by Flame zuletzt von Spiel zu Spiel qualitativ massiv gesteigert und mit Greedfall die Türen zu einem internationalen Durchbruch weit aufgestoßen haben, schlagen sie mit ihrem neuen Spiel Steelrising gänzlich andere Wege ein. Bevor sie voraussichtlich 2024 mit Greedfall 2 an alte Traditionen anknüpfen, versuchen sie sich an einem Hardcore-Action-Rollenspiel, das in nicht wenigen Gesichtspunkten stark an den From-Software-Hit Bloodborne erinnert.

Paris 1789, das Jahr der französischen Revolution. Die Stadt liegt in Trümmern. Louis XVI., dem sogenannten „Uhrwerk-König“, ist es gelungen, mit einer Roboter-Armee aus mechanischen Automaten die Aufstände niederzuschlagen und das Reich zurück unter seine Kontrolle zu bringen. Darum entsendet Königin Marie-Antoinette euch – Aegis, der einzige Automat, der eine Seele zu besitzen scheint, denken und sprechen kann – um seinem Treiben Einhalt zu gebieten.

Diese kurze Zusammenfassung macht bereits offensichtlich: Mit historischen Fakten nehmen es die Entwickler nicht so genau. Stattdessen entwerfen sie eine faszinierende Steampunk-Variation (bzw. genauer gesagt dessen Untergenre „Clockpunk“) der damaligen Zeit und erklären dies bereits zum ersten großen Aushängeschild ihres Spiels: der extravagante Stil der Ära mit seinen ausgefallenen Perücken, den pompösen Kleidern und verschnörkelten Accessoires.

Davon profitiert vor allem auch das Design der Charaktere: Aegis ist nicht die typische Heldin aus Fleisch und Blut, sondern besteht als Automat ausschließlich aus Zahnrädern, Scharnieren und Keramikteilen. Ihre Bewegungen wirken stets von unnatürlich mechanischer Eleganz, wie von einer animatronischen Puppe, und gelegentlich scheint auch mal eins der Zahnräder kurz zu klemmen oder einfach mit dem Darstellen von Emotionen nicht richtig vertraut zu sein, wenn etwa in einer Zwischensequenz für einen kurzen Augenblick ihre Augenlider unkontrolliert zittern.

Insbesondere auch die 40 unterschiedlichen Waffen in 7 Kategorien für jeden Spielstil spiegeln auf markante Weise den Hang zum Extravaganten wider, der Steelrising über weite Strecken prägt: Da gibt es die üblichen flinken Dolche und wuchtigen Hammer, aber eben auch Waffen wie das mechanische Rad, das wie ein entfernter Vorfahre der Kettensäge anmutet, oder die ausgefallenen Metall-Fächer, die Aegis mit tödlicher Eleganz wie in einer tänzelnden Choreographie führt.

Souls-like mal anders

Steelrising schickt euch nach und nach in die verschiedenen Stadtviertel von Paris: Schloss Versailles mit seinen angrenzen Wäldern, die Innenstadt, die von den Robotern bereits zu großen Teilen in Schutt und Asche gelegt wurde, die Gegend um den Louvre mit seinen Irrgärten aus Hecken und Springbrunnen oder den berühmten Stadtteil Montmartre, der damals noch nicht aus pittoresken Wohnhäusern bestand, sondern einem gewaltigen Gips-Steinbruch, der sich wie ein Schlund hinab zur Hölle in die Landschaft gräbt.

Ganz Paris in einer einzigen zusammenhängenden Spielwelt abzubilden, hätte vermutlich den Produktionsaufwand über sämtliche Grenzen hinweg gesprengt. Darum wurde die Stadt (wie in Demon's Souls) in mehrere abgeschlossene Gebiete unterteilt, die ihr auf einer Übersichtskarte ansteuert. Zum Nachteil gereicht das dem Spielerlebnis keineswegs. Jede Region ist riesengroß und wird von all den Bestandteilen aufgespannt, die From Software zum Markenzeichen dieser Art Spiele ernannte: schmiedeeiserne Pavillons statt Leuchtfeuern, die als Checkpoints dienen, aber auch besiegte Gegner wiederbeleben, Abkürzungen dorthin, die den linearen Spielablauf nach und nach in alle Richtungen öffnen, Erfahrungspunkte, die im Falle eures Ablebens erst wiederbesorgt werden müssen, um nicht verloren zu gehen.

Steelrising ist eben ein waschechtes Souls-like. Beziehungsweise wohl eher Bloodborne-like, denn dass den Entwickler ganz offenbar der PS4-Hit von From Software als maßgebliche Inspirationsquelle vor Augen stand, machen sie mit dem düsteren Look und der Atmosphäre von Zerfall und Zerstörung vom ersten Moment an klar: umgestürzte Kutschen am Straßenrand, vom Mondlicht beschienene Pflastersteine, brennende Scheiterhaufen, groteske Statuen und gotische Kirchen. Ob das Paris der französischen Revolution oder das ans viktorianische London angelehnte Yharnam in Bloodborne – rein visuell wird die Seelenverwandtschaft der Schauplätze sofort offenkundig. Fans, die seit Jahren vergeblich Bloodborne 2 fordern, sollten Steelrising spätestens ab diesem Moment eine Chance geben.

Im zweiten Anlauf auf dem richtigen Weg

Beziehungsweise wohl eher eine zweite Chance, denn die erste vergeigt das Spiel zunächst mit Karacho: der Tutorial-Level in den Gärten und Wäldern von Schloss Saint-Cloud ist der mit Abstand hässlichste im ganzen Spiel. Der erste Boss ist eine Lachnummer, das Leveldesign wirkt plump und einfallslos wie aus einem Handbuch für 08/15-Souls-likes, vereinzelte Bugs lassen Schlimmes erahnen. Und die Steuerung, die die Entwickler ja schon in Greedfall nicht so richtig hinbekamen, fühlt sich zunächst schwammig und unpräzise an, als bewege man Aegis wie eine Marionette am ausgestreckten Stock. Vermutlich wird es nicht Wenige geben, die Steelrising dafür abstrafen und schnell die Lust darauf verlieren. Doch das wäre ungerecht.

Denn man gewöhnt sich erstaunlich schnell an die Steuerung, versteht irgendwann, warum sie so ausfällt, wie sie eben ausfällt, und was sich die Entwickler dabei gedacht haben. Steelrising spielt sich flotter und eleganter als die Spiele von From Software, allein schon weil ihr vernünftig springen könnt und nachher auch Fähigkeiten wie einen Dash in der Luft oder einen Greifhaken wie in Sekiro erhaltet, mit dem ihr euch behände auf höher gelegene Plattformen schwingt. Das führt zum ungewohnten Effekt, dass man beim Erkunden der Spielwelt immer auch in der Vertikalen denken muss, etwa nach gestapelten Kisten oder einem Karren Ausschau hält, über die man auf die andere Seite eines Zauns oder ins obere Stockwerk eines Hauses gelangt. Wenn schließlich das Bewegungsrepertoire erstmal verinnerlicht ist, fühlt sich Steelrising jedenfalls wie im ständigen Fluss an. Und nicht mehr wie noch zu Anfang als ungelenkes Stolpern.

Selbstverständlich sollte man ihm nicht mit den Erwartungen eines From-Software-Spiels entgegentreten. Deren Perfektionismus vermochte bislang noch kein Herausforderer auch nur ansatzweise zu leisten, und Steelrising macht darin keine Ausnahme. Doch in der mittlerweile langen Liste zweit- und drittklassiger Souls-likes schließt es ganz klar in die Spitzengruppe auf. Nach Rohrkrepierern wie zuletzt Dolmen, Thymesia oder Stranger of Paradise übertrifft Steelrising die Überdurchschnittsware wie Mortal Shell und Code Vein und schafft es auf respektable Augenhöhe mit den besseren Vertretern seiner Gattung wie Nioh und The Surge 2.

Dessen scheinen sich die Entwickler durchaus bewusst gewesen zu sein, holten sie sich von Ersterem, also Nioh, sogar manche Inspiration, etwa die Möglichkeit sich verbrauchte Ausdauer durch einen kleinen Reaktionstest sofort wiederzuholen. Überhaupt: Dass die Ausdauer nicht bloß als schnöder Balken angezeigt wird, sondern sich durch das Überhitzen von Aegis’ Gelenken zusätzlich optisch als Glühen bemerkbar macht, gehört zu den vielen hübschen Details, die man als Spieler mit Freude registriert.

Cleveres Leveldesign zwischen Souls, Metroidvania und Open World

Etliche solcher kleiner und großer Ideen bewirken, dass sich Steelrising nach einer Weile nicht mehr nur als Blaupause seiner Vorbilder anfühlt, sondern ihnen selbstbewusst die Hand reicht. Vor allem indem es seine Nebenquests deutlich konservativer inszeniert als From Software, veranschaulicht Steelrising in willkommener Weise, wie sehr das Spielerlebnis davon profitieren kann, wenn sich die Aufgaben und Geschichten zur Abwechslung mal nicht bis zur Unkenntlichkeit im nebulösem Geschwurbel verstecken, in dem sie in Dark Souls und Elden Ring oft gar nicht auffindbar waren.

Dass die Entwickler von Steelrising die Nebenquests zudem an eine Art Metroidvania-Leveldesign koppeln, kommt gar einem kleinen Geniestreich beachtlich nahe. Was ich damit meine? Regelmäßig kommt ihr im Spielverlauf an Durchgängen vorbei, die ihr noch nicht öffnen könnt, weil euch die entsprechende Fähigkeit dafür fehlt – der Tritt zum Einreißen bröckliger Wände etwa oder der Doppelsprung zum Überwinden größerer Abgründe. Erst später, wenn ihr die passende Fähigkeit erlernt habt, könnt ihr dorthin zurückkehren und euch Zugang verschaffen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen, die an diesem Vorbild modelliert sind, dient der Metroidvania-Aufbau in Steelrising aber nicht dazu seine Spieler zu gängeln, durch lästiges Backtracking mühselig Spielzeit zu schinden, indem es euch einfach erneut durch bereits besuchte Gegenden schickt (zuletzt etwa ganz plump in Horizon: Forbidden West umgesetzt). Ihr braucht euch nicht einmal zu merken, wo die Orte sind, an denen es nicht weitergeht – weil euch das Spiel ohnehin irgendwann dorthin schicken wird und zwar in Form der Nebenquests, die euch im Übrigen von historischen Persönlichkeiten aus dem Dunstkreis der Revolution wie Robespierre oder dem berühmten Chemiker Lavoisier erteilt werden

Dann zeigt sich eindrucksvoll, wie erstaunlich schlau das Leveldesign von Steelrising im Speziellen und dadurch sein gesamtes Spielkonzept im Allgemeinen erdacht ist. Denn die versperrten Metroidvania-Türen dienen nicht einfach nur dazu, neue Gebiete und ihre Geheimnisse vor euch zu verschließen. Stattdessen fungieren sie vielmehr als zusätzliche Abkürzungen durch die gesamte Spielwelt, um sicherzustellen, dass ihr eben nicht ständig denselben Weg gehen müsst, den ihr schon beim ersten Mal nahmt, sondern prinzipiell und jederzeit den direktesten einschlagen könnt.

Durch diesen Kunstgriff ändert das Spiel mit einer kleinen Verschiebung im Aufbau seines Layouts der Spielwelt deren Erleben in seinem Innersten: Statt im Souls-typischen Wollknäuel der ineinander verschlungenen, aber grundsätzlich geradlinigen Wege, wähnt man sich ab einem gewissen Zeitpunkt plötzlich fast schon in einer offenen Welt, in der die Straßen in sämtliche Richtungen offen stehen und sich daher jeder Ort in Windeseile aufsuchen lässt, um dort neue Heldentaten zu vollbringen.

Zu leicht für ein echtes Souls-like?

Dass man bis zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich reichlich overpowered sein wird, sodass die Gegner auf dem Weg nur noch eine geringe Bedrohung darstellen, unterstreicht zusätzlich diesen Eindruck einer Genre-Verschiebung ins für seinen eher als seicht bekannten Schwierigkeitsgrad berüchtigte Open-World-Genre. Freilich wird das manch hartgesottenem Souls-Veteranen übel aufstoßen, der sich lieber die Zähne ausbeißt, als sie in Watte gehüllt zu wissen. Bei mir persönlich trug der verminderte Härtegrad jedoch gerade maßgeblich zu der anhaltenden Freude bei, die ich mit dem Spiel hatte. Eben weil man nicht wie sonst um jeden Schritt vorwärts bangen muss, sondern die Spielwelt auch einfach mal sorglos erkunden und ungezwungen Spaß haben kann.

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Vielleicht nehmen die Entwickler im Nachhinein aber auch noch Anpassungen vor, denn dass das Tutorial den mit Abstand schwersten Level des Spiels darstellt, deutet darauf hin, dass sie sich einfach beim Balancing leicht verschätzt haben. Generell ist ihnen aber auch grundsätzlich gar nicht an der bockschweren Erfahrung gelegen, die mit Souls-Spielen üblicherweise assoziiert wird. Wer will, kann den Schwierigkeitsgrad in den Einstellungen sogar so weit herunterregeln, dass er faktisch nicht mehr vorhanden ist.

Wovon ich allerdings abraten würde, weil das Spiel ohnehin mit fortschreitendem Verlauf immer einfacher wird. Manche Bosse hatte ich so schnell besiegt, dass ich mich kaum noch an sie erinnere. Was womöglich auch besser so ist … Denn gerade in der Paradedisziplin des Souls-Genres bekleckern sich die Entwickler von Spiders nicht gerade mit Ruhm. Schön designt sind sie großteils, zweifellos: eine turmhohe, mordlüsterne Schachfigur, ein mechanischer Troll oder ein feuriger Reiter. Doch spulen sie alle so lustlos ihr durchschaubares Angriffsrepertoire ab, bewegen sich ungelenk und scheinen manchmal für einen Augenblick lang nicht zu wissen, was sie eigentlich gerade machen wollten, dass man fast schon Mitleid mit ihnen bekommt. Sämtliche Zwischenbosse lassen sich zudem ganz locker auf die eine oder andere Weise „cheesen“, indem man Schludrigkeiten in der Programmierung ausnutzt, sich etwa einfach außerhalb ihres Bewegungsradius positioniert, das Kampfgebiet kurz verlässt und wiederkehrt oder sich hinter ein Hindernis stellt, um das die tapsige KI nicht den Weg findet.

Steelrising - Paris - Trailer

Erlebt Paris und seine Monumente in einem epischen Abenteuer neu. Von den Jardins du Luxembourg bis zur Bastille - Steelrising bietet einen neuen Blick auf die berühmtesten Orte der französischen Hauptstadt.

Auch die KI der normalen Gegner wirkt immer mal, als erleide sie gerade einen Schlaganfall, doch glücklicherweise schlägt sich das sehr viel geringer im allgemeinen Erlebnis nieder. Die Gegner in From-Software-Spielen zählten schließlich auch noch nie zu den schlauesten. Schön erdacht sind sie in Steelrising allemal, wenngleich ein bisschen wenig an der Zahl: zum Leben erwachte Bronzestatuen, ein metallener Rabe, der auf seinen Stahlflügeln wie auf Stelzen stolziert, und dann vor allem dieser tänzelnde Harlekin mit seiner Trompete, über den ich gern wüsste, wie sehr sich die Entwickler bei Spiders im Nachhinein darüber geärgert haben müssen, als sie erfuhren, dass ihre Konkurrenten bei From Software mit den trötenden Schneemännern in Elden Ring nahezu die gleiche hübsche Idee hatten, nur aber mit ihrem Spiel ein paar Monate früher rauskamen.

Wie dem auch sei. Wer sich gerne hämisch auf kleine Unzulänglichkeiten in Spielen stürzt, dem bietet Steelrising genug Angriffsfläche, um sich selbst wie der tollste Hecht zu fühlen, übersieht dabei aber die strahlenden Qualitäten, die dieses Spiel nichtsdestotrotz mit Stolz auszeichnen. Ich war jedenfalls selbst von mir überrascht, wie egal mir irgendwann die etlichen kleinen Macken waren und wie viel Spaß ich unterm Strich die komplette Spielzeit von durchweg unterhaltsamen, nicht ausufernden 25 Stunden hatte. Und das ist schlussendlich alles, worauf es ankommt.

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