Test - Resident Evil 4 Remake : Ein zeitloses Meisterwerk. Sogar Ashley nervt genau wie früher
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Wenn die Remakes von Resident Evil 2 und Resident Evil 3 eines bewiesen haben, dann dass ihre Spielkonzepte trotz eines Vierteljahrhunderts auf dem Buckel beinahe zeitlos sind. Capcom bewahrte den ursprünglichen Spielinhalt so gut es ging und fuhr damit ausgezeichnet. Lediglich die modernisierte Kameraansicht sowie ein paar Feinjustierungen in der Spielbalance garantierten, dass Neulinge damit genau so viel Spaß hatten wie alte Hasen.
Resident Evil 4 fällt in dieser Hinsicht ein wenig aus der Reihe, denn es legte einst den Grundstein für die Interpretation der Dauerbrenner-Serie, wie wir sie heute kennen. Benötigte es abseits eines grafischen Neuanstrichs überhaupt eine Neuauflage?
Als Resident Evil 4 im Januar 2005 als vermeintlicher Exklusivtitel auf Nintendos Gamecube erschien, spaltete das Spiel Fans der Serie in zwei Lager. Viele freuten sich zwar darauf, mit einem der Titelhelden aus Teil 2 in einen brandneuen Storystrang aufzubrechen, denn Capcom versprach einen Ausflug nach Spanien, in ein Dorf voller Hinterwäldler, deren Infektion durch den neuartigen Las-Plagas-Virus rücksichtslos Killermaschinen hervorbringt. Doch mit der neuen Story kam weit mehr als nur ein frisches Szenario.
Aufgrund der neuen Verfolger-Kameraperspektive mitsamt in Echtzeit berechneter Grafik und des erheblich reduzierten Horror-Faktors bei hellem Tageslicht fühlten sich jene, die der Ursprungstrilogie und dem Spin-off Code Veronica beziehungsweise Zero die Treue hielten, ein wenig an der Nase herumgeführt. War das überhaupt noch Resident Evil, so ganz ohne die kompakten Standbild-Umgebungen, in denen der Orientierungssinn das Hirn zum Rauchen brachte, während die beklemmend düstere Atmosphäre des Zombie-Schreckens es mit Adrenalin versorgte?
Das andere Fan-Lager wusste längst, dass diese Veränderung absehbar war. Schon bei Resident Evil 3 tasteten sich die Entwickler an ein geradlinigeres Action-Abenteuer heran, das mit seinem durchschaubaren Lösungsweg mehr Publikum binden konnte als ein nervenzerfetzendes Survival-Horror-Game, bei dem sich die Hälfte der Spieler wegen komplexem Backtracking in einem Polizeipräsidium verläuft. Und der Erfolg gab ihnen recht, auch wenn es eine Weile dauerte, bis Resident Evil 4 volle Akzeptanz erfuhr. Genau genommen kam der Durchbruch erst mit der grafisch leicht abgespeckten Umsetzung auf die Playstation 2. Danach waren die Weichen der Serie ein für alle Mal neu ausgerichtet.
Neuausrichtung der Neuausrichtung?
Aus diesem Grund fühlt sich das Remake von Resident Evil 4 in den ersten Stunden nicht so frisch und unverbraucht an wie die Neuauflagen von Teil 2 und 3 aus den vergangenen Jahren. Grafik und Steuerung mögen dank der Verwirklichung auf Capcoms moderner RE-Engine auf dem Niveau des achten Teils angekommen sein, was mitunter bedeutet, dass man beim Zielen keine Feinjustierung mehr vornehmen kann. Letztendlich fühlt sich das Spiel jedoch vertraut an, weil man dem Helden Leon S. Kennedy bei der Suche nach einer entführten Präsidententochter schon immer über die Schulter schaute.
Huch, entschuldigt, die letzte Aussage stimmt nicht ganz. Die klassische Steuerung, wie man sie vom Gamecube kennt, bleibt über das Optionsmenü zuschaltbar. Das dürfte den Grundtenor dieser Anmerkung jedoch unterstreichen: Eine bedeutende Umwälzung in der Handhabung fällt dieses Mal aus. Noch mehr als bei den vorherigen Remakes definieren Nuancen den Unterschied zwischen Original und Remake.
Nuancen, die man nicht unter den Teppich kehren darf. Bestes Beispiel wäre Leons Messer. Sozusagen der letzte Strohhalm, der einem in jedem Resi die Haut rettete, nachdem die letzten Patronen den Lauf der Schusswaffen verließen. Es behält seine Funktion als letzte Rettung, erhält nun aber eine Zusatzaufgabe. Ihr habt nun nämlich die Möglichkeit, Nahkampfangriffe mithilfe des Messers zu blocken, müsst aber auch damit leben, bei jedem Einsatz einen Teil seiner Haltbarkeit zu investieren. Vorbei die Zeit, in der sich Überlebenskünstler durch das ganze Spiel schnetzelten, denn Reparatur kostet einen Haufen Geld, während herumliegende Küchenmesser zwar kurzzeitigen Ersatz darstellen, aber weder dessen Attribute teilen, noch Upgrades vertragen.
Gezielte Messereinsätze ergeben mehr Sinn, da man nun die Möglichkeit hat, sich in geduckter Stellung umherzubewegen. Einerseits, damit man nicht wie ein Elefant im Porzellanladen durch ein spanisches Dorf voller wildgewordener Infizierter watschelt, anderseits zum geräuschlosen Meucheln ahnungsloser Feinde.
Besonders lange hält die erhoffte Tarnung leider nicht an. Ein falscher Schritt und man hat ein ganzes Rudel Spanier an der Backe. Sie schlurfen, gurgeln und stöhnen nicht wie Zombies. Nein, sie schreien in bestem kastilianischem Akzent markerschütternde Sätze wie „Os voy a romper en padazos!“ (ich reiße Dich in Stücke) und lassen den Worten Taten folgen, sofern ihnen nicht plötzlich eine rankenartige Mutation aus dem Kopf platzt. E-kel-haft! Verhandeln ist zwecklos und Davonlaufen selten von Erfolg gekrönt.
Dementsprechend bleibt das Resident Evil 4 Remake trotz seiner strategischen „ich mach dich Messer“-Einlagen ein stark bleihaltiges Vergnügen, bei dem Panik seltener durch Munitionsmangel entsteht, als durch das Gefühl, nicht schnell genug neue Patronen in das bevorzugte Schießeisen gestopft zu bekommen. Ein Gefühl, welches die volle erste Hälfte des Spiels dominant bleibt, denn erst beim Betreten der Burg von Ramon Salazar sucht das Abenteuer Parallelen zu seinen Vorgängern. Die Rätseldichte steigt plötzlich proportional zum sinkenden Inventar-Nachschub, und man erlebt tatsächlich noch ein paar beklemmende Situationen, in denen erbarmungslose Kreaturen in stockfinsteren Fluren den Fluchtreflex triggern.
Waddaryoubuyin?
Kenner des Originals wissen längst, dass die erste Hälfte des Spiels eine Art Vorbereitungslauf ist. Ein Geschicklichkeitstest, mit der Herausforderung, so viele Ressourcen wie möglich für das ausführliche Finale aufzusparen. Angefangen bei den Peseten, mit denen man beim berühmten wandernden Händler neue Waffen und Upgrades erwirbt (was seltsam ist, denn die Handlung spielt im Jahr 2004, also zwei Jahre nachdem auch in Spanien der Euro als verbindliches nationales Zahlungsmittel eingeführt wurde), über Heilpflanzen, die man kombiniert, um ihnen mehr Wirkung zu entlocken, bis hin zu den Komponenten, aus denen man Munition bastelt.
Die Sache hat nur einen Haken: Ihr könnt euch nicht darauf verlassen, den gerade nötigen Nachschub zu erhalten. Bis auf einige Ausnahmen erntet ihr sämtliche Ressourcen aus gelb markierten Holzfässern, Holzkisten und Vasen, deren Inhalt zufallsgeneriert wird. Daher kann es sein, dass ihr nach einem Bildschirmtod und den darauffolgenden Neustart einer Szene mit schlechterer Munitionsversorgung dasteht als beim vorherigen Versuch.
Klingt alles bekannt? Ist es ja auch. Sieht man von gewissen Story-Abweichungen ab, von denen wir keine Details vorwegnehmen wollen (abseits der Tatsache, dass einige wenige den bisher bekannten Kanon etwas aufweichen), bleiben nur die erwähnten Nuancen, von denen einige so geringen Ausschlag geben, dass sie selbst bei einer Strichlisten-Abhandlung mehr Aufmerksamkeit einheimsen als sie verdient hätten. Oder haltet ihr es für erwähnenswert, dass die Speicher-Schreibmaschinen nun auch das Lager für abgelegte Inventargegenstände verwalten?
Neue Nebenaufgaben? Ja, auch die gibt es, aber dass Eiersuche im Austausch für Spezialgegenstände dem Spiel einen feineren Grundgeschmack verleihen als die bislang übliche Hatz nach blauen Medaillons, bleibt zweifelhaft. Gleiches gilt für eine Handvoll neu interpretierter Rätsel. Es bleibt bei Kleinigkeiten. Durchaus willkommene Kleinigkeiten, die mitunter Einfluss auf Laufwege und situationsbedingte Lösungsstrategien haben können, aber keine, die das Spiel merklich verändern.
Ein paar Altlasten inklusive
Tatsächlich konserviert Resident Evil 4 sogar einige Altlasten, die im Jahr 2023 wenig Begeisterung entfachen. Etwa Quick-Time-Events bei Bossen, die zwar vereinfacht wurden, aber weiterhin nicht mehr als stumpfe Reflextests abgeben. Kann man mit Leben.
Was hingegen gar nicht geht, ist die selten blöde KI jener sekundären Spielfigur, die euch nach dem ersten Drittel des Spiels begleitet. Ashley Grayham ist die Personifizierung dessen, was man im Englischen als „Pain in the Ass“ bezeichnet. Mit Ausnahme eines kurzen Kapitels, in welchem sie Leon befreit, passt sie nur in die Kategorie „nichtsnutziges Anhängsel“. Überdies steht sie manchmal so übel im Weg, dass man sie in hektischen Schusswechseln unverhofft über den Haufen schießt, obwohl ihre Programmierung grundsätzlich vorsieht, dass sie sich wegduckt oder anderweitig Schutz sucht. Nur funktioniert das nicht immer, was dann ein Game Over zufolge hat.
Wutausbrüche gehören zur Tagesordung, wenn die Spieldesigner in der zweiten Hälfte des Spiels Fanatiker aussenden, die sie an Ort und Stelle kidnappen wollen. Eingangs kein Problem, weil die Halunken sich nur schleichend Richtung Szenenausgang bewegen, was Leon genug Zeit gibt, die wild kreischende Diva aus dem Griff der Entführer zu befreien. Gesellen sich allerdings gleichzeitig Hohepriester dazu, die mit ihrem „Gloria las Plagas“-Geschrei Mutationen bei ihren Anhängern triggern und beim ebenfalls im Vorstadium infizierten Leon ganz zufällig zur gleichen Zeit Kopfschmerzen generieren, platzt einem manchmal der Kragen.
Solche Vorfälle sind leider zu genau choreografiert, als dass sie eine spielerisch faire Herausforderung darstellen. Sie sind keineswegs unlösbar, aber eben durchschaubare Sinnlos-Schikanen, deren Schwierigkeitsgrad in manchen Räumen so hoch ist, dass man sie im schlimmsten Fall fünf, sechs Mal hintereinander weg durchläuft. Und das, obwohl man Ashley im Remake per Knopfdruck anweisen kann, entweder nah bei Leon zu bleiben oder sich selbstständig von ihm zu entfernen. Wenn der Raum zu wenig Platz bietet, führen beide Optionen zum selben Ergebnis.
Im dem Fall kommt alles zusammen: Das nervige Geschrei der holden Maid, die sich beim Warten auf ihren rettenden Ritter kein Stück wehrt, kombiniert mit einer Haupt-Spielfigur, die sich kurzzeitig weder bewegen noch verteidigen kann, was ein unangenehmes Gefühl der Ohnmacht erzeugt, während extrastarke Gegner in Überzahl näher rücken. Was hat das denn mit guter Spielbalance zu tun? Solche Maßnahmen erzeugen keinen Horror, sondern Frust. Schlimm genug, dass die Fanatiker in ihrem Mutationsstatus ohne Ende Munition fressen. Zum Glück verlassen sich die Entwickler nur selten auf Zwangsbenachteiligungen wie diese, aber sind sie heutzutage überhaupt noch nötig? Wer weiß, womöglich wären ein paar masochistische Hardcore-Fans sonst bitter enttäuscht. Sarkasmus Ende.
Na gut, genug aufgeregt. Schnitzer dieser Art mögen nicht prickelnd sein, aber man kann sich strategisch auf sie einstellen, indem man möglichst schnell den Hohepriester killt und zeitgleich betet, dass in den umliegenden Vasen passende Munitionspäckchen für die Wummen liegen. Mit Geduld und Spucke kommt man da genauso durch wie durch das nervige Kapitel, in dem man permanent mit brennender Katapultladung beschossen wird, und der Rest des Spiels zeigt sich ja von seiner Schokoladenseite.
Das Auge isst mit
Soll heißen: Selbst in den frustrierendsten Momenten tröstet die neue schicke Grafik über (fast) alles hinweg. Nicht alle Texturen mögen besonders scharf sein, aber allein Modelle und dynamische Umgebungsbeleuchtung schicken das Originalspiel mit einem laut knallenden Arschtritt in Rente. Taschenlampe und kleine Leuchten in der Umgebung verpassen geschlossenen Räumlichkeiten mithilfe von dynamischen Schatten eben jenen leichten Gruselfaktor, der dem Originalspiel über weite Strecken fehlte. Der Gesamteindruck kommt sogar beinahe an den von Resident Evil 8 heran.
Wenn auch nicht vollends, denn vom durch Raytracing ermittelten Ambient Occlusion fehlt jede Spur. An dessen Stelle tritt eine ungenauere Screen-Space-Lösung. Wenn man in den Menüs das optionale Raytracing aktiviert, servieren Xbox Series X und PS5 lediglich reale Spiegelungen im Wasser, die vom Blickwinkel unabhängig sind. Und das in beiden Basis-Grafikmodi, die euch eine Wahl zwischen höherer Auflösung und konstanterer Bildrate lassen. 60 FPS werden in beiden angepeilt, aber nicht konstant gehalten. Heißt im Klartext: wer beim hektischen Ballern noch genug Zeit hat, auf Spiegelungen in Pfützen zu achten, büßt für das Zuschalten des Raytracing Performance ein. Mitunter so viel, dass nicht einmal das VRR eines modernen Fernsehers Abhilfe schafft. Die Qual der Wahl bleibt euch überlassen.
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Auffällig ist allerdings, dass die PS5-Fassung insgesamt etwas weichgezeichneter wirkt als das Gegenstück auf der Xbox Series X. Dem kann man durch das Abschalten des Chromatischen-Aberrations-Effekts entgegenwirken, aber selbst dann erweist sich das Spiel als etwas pixeliger als auf Microsofts Konsole. Keineswegs grob genug, um es auf der PS5 zu verschmähen, aber doch sichtbar, weil das Checkerboard-Rendering der hochgerechneten 4K-Grafik sämtliche Kanten hervorhebt. Immer noch weit besser als die Last-Gen-Fassung für PS4, deren Texturen das Alter der Konsole sichtlich verraten. Ganz ehrlich: Es wird Zeit, die letzte Konsolengeneration endlich ad Acta zu legen.
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