Test - Lego Horizon Adventures : Test: Irre schön, irre flach
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Spaß für Groß und Klein: Wo Lego draufsteht, war bislang hoher, wenn nicht sogar überragender Spielspaß drin. Und viel Humor. Bei der Entwickler-Staffelübergabe von TT Games zu Studio Gobo mussten leider beide Faktoren Federn lassen. Lego Horizon Adventures fängt zwar die Stimmung der apokalyptischen Horizon-Welt gut ein, ruht sich aber zu lange auf seiner Niedlichkeit aus.
Lego Horizon Adventures ist saukomisch. Etwa eine Stunde lang, plus minus zehn Minuten. Kommt drauf an, wie schnell man durch die sieben Sub-Level des ersten Bioms kommt. Danach hat man das meiste von dem gesehen und gehört, was das Spiel an humorvollen Einfällen zu bieten hat, und muss mit vielen Wiederholungen leben.
An der ersten Stunde ist nichts auszusetzen. Hauptdarstellerin Aloy war noch nie so aufgekratzt, verhält sich so, als hätte sie zehn Kaffee intus und einen Clown gefrühstückt. Man erkennt sie in ihrer 180-Grad-Wende von der seriösen Abenteurerin zur kalauerschmeißenden Witzpille kaum wieder.
Kein Spruch ist zu simpel, kaum ein Kommentar ohne spontanen Vierte-Wand-Durchbruch. Ja, da sind ein paar echte Granaten dabei, die Fröhlichkeit versprühen und euch herzhafte Lacher aus der Magengrube kitzeln. Großes Ehrenwort, wir haben uns köstlich amüsiert.
So schön kann Lego sein
Die Präsentation trägt einiges dazu bei. Aloy läuft nicht, sie springt in einem gut gelaunten Hippety-Hoppety durch die Gegend und bleibt dabei länger in der Luft als die Füße den Boden berühren. Ein gekonnt umgesetzter Stil. Überzuckert, überdreht und auf der PS5 grafisch auch noch superbe. Selten war ein Legospiel so stimmungsvoll, mit leichtem Nebel verziert, mit HDR-geschwängertem Sonnenschein und Lego-Dioramen, deren Details in Echtwelt-Modellen wochenlange Hingabe voraussetzen würden.
Kein Zweifel, Lego Horizon Adventures sieht fantastisch aus. Wenn im Dorf Mutterherz nach jedem vollendeten Level die Lichtverhältnisse neu ausgerichtet werden, fein ausgelotetes Ambiente mit euren Emotionen Ping-Pong spielt, um die Grenzen zwischen Steckbausteinen und dem Horizon-Universum aufzuweichen, und witzige Pseudo-Stop-Motion-Animationen eure Aufmerksamkeit fesseln, dann hinterlässt das Spiel sogar einen gefestigteren Eindruck als die beiden Lego-Kinofilme.
Man sieht sich daran nicht satt. Jedenfalls nicht auf der PS5, auf der wir das Spiel getestet haben. Aber der Humor überlebt kaum länger als das erste Biom, weil er immer auf denselben Nerv abzielt. Wenn Aloy und ihre drei Helfer, die ihr im Verlauf des Spiels freischaltet, nicht auf komplette Überdrehung vertrauen, dann auf Referenzen, die gewollt nicht ins Horizon-Universum passen. Gespräche über Sandwiches, Schinken und Gurken beispielsweise. In einem schleichenden Prozess verwandeln sich herzhafte Lacher in Schmunzelattacken und enden schließlich in leicht genervtem Augenrollen. Auf Dauer hätte da einfach mehr Varianz kommen müssen.
Unzerstörbar?
Fans der bisherigen Lego-Games stellen an dieser Stelle die berechtigte Frage, ob der Charme, die Niedlichkeit, ja die kindliche Unschuld der Bauklotz-Themen solche Hänger überflügeln und das Spiel tragen kann. Ist der Lego-Charme nicht unzerstörbar? Ja, ist er, und Studio Gobi verlässt sich darauf. Aber er kann nicht das gesamte Spiel tragen.
Schuld daran ist mitunter, dass die Lego-Welt von Horizon einer ihrer wichtigsten Eigenschaften beraubt wurde: der Flexibilität. Unzerstörbar ist nämlich neuerdings auch die Umgebung als solche. Bis auf sehr wenige, immergleiche Objekte steht alles felsenfest, als seien die Bausteine mit Sekundenkleber fixiert worden. Das wilde Sammeln von Noppen und Herzchen, der Spaß an der reinen Zerstörungswut, der halb-kreative Anteil am Bauen, all das findet in Lego Horizon keinen Platz mehr.
Stattdessen wandert ihr in bester Roguelike-Manier durch Biome, deren fünf bis sieben Level die Spielzeit strecken, indem sie dieselbe Basisumgebung durch eine Erweiterung der Spielfläche auswalzen. Einzige Aufgabe: lebend ans Ziel kommen, um einen goldenen Legostein aufzulesen.
Unterwegs erledigt ihr allerhand Maschinen-Tiere, wie ihr sie aus der Horizon-Serie kennt und die – wie auch die Umgebung – fantastisch in ein Lego-Kleid gegossen wurden. Sie sind so ziemlich das Einzige in dieser Welt, was ihr tatsächlich in Einzelteile zerlegen dürft.
Mit Bogen, Hammer, Speer und … Hühnern?
Der Kampf gegen die Maschinen gehört zu den spaßigsten Aspekten von Lego Horizon und orientiert sich trotz der isometrischen Dreiviertel-Perspektive stark an der Hauptserie. Jedes Maschinentier hat eine oder mehrere Schwachstellen, die ihr mit der Waffe der aktuell gewählten Hauptfigur ins Visier nehmen müsst, um den gefährlichen Wesen so schnell wie möglich das Lichtlein auszublasen. Mal ist es das Geweih, mal eine Panzerplatte an der Seite, oft aber auch eine Art Batterie auf dem Rücken.
Welche Stelle verwundbar ist, erkennt ihr nach einem Scan der Umgebung mithilfe des Fokus genannten Tech-Gadgets. Es analysiert die Gegend und zeigt Schwachstellen auf, die ihr aufs Korn nehmt. Taktik ist dabei stets vonnöten, denn die Maschinen wissen sich gut zu wehren und sind vor allem schnell. Obendrein haben die monströsen und klasse in Szene gesetzten Bosse einige Tricks auf Lager, die euch zum Beobachten und Analysieren zwingen, bevor ihr angreift. Womit? Na, mit Aloys Pfeilen, Varls Speer, Erends Hammer oder Oma Teersas explodierenden Hühnern.
Okay, wer bei dieser Bemerkung nicht zumindest schmunzeln musste, geht zum Lachen in den Keller. Aber auch der Komik-Faktor dieser Waffe hat nur eine Halbwertszeit von zwanzig Minuten. Zumal Erends Hammer sowieso den meisten Spaß bereitet, sodass ihr Aloy und Erend im Wechsel durch die Biome jagt oder die beiden gleichzeitig losschickt, sofern ihr einen Kumpel habt, der simultan an einem zweiten Controller mitmacht.
Eine Maßnahme, die wir empfehlen, wenn ihr Horizon-Fans seid und die Lego-Episode unbedingt spielen wollt, denn ein zweiter Spieler ist so ziemlich der einzige Faktor, der auf Dauer hilft, die Einseitigkeit des Spielgeschehens zu kompensieren. Alles andere geht in der Flachheit der Spielideen unter.
Mäßiger Spielwert
Versteckte Schatztruhen finden? Kein Problem dank des Fokus-Scans, zumal sie oft einfach nur hinter wuchernden Pflanzen liegen, die ihr verbrennt, indem ihr einen Pfeil durch ein loderndes Feuer schießt.
Heimlichkeit durch Verstecken in hohen Gräsern? Ist gemäß den Regeln der Hauptserie möglich, aber völlig unnötig, weil das gesamte Spiel auf direkte Konfrontation ausgelegt ist. Schalter umlegen und Mini-Puzzles lösen? Auch eine Angelegenheit von Sekunden. Es ist eher das Wo als das Wie, das euch bei den Schaltern beschäftigt.
Ansonsten lauft ihr einfach nur durch die schönen, aber statischen Level, sammelt Geld, das ihr später in Mutterherz einsetzt, um neue Outfits und kleine Bauwerke freizuschalten und rutscht mal ein Seil hinab und haltet nach temporär einsetzbaren Sonderwaffen Ausschau. Manche sind tatsächlich ziemlich nützlich. Etwa ein Erdbebenhammer mit großer Reichweite oder ein Bogen mit streuenden Pfeilen. Andere sind so wertvoll wie ein Loch im Zahn, weil ihr Einsatz euch zu passivem Verhalten verdonnert. Warum der Schild als Sonderwaffe eingebaut wurde, können wir euch nicht erklären. Er hilft euch einfach nicht weiter.
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