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Test - Need for Speed: Heat : Das beste Need for Speed seit Jahren

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Es ist schon eine Weile her, dass Rennspiel-Fans mit fester Stimme behaupten konnten, sie hätten ein neues Need for Speed durch die Bank weg genossen. War es NFS: Shift? Oder doch die Underground-Serie? Wie dem auch sei, seit dem letzten großen Hit sind viele Jahre vergangen, in denen durchaus brauchbare Nachfolger erschienen, aber keiner davon konnte seinen Namen dauerhaft in den warmen Asphalt ritzen. Schafft es Need For Speed: Heat endlich wieder ins Spitzenfeld?

Eine Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Heat macht vieles besser als einige der Vorgänger, aber es verhindert eindeutige Aussagen durch die schiere Tatsache, dass es selbst nicht so recht weiß, was es eigentlich darstellen will. Ist es düster und dreckig oder farbenfroh und lebendig? Einfach gestrickt oder komplex? Solo-Racer oder Crew-Flitzer? Selbst nach vielen Spielstunden fällt eine Kategorisierung jenseits von „Arcade-Rennspiel mit Open-World-Struktur“ schwer.

Erst einmal das Positive: Viele Spielelemente in Heat erinnern an den Xbox-Exklusivtitel Forza Horizon, auch wenn die frei befahrbare Welt wesentlich kleiner ausfällt und weniger Abwechslung bietet. Schauplatz ist die Stadt Palm City samt ein paar umliegenden Siedlungen und einem vorstädtischen Landstrich. Die Gegend soll durch ihre Palmen und Wasserwege, aber auch durch ein grelles nächtliches Neon-Ambiente in Pink und Himmelblau an Miami erinnern. Das sieht technisch ganz nett aus und wäre stilistisch interessant, wenn der Rest der Stadt nicht in einem tristen Grau-in-Grau versinken würde. Stil? Ja, das ist ein Stilelement, aber keines das mit Selbstvertrauen durchgezogen wird.

An Potenzial für noch mehr Stilblüten fehlt es nicht. Nicht einmal im Intro, in dem illegale nächtliche Straßenrennen thematisiert werden. Frustrierte Cops jagen verrückte Straßenrowdys, denen wenig Strafe für ihr Vergehen droht. Ein Hauch „Dirty Harry“ geht um, als einer der Cops ein Exempel an einem erwischten Vollgas-Rüpel statuieren will und von einer Kollegin gerade noch davon abgehalten wird.

Fiese Cops in hochgezüchteten Schlitten, die das Gesetz in die Hand nehmen? Das wäre doch gar kein schlechtes Thema gewesen. Leider verkommen die Gesetzeshüter auf lange Sicht zu Nebendarstellern. Mehr dazu später. Was in diesen Zeilen verdeutlicht werden soll, ist, dass Need For Speed: Heat einige interessante Ansätze verfolgt, aber sich nicht traut, ein angeschnittenes Thema voll durchzuziehen. Irgendwie fehlt immer die letzte Konsequenz.

Das macht vor der Story nicht Halt. Man schlüpft in die Rolle eines Rennfahrer-Neulings, der sich seine Sporen verdient und Teil einer neuen Streetracing-Crew wird. Tagsüber geht es um legale Straßenrennen auf festen Kursen, die Geld einbringen. Nachts hingegen um chaotischere, illegale Veranstaltungen bei offenem Straßenverkehr, die eure Reputation steigern.

Wie viel man zu welcher Tageszeit unternimmt, hängt vom eigenen Gutdünken und von der Anzahl verfügbarer Rennen ab. Und nicht zuletzt von der Leistung des verwendeten Fahrzeugs, das man in einer Werkstatt für hart verdiente Kohle aufmotzt. Motor austauschen? Bessere Schlappen aufziehen? Das Getriebe auf Sport-Niveau bringen? Alles nur eine Frage des Geldbeutels und des erarbeiteten Fahrerlevels. Die mannigfaltigen Optionen für Upgrades sind richtig cool und laden zum Experimentieren ein.

Ein Karrierezweig stützt den anderen, birgt aber auch die Gefahr großer Verluste. Wer sich des Nachts von der Polizei erwischen lässt und sie nicht mit halsbrecherischen Manövern abschüttelt, verliert auf einen Schlag die Hälfte der verdienten Kohle, wie auch den sogenannten Heat-Multiplikator, der das Reputationswachstum beschleunigt.

Was auf dem Papier ganz nett klingt, ist nüchtern betrachtet nicht viel mehr als ein Abklapper-Festival mit einer Portion zusätzlichem Grind und einem berechenbaren Risikofaktor, bei dem der interaktive Tag-Nacht-Wechsel vertuschen soll, dass keine dynamische Tageszeit implementiert wurde. Man könnte sagen, hier wurde aus der Not eine Tugend gestrickt.

Das macht aus Heat aber kein schlechtes Spiel. Im Gegenteil. Das Prädikat „gut“ drängt sich an so ziemlich jeder Stelle auf, als sei es mit fluffigen Wolken in den virtuellen Himmel geschrieben worden. Das Handling? Ist gut! Die Driftfreudigkeit der Wagen? Auch gut! Fuhrpark? Gut! Grafik-Spielereien wie Bewegungsunschärfe, Reflexionen, Regeneffekte? Neonlichter für Streckenbegrenzungen? Gut, gut und nochmal gut. Aber auch kein Bisschen mehr.

Warum? Weil es fast andauernd regnet, selbst wenn der Himmel in sattem Blau erstrahlt, schlicht, weil nasse Straßen schöner aussehen und das Driften erleichtern. Weil die Steuerung der Wagen euch nur so weit entgegenkommt, wie es nötig ist, um den Cops die Verfolgung zu erleichtern. Wagen, die dank einer Ridge-Racer-ähnlichen Drift-Steuerung weltmeisterlich um jede Ecke schlittern, aber bei einem U-Turn wirken wie ein Elefant auf Valium? Ach komm! Die Trägheit der Wagen ist so wankelmütig wie ein Knabensänger im Stimmbruch.

Dass man den Cops angesichts dieser Physik überhaupt entkommen kann, ist deren einfach gestrickter KI zu verdanken. Sie verhalten sich nämlich nach festen Regeln, die auf durchaus charmante Weise an die Geister von Pac-Man erinnern. Einer klebt euch immer direkt am Hintern, die anderen umkreisen euch, fahren euch entgegen und halten sich parallel auf einer Spur, um euch bei irgendeinem zufälligen Manöver voll in die Seite zu brettern.

Das macht Verfolgungsjagden ungemein hitzig. Manchmal entkommt man mithilfe gewitzter Akrobatik, etwa indem man über eine Sprungchance auf eine Ebene springt, auf der die Bullen das Fahrzeug nicht mehr sehen können, Da lacht man sich gerne eins ins Fäustchen, Was super wäre, wenn die Cops nicht von vornherein eine fatale schwäche zeigen würden: Sie lassen sich fast immer durch einen Trick abwimmeln.

So lange man noch ein wenig Polster auf der Schadensanzeige hat (also keinen Totalschaden fürchten muss), genügt es, mit Vollgas in das nächste Gewässer zu heizen. Die Cops stürmen oft mit Karacho hinterher, werden aber im Gegensatz zum Spieler nicht durch einen Respawn wieder auf die Strecke bugsiert.

Das ist gerade deswegen tragisch, weil die zufällig auftauchenden Cops womöglich der Grund für das kleine Fahrerfeld sind. Maximal acht Fahrzeuge nehmen an einem Rennen teil, was für heutige Verhältnisse wenig ist. Erst recht für eine Online-Lobby, die sich jederzeit zum Rahmen der Kampagne zuschalten lässt. Ein paar ungeschickt angelegte Ecken der Stadt, die bei Nachtrennen zu Sackgassen mit schlechten Befreiungsmöglichkeiten mutieren, lassen das kleine Fahrerfeld schnell in weite Ferne Rücken, wenn einem ein Fehler unterläuft.

Wie eingangs angedeutet, sind das alles kleine Schwächen der Marke „nicht zu Ende gedacht“. Weniger pingelige Rennfahrer mögen solche Dinge ignorieren und sich am reinen hitzigen Spaß der Rennveranstaltungen erfreuen. Aber auch die gutmütigsten Arcade-Veteranen kommen an einem Schwachpunkt nicht vorbei: der mangelnden Abwechslung aufgrund der einseitig gestalteten Umwelt.

Need For Speed: Heat schneidet sich eine Scheibe bei Forza Horizon ab, ohne das gleiche Detaillevel anzustreben. Man darf zwar Collectibles wie zerstörbare Straßenschilder, Blitzer oder Straßenkunstwerke suchen, aber die Umwelt selbst hat vergleichsweise wenig zu bieten. Während Forza Horizon wie ein befahrbarer Urlaubsprospekt wirkt, der auch Unbeteiligten an jeder Ecke ein „Aaaaaah“ und ein „Oooh“ entlockt, herrscht in Heat eine erdrückende Tristesse. Schöne Aussichten sind eine Seltenheit. Klar, bei Fahrten stadteinwärts genießt man den Blick auf die Skyline aus dicht gestaffelten Hochhäusern oder fernen Industrieanlagen, aber auf dem Land ist absolut tote Hose.

Und zwar so sehr, dass man viel zu viel Zeit hat, kleine Mankos im Grafikaufbau zu bemerken. Spät nachladende Texturen, aufpoppende Umgebungsdetails und selbst wankelmütig eingeblendete Schatten, die mal erscheinen und dann wieder nicht, fallen leider zu oft auf, um ignoriert werden zu können – sogar auf der starken Xbox One X, die anderweitig durch eine wunderbar scharfe Darstellung glänzt. Ein niedriger aufgelöster Performance-Modus, der die Sichtweite für Details erhöht und womöglich die Bildrate von 30 auf 60 Bilder die Sekunde steigert, wäre mehr als willkommen.

Need for Speed Heat - Launch Trailer
Wenige Tage vor dem offiziellen Release von Need for Speed Heat am 08.11.2019 gibt es hier schon den Launch-Trailer.

Tote Hose heißt nicht nur, dass auf den Straßen wenig zu sehen ist. Es geht auch um die Interaktion mit dem generischen Individualverkehr. Erst ab Fahrerlevel 15 darf man dem eigenen Wagen spezielle Nitro-Upgrades verpassen, die Boosts für halsbrecherische Fahrmanöver versprechen. Zugegeben, Level 15 erreicht man recht schnell, aber bis dahin hat man die kleine offene Welt mindestens ein Mal komplett erkundet und verspürt wenig Reiz, mehr als das Nötigste zu erledigen.

Ach ja, noch etwas sei unbedingt erwähnt: Nie hatte ein Need for Speed einen so furchtbar blutleeren und nichtssagenden Soundtrack. Wenn selbst die sonst so lebendigen Latino-Tracks in einem Gewitter aus flachen Bassläufen und generischen Drumsamples versinken, wodurch man sich auch nach Stunden Spielzeit nicht an ein einziges Musikstück erinnern kann, läuft etwas gewaltig schief.

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