Test - Lysfanga: The Time Shift Warrior : Test: Hack n‘ Slay mit coolem Zeitreise-Kniff
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Wie oft habt ihr euch in Hack-and-Slay-Dungeoncrawlern wie Diablo schon gewünscht, einen hilfreichen Begleiter zu haben, auf den ihr euch wirklich verlassen könnt? Jemanden, der mindestens genauso motiviert ist wie ihr selbst. Euer Wunsch geht ab sofort in Erfüllung, denn in Lysfanga helft ihr euch per Zeitreise eigenhändig aus der Patsche. Da aber auch die Bedingungen eurer Kämpfe vertrackt sind, wird aus reinem Draufhauen schnell ein Kampfpuzzle.
Auf Standbildern könnte man Lysfanga für einen dahergelaufenen Diablo-Klon halten. Isometrische Vogelperspektive, Dungeons mit engen Fluren, jede Menge Monster und magische Projektile auf kleinstem Raum. Schaut mal auf die Screenshots. Ein eindeutiges Design, oder nicht?
Die Wahrheit könnte kaum weiter entfernt liegen. Unsere Heldin namens Imë mag sich zwar so motiviert durch Monsterhorden prügeln und zaubern wie der nächstbeste Druide, aber ihre Fähigkeiten sind wesentlich begrenzter. Mit einem einzigen Zauberspruch je Schlachtfeld und ein paar armseligen, auf zwei Feuerknöpfen verteilten Schnetzel-Kombos, wirkt sie eher einfältig als geschickt. Dass sie nur einen einzigen Hitpoint hat, macht es nicht besser. Schon nach zwei gegnerischen Treffern ist der Spaß vorbei.
Zum Glück wisst ihr von vornherein, worauf ihr euch einstellen müsst, denn in den Kerkern von Lysfanga schnetzelt ihr nicht einfach drauflos. Jeder Schlagabtausch geht arenenweise vonstatten. Ihr dürft euch sogar ansehen, wo in der zwei bis vier Bildschirme großen Kampfarena Monster platziert wurden, bevor ihr auch nur den ersten Schlag setzt.
Die Sache hat allerdings einen gewaltigen Haken: Imë muss eine Kampfarena innerhalb eines sehr knappen Zeitlimits säubern. Gerade mal 20 Sekunden bleiben ihr, um eine ganze Schar Monster zu zerlegen, die von kleinen Schergen bis zu gepanzerten Hünen alles auffahren, was man sich denken könnte. Nach den genannten 20 Sekunden sackt sie schlicht zu Boden und stirbt.
Ich mache es mir selbst
Mission Impossible, hätte Imë nicht von einer Göttin die Gabe der Zeitreise erhalten. Geht sie über den Jordan, so darf sie die Zeit zurückdrehen und erneut in den Kampf einsteigen, während frühere Versionen von ihr denselben Schlachtplan durchziehen wie zuvor. Sie kann sich also selbst unter die Arme greifen.
Was heißt kann? Sie muss! Von einer Option kann keine Rede sein, wenn gigantische Oger die Kriegerin nie aus dem Blick verlieren und sich mit ihrem Schild ständig zu ihr drehen, um jeden Schlag abzuwehren. Nur wenn eine frühere Version von Imë den Oger ablenkt, hat sie die Chance, ihn von hinten anzugreifen. Noch übler: gewisse Gegnertypen kommen immer im Doppelpack daher und sterben nur dann, wenn sie innerhalb eines Zeitfensters gleichzeitig bezwungen werden. Ein magisches Band, das mitunter quer über die Arena reicht, signalisiert, wo diese Partner stehen. Somit ist nicht nur wichtig, wo sich Imë selbst hilft, sondern auch wann. Da qualmt das Oberstübchen.
Die Anzahl der Zeitreise-Anläufe für eine Arena ist natürlich begrenzt. Anfangs dürft ihr drei Versionen von Imë in eine Arena schicken. Schafft ihr es mit diesen dreien nicht, sämtliche Gegner zu vernichten, beginnt der Spaß von vorne. Und selbst wenn ihr es schafft, bleibt euch die Option, die Schlacht zwecks Optimierung von vorne zu beginnen mit dem Ziel, ein harsches Idealfall-Zeitlimit zu knacken.
Weitere zusätzliche Neustarts spielt ihr im Laufe des Spiels frei, aber bildet euch bloß nicht ein, sie würden die Schlachten vereinfachen. Im Gegenteil: die Gehirnverknotung erreicht ungeahnte Höhen, wenn ihr nicht nur mit sechs oder mehr Versionen eurer Kriegerin überblicken müsst, wo und wann ihr angreift, sondern auch in welcher Reihenfolge. Fallen, die umgangen, Portale, die geöffnet, und Mechanismen, die ausgelöst werden müssen, treiben euch über kurz oder lang in den Wahnsinn, weil ihr euch bei jedem Anlauf merken müsst, zu welchem Zeitpunkt ihr gewisse Aufgabe in vorherigen Läufen angegangen wart.
Da ihr eure vorherigen Schlachtverläufe in Form von gelben Geistern seht, seid ihr nicht völlig auf euer Gedächtnis angewiesen. Die Übersicht zu bewahren, ist trotzdem eine Kunst, denn abseits einer Markierung, die euch zeigt, welche Gegner ihr bereits in einem früheren Anlauf bezwungen hattet, gibt es keine Anhaltspunkte. Tatsächlich könnt ihr euch sogar selbst die Tour vermiesen. Kommt ihr nämlich solchen markierten Gegnern zu nah, kann es sein, dass sie sich auf euren aktuellen Avatar einstellen und ihre Position verlassen, sodass die Geister der Vergangenheit nur noch in dünne Luft hauen.
Schlachtgewusel
Je weiter ihr in das Spiel vordringt, desto öfter werdet ihr Schlachten komplett neu starten, weil ihr merkt, dass ihr gewisse Gegner vorerst umgehen oder Mechanismen frühzeitig auslösen müsst, weil sonst spätere Versionen eurer Kriegerin zu lange sinnlos in der Gegend herumstehen, ohne etwas in der Schlacht bewirken zu können. Viele Faktoren lassen sich schlicht nicht bei der ersten Übersicht planen, weil ihr nicht einschätzen könnt, wie Gegner reagieren oder wo ihr einer dynamischen Falle ausweichen sollt.
Zumal auch euer Geschick eine Rolle spielt. Wenn ihr zu früh sterbt, weil euch Gegner mit verzögerten Attacken überraschen oder weil ihr einen Gegner von der falschen Seite angreift, bringt ihr nicht selten eine Kettenreaktion in Gang, die euch den kompletten Schlachtplan verdirbt.
Nicht selten stellt ihr nach drei oder vier Anläufen euren Plan komplett um, wuselt euch schon mit eurer ersten Imë-Iteration wie durch einen Geschicklichkeitsparcours an Gegnertruppen vorbei, nur um in der letzten Sekunde vor dem Zeitlimit-Tod noch ein Portal zu öffnen oder einen besonders hartnäckigen Gegner so zu stark zu verletzen, dass ihr ihn mit der nächsten Imë-Kopie gemeinsam schlagt. Das sind Momente, die euren Blutdruck, wie auch euren Geduldsfaden ans Limit bringen, aber auch strategische Voraussicht verlangen.
Jeder neue Zauber, den ihr lernt, hat seinen Zweck. Flächenangriffe ersparen euch langes Schwertschnetzeln, Betäubungszauber lähmen große Monster, auf dass sie sich nicht wehren, und so weiter. Die Frage ist nur, wann ihr welchen Zauber einsetzt, denn lange Cooldown-Phasen verhindern beliebigen Einsatz.
Auch das Gegenteil kann der Fall sein. Ihr müsst herausknobeln, wann ihr euch zurückhalten müsst, wann ihr schlicht Gegner in eine Richtung lockt in dem Wissen, dass ihr sie in einem späteren Anlauf umsäbelt, sie explodieren lasst, um andere Gegner in den Tod zu reißen, oder sie verschont, weil ihr ahnt, dass andere Gegner aufgrund eines dicken Panzers Priorität haben.
Komplex und doch etwas einseitig
Selbst nach dieser ausführlichen Beschreibung habt ihr noch keine Ahnung, wie komplex der Schlachtverlauf in Lysfanga wirklich ist. Allerdings kommt auch nicht zutage, wie einseitig das Spiel insgesamt rüberkommt. Zwar streuen die Entwickler mit jedem neuen übergeordneten Level neue Spielelemente ein, aber unterm Strich kommen nur Varianten eines stets gleichbleibenden Schlachtgewusels zustande.
Nicht falsch verstehen: die Idee hinter Lysfanga ist so originell wie spannend und die Ausführung technisch wie spielerisch gelungen. Trotzdem fehlt etwas, das ein wenig mehr Abwechslung hineinbringt. Neue Umgebungen mit ganz neuem Anstrich, eine Belohnung für die Erkundung der Kerker, vielleicht eine zwischenzeitliche Umstellung des Schlachtgeschehens oder auch mal eine Geschicklichkeitsaufgabe zur Auflockerung hätten dem Konzept gutgetan. Stattdessen wandert man immer nur von Arena zu Arena, sammelt verstreute Orbs ein, die man dringend für die Fortentwicklung der Talente benötigt, oder zieht sich mal kurz zu einer Basis zurück, um in Ruhe eben jener Charakterentwicklung zu frönen.
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Die kurzen Story-Einwürfe, in denen Imë ihren ebenso mächtigen Bruder Kehör zur Rechenschaft ziehen will, bestehen derweil nur aus leblosen Grafiken mit viel Blah-Blah. Gute Sprecher können dabei nicht verhindern, dass die gesprochenen Zeilen letztendlich beliebig sind, weil sich für den Spielablauf nichts ändert und keine Wendungen zutage kommen.
So originell Lysfanga auch sein mag, die Entwickler verlassen sich leider ein wenig zu sehr auf die Komplexität der Schlachten und vergessen dabei, dass ein immer gleicher Ablauf selbst bei wechselndem Kampf-Schwerpunkt ermüdend wirken kann. Ein wenig mehr Liebe für Setting, Story und Abwechslungsreichtum hätten das Gesamtprodukt deutlich besser dastehen lassen.
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