Test - Iron Harvest : Eines der besten RTS-Games der letzten Jahre
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Das deutsche Entwicklerstudio King Art macht es sich zur Aufgabe, mit Iron Harvest das seit einiger Zeit nahezu brach liegende Genre der Echtzeit-Strategiespiele wiederzubeleben. Es lockt mit einem interessanten Steampunk-Szenario und angeblich spektakulären Kämpfen. Doch reicht das heutzutage noch aus, um Hobby-Strategen vom Hocker zu reißen?
Eines können wir bereits zu Anfang festhalten: Iron Harvest sorgt definitiv für frischen Wind im Strategie-Genre. Die erste Besonderheit stellt bereits die Story beziehungsweise das Szenario dar, in dem ihr euch für zirka 25 bis 30 Stunden aufhalten werdet. So viel Zeit müsst ihr nämlich für die insgesamt drei Kampagnen einplanen, die durch eine übergreifenden Geschichte miteinander verbunden sind. Jede der Kampagnen rückt eine der drei Fraktionen in den Fokus, auf die wir gleich näher eingehen.
Denn schon in den ersten Sekunden wird klar, warum Iron Harvest eine ganz eigene Faszination ausstrahlt, der man sich nur schwer entziehen kann. Das Geschehen ist nämlich in einer alternativen Welt der 1920er-Jahre angesiedelt, in der die Folgen des Ersten Weltkriegs etwas anders aussehen, als es in der tatsächlichen Erdgeschichte der Fall war. Drei Fraktionen – die Saxony, die Rusvia und die Polania – stehen im Mittelpunkt eines großen Konflikts, der ganz Europa in Mitleidenschaft ziehen könnte.
Die große Besonderheit dieses Szenarios bildet die Tatsache, dass nicht etwa die Technologie der echten 20er-Jahre zum Einsatz kommt, sondern eine Mischung aus Steampunk und moderneren Kampfgeräten. So klappern nicht etwa klobige Panzer über das Schlachtfeld, sondern von Diesel angetriebene Mechs und andere gigantische Gebilde, die mit zahlreichen Waffen wie Maschinengewehren, Bazookas und Flammenwerfern ausgestattet sind. Diese Kolosse sind jedes Mal aufs Neue ein imposanter Anblick. Jede Fraktion verfügt natürlich über spezielle Einheiten wie zum Beispiel eine riesige Artillerie-Plattform auf Seiten der Rusvian, die quasi einfach über Gebäude hinweglaufen kann und dabei nur noch Schutt und Asche hinterlässt. Wenn mehrere dieser Stahlkolosse aufeinandertreffen, entfaltet sich ein faszinierendes Bild der Zerstörung.
Jeder fängt mal klein an
Denn bevor die Mechs den Schauplatz betreten, backt ihr beim Großteil der Missionen zunächst deutlich kleinere Brötchen. Ihr beginnt nämlich mit einfachen Fußsoldaten, die sich auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen und vereinzelt auf der Karte verstreute Kontrollpunkte einnehmen müssen – nur so gelangt ihr nämlich an die für weitere Einheiten und Gebäude notwendigen Ressourcen. Das erinnert in seinen Grundzügen an die Spielmechanik von Company of Heroes, von dem sich Iron Harvest in mehrerlei Hinsicht hat inspirieren lassen.
Erst mit zunehmender Spieldauer erhaltet ihr Zugriff auf bessere Einheiten. Da wären zunächst Infanteristen mit durchschlagskräftigeren Waffen und erst deutlich später treten dann die zuvor erwähnten Mechs in Erscheinung. Es ist ein unglaublich befriedigendes Gefühl, diese Kolosse über das Schlachtfeld zu steuern und ein regelrechtes Inferno zu entfachen. Das liegt zu großen Teilen auch an der tollen und detailverliebten Präsentation der Stahlriesen sowie der allgemeinen Kampfeffekte. Letzteres gilt leider nicht für die Zwischensequenzen, deren Qualität deutlich weniger imposant daherkommt.
Allerdings müssen wir gleichzeitig auch mit unserer Kritik ansetzen. Anfangs spielt sich das Geschehen in Iron Harvest angenehm flott: Der Aufbau der eigenen Basis mitsamt den Gebäuden ist auf ein Mindestmaß reduziert, so dass ihr eure Aufmerksamkeit zu großen Teilen den eigentlichen Kämpfen widmen könnt. Ihr spurtet mit euren Fußsoldaten von einem Kontrollpunkt zum anderem, liefert euch mitunter sehr spannende Deckungskämpfe und versucht geschickt zu taktieren. Doch spätestens wenn die Mechs ihren – im wahrsten Sinne des Wortes – großen Auftritt haben, kippt die Sache ein wenig. Danach tritt das Spieltempo spürbar auf die Bremse und nimmt dem anfangs so dynamischen Kampfgeschehen etwas den Wind aus den Segeln.
Das liegt vor allem daran, dass sich die Stahlkolosse deutlich langsamer bewegen, was mitunter sogar zu einer echten Geduldsprobe ausarten kann, wenn sie weite Strecken zurücklegen müssen. Außerdem verlieren viele zuvor ausgeklügelte Taktiken aufgrund der Übermacht der Mechs ihre Wirkung und somit ihre Notwendigkeit – schade drum. Hinzu kommen einige nervige Aussetzer der KI, die gerne mal mitten ins Feindfeuer rennt, anstatt sich in die nahe gelegene Deckung zu retten. Auch die Wegfindung läuft nicht immer reibungslos, was ebenfalls zu der ein oder anderen unnötigen Situation führt.
Dass die Entwickler ihr Handwerk verstehen, zeigt das Missionsdesign von Iron Harvest. Zwar nehmen die klassischen RTS-Kämpfe den mit Abstand größten Teil der Zeit ein. Allerdings sorgt King Art immer wieder für wohltuende Abwechslung. So müsst ihr mal einen Zug bis zu seinem Ziel eskortieren oder euch ein andermal durch die stark bewachten Straßen einer Stadt schleichen. Letzteres birgt zwar viel Frustpotenzial, da ihr nach der Entdeckung komplett von vorne beginnen müsst. Im Gesamtbild überwiegen jedoch die positiven Aspekte. Auch der Multiplayer-Part präsentiert sich im Vergleich zur Beta in einer deutlich verbesserten Form.
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