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Test - Grid Legends : Test: Spektakulärer Arcade-Racer

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Schließt eure Augen und stellt euch vor, ihr stündet am Rand einer Rennstrecke. Ein Rennwagen rast heran und drückt richtig auf die Tube. Ihr hört, wie sein Motor immer lauter wird, wie sein aggressives Brüllen verrät, aus welcher Richtung er kommt. Der Boden vibriert, während eure Brust die Schallwellen aufnimmt wie ein vergrößertes Hörorgan. Die Spannung zerfetzt euch, kurz bevor der Doppler-Effekt das ohrenbetäubende Geräusch verzerrt: Nnnnnneeeewwwmmm! Na, Gänsehaut? Wollt ihr mehr davon? Dann müsst ihr Grid Legends spielen, denn Codemasters neuestes Rennspiel vermittelt genau dieses Gefühl – und zwar noch besser als in eurer Vorstellungskraft.

Ist schon bemerkenswert. Im Abstand von nicht einmal zwei Wochen erscheinen zwei Rennspiele, die dasselbe Ziel haben. Beide wollen euer Blut in Benzin verwandeln, selbst wenn ihr Rennspielen sonst abgeneigt seid. Doch in ihrer Herangehensweise könnten sie unterschiedlicher nicht sein.

Auf der einen Seite steht Sonys Megaseller Gran Turismo 7, der Fahrfreude durch nobles Ambiente erzeugen will. Traditionell definiert sich Kazunori Yamauchis Simcade durch realistisch anmutende Fahrphysik, Akribie in seiner Darstellung und kontrollierte Streckendisziplin. Dem gegenüber steht Grid Legens von Codemasters. Ein Rennspiel, bei dem buchstäblich die Fetzen fliegen. Wenn ich es in drei Attributen umreißen müsste, fiele meine Wahl auf die Stichpunkte: grelle Farben, butterweiches Fahrgefühl und ungezwungenes Spektakel.

Was einen Arcade-Racer ausmacht

Ich möchte Grid Legends nicht unrecht tun. Nie und nimmer würde ich behaupten, der Physik dieses Spiels fehle das realistische Fundament. Das wäre grober Blödsinn angesichts der Trägheit, die man am Controller spürt, sobald man einen Heckantrieb-Rennschlitten durch die kantigen Straßen San Franciscos schlängelt. Wenn selbst fortgeschrittene Kurventechniken wie Trail Breaking funktionieren, dann ist die Expertise hinter dem Fahrmodell unbestreitbar. Welches Rennspiel hatte zuletzt eine Schadensdarstellung, bei der lizenzierten Edelkarossen nach heftigen Auffahrunfällen kiloweise Blech abhandenkommt und selbst Reifen platzen können, sodass man auf funkenschlagenden Felgen fährt? Ist das etwa nicht realistisch? Trotzdem stehe ich felsenfest hinter meiner Behauptung, dass Codemasters jüngstes Rennspiel einen der genialsten Arcade-Titel der letzten Jahre abgibt.

Nein, nicht so wie Forza Horizon 5. Das ist auch arcadig und ebenfalls ein absoluter Knaller, aber im Vergleich viel bodenständiger. Grid Legends will um jeden Preis spektakulär sein. Und zugänglich obendrein. Verkürzte Bremswege und kleine Wendekreise laden Vollgaspiloten zum reuelosen Gasgeben ein, während ein Kudos-System permanent zu halsbrecherischen Manövern motiviert.

Kurz, knackig, Adrenalin hochjazzend, ohne euch Fesseln anzulegen. Könnte man das eine Instant-Spielspaßformel nennen? Wenn ja, dann geht sie auf. Am PC, der Playstation 5 und den Xbox-Series-Konsolen ladet ihr ein Event in Sekundenschnelle und seid schon mitten im Geschehen, bevor ihr euch umschauen könnt. Auf den alten Konsolen dauert das etwas länger, aber auch hier gibt es wenig Drumherum, was euch aufhalten könnte.

Tuning? Ja, ist vorhanden, aber es beschränkt sich auf eine Handvoll Regler, mit denen man grobe Parameter für Beschleunigung, Endgeschwindigkeit, Federung und dergleichen anpasst. Ansonsten heißt es ran an den Start und los! Ist das Rennen vorbei? Na, dann ladet das nächste, oder schaltet das Spiel ab. Es macht keinen Unterschied. Ungezwungenes Spielen, ungefilterter, rotzehrlicher Spielspaß ohne Verpflichtungen. Das ist es, was ich unter Spielhallenphilosophie verstehe.

Braucht es noch mehr für ein eindeutiges Urteil? Falls noch Zweifel bestehen sollten, könnte ich ein fantastisches Handling für Drifts und Powerslides in die Waagschale werfen, ein spitzen Geschwindigkeitsgefühl, die auffällige Rempelfreudigkeit der KI und – last but not least – besondere Spieregeln wie etwa Sprungrampen bei Rennen mit Pickup-Trucks und optional durchfahrbare Tore, die E-Fahrzeugen Boost-Power spendieren.

Generell kenne ich kein anderes Rennspiel, dass sein Portfolio derart weit fächert. Allein die Anzahl der Racing-Kategorien sucht ihresgleichen. Hier mal eine Zahlenparade: 250 Rennevents auf 130 Strecken an 22 Orten bestreitet man mit über 100 Autos. Heißt im Klartext, man darf genauso ungezwungen Rundstrecken-Rennen mit Supercars bestreiten wie Truck-Events oder sogar gemischte Veranstaltungen (sogenannte Multi-Class-Rennen), bei denen langsamere Fahrzeuge mit einem festen Vorsprung starten. Elimination-Wettbewerbe werfen die letzten im Feld nach einem Countdown aus dem Rennen, während Time-Attack-Veranstaltungen mehrere Fahrer zugleich um Bestzeiten kämpfen lassen.

Aber es geht auch technisch anspruchsvoller. Wer auf Fast-and-Furious machen will, bringt Reifen zum Rauchen. Drift-Meisterschaften mit japanischen Schmierseifen-Rutschkarossen gehören zu den absoluten Highlights. Da kann selbst Ridge Racer einpacken. Also wenn Grid Legends kein Brett von einem abwechslungsreichen Arcade-Rennspiel ist, was dann?

Glorreiche Seifenoper

Eine Simulation ist es jedenfalls nicht, ganz egal von welcher Seite man das Ganze betrachtet. Dafür genügt ein Blick auf den Story-Modus, der den schnelllebigen, hitzköpfigen Gesamtanstrich unterstreicht. Driven to Glory nennt sich die Kampagne, die uns Codemasters kredenzt, um dem linearen Rennkalender ein unterhaltsames Kleid überzustülpen. Und was soll ich sagen, es taugt wirklich was.

Von den 36 Kapiteln der Kampagne, die man aufgrund ihrer Kürze durchaus an einem Wochenende durchnudeln kann, werden gefühlt etwa die Hälfte durch eine filmische Rahmenhandlung eingeleitet, die Codemasters als Pseudo-Doku auftischt - inklusive Wackelkamera, Outtakes und Verhasplern. Im Zentrum der Geschichte steht ein glückloser fiktiver Rennstall namens Seneca, der sich an der ebenso fiktiven Grid-Rennliga aufreibt. Geld und Geduld der Sponsoren werden knapp, weil das Team permanent an der Aufstellung eines zweiten Fahrers scheitert. Bis plötzlich Fahrer 22 ins Licht rückt, der das Blatt wendet.

Fahrer 22 ist absichtlich namen- und geschlechtslos, damit man selbst in dessen Rolle schlüpfen kann. Eine klischeebeladene, auf Teufel komm raus dramatische Geschichte, mit allem, was zur Popcorn-Unterhaltung dazugehört. Auf der Heldenseite der gute, aber glücklose Underdog und sein talentierter Mechaniker-Kumpel, auf der anderen Seite ein fieser und höchst arroganter Rivale, der nicht einmal seine Teamkollegin respektiert. Dazwischen sieht man das Geschehen gelegentlich aus Sicht eines dritten Rennstalls oder der Presse.

Angesichts einiger überdramatisierter Story-Wendungen trieft der Kitsch aus allen Poren, aber dank einer guten Darstellung durch echte Schauspieler, darunter zum Beispiel der Netflix-erfahrene Ncuti Gatwa, beamt man sich das Ganze mit Vergnügen rein. Zumal man nur selten bemerkt, dass gar nicht vor echten Kulissen gedreht wurde, sondern vor einer Projektionsleinwand, ähnlich wie bei der Disney-Plus-Serie The Mandalorian. Einzig die Streckenaufnahmen der Story fallen durch ihr eher mäßiges Rendering auf, welches der Echtzeitgrafik des Spiels arg ähnelt.

Höchst spektakulär

Damit die Story das Spektakel nicht allein tragen muss, wurden fast alle Rennen auf ein ähnlich ausschweifendes Drama getrimmt. Während man in den ersten Rennen noch als Achter eintrudeln darf, zieht sich der Gürtel mit fortschreitendem Verlauf immer enger, weil die Story immer dramatischere Ultimati vorgibt, die das Ende des Rennstalls prophezeien. Keine Angst, ich bleibe in diesem Text spoilerfrei, aber ich verrate euch zumindest, dass es am Ende um alles oder nichts geht.

Drama, oh Drama! Ich gebe zu, manchmal rollte ich beim Durchspielen mit den Augen, weil alles, ja wirklich alles Spitz auf Knopf zugeht. Aber ich amüsierte mich auch herrlich dabei, weil das geschehen so wunderbar schmalzig zusammengepuzzelt wurde und die Präsentation in nichts nachsteht.

Grafisch packt Codemasters keine Wunder aus. Im Gegenteil, damit das Spiel auch auf Xbox One und PS4 noch gut läuft (inklusive Crossplay-Option) bleibt der technische Ansatz erstaunlich konservativ. Aber aus diesem konservativen Ansatz holt die Präsentation ungemein viel heraus. Alle Strecken wirken sehr geerdet und greifbar. Ob Profistrecken wie etwa Mount Panorama oder Suzuka anhand von Laserscans nachgebaut wurden, weiß ich nicht, und ich glaube, das spielt auch keine Rolle. Wichtig ist, dass sie wuchtig wirken, was nicht zuletzt durch ihre Beleuchtung bei unterschiedlichen Tageszeiten zustande kommt.

Und doch wirken sie im Vergleich mit Stadtkursen wie London, Havanna und Shanghai geradezu unspektakulär. Streckenführung und Beleuchtung zeichnen mindestens genauso viel Drama wie die Story der Kampagne. Blendendes Sonnenlicht, warmes Laternen-Gelb, zischendes Feuerwerk und die harten Farben glühender Neon-Strahler zeichnen ihr ganz eigenes, unausgesprochenes Narrativ. Wobei das Spektakel erst so richtig losgeht, wenn es regnet oder schneit.

Oh mein Gott, wie geil sind diese Regenrennen. Ich liebe sie. Nein, ich vergöttere sie. In Grid Legends regnet es nicht einfach ein wenig. Nein, es gießt Bindfäden. In der Verfolgerperspektive ein Wahnsinnsanblick, trotz konservativem technischen Ansatz, aber wer richtig was erleben will, schaltet bei diesem Wetter in die Cockpitperspektive. Traut euch und bestaunt den wahrscheinlich geilsten Regen-Shader aller Zeiten, der die Windschutzscheibe derart zusippt, dass man selbst bei schaufelndem Scheibenwischer kaum noch scharfe Konturen auf der Strecke sieht. Hammer! Das nenn ich mal visuelles Drama!

Schade nur, dass ein paar technische Schwächen den Eindruck verwässern. Die PC-Version gibt sich mit der Empfehlung einer läppischen Geforce GTX 1080 zufrieden, wurde also erstaunlich effizient programmiert. Allerdings hält sie ihr Potenzial auch arg zurück. Angesichts recht naher LOD-Grenzen für Bäume und nahen Schatten-Kaskaden wünscht man sich ein paar Qualitätsstufen mehr. Erstaunlicher Weise läuft sie trotzdem nicht durchgehend rund, denn sie neigt selbst auf G-Sync- und Free-Sync-Monitoren zu kleinen, nicht erklärbaren Stotterern und pumpenden Frame-Time-Unregelmäßigkeiten, die oft genauso schnell verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Unterm Strich nichts Weltbewegendes, aber wenn es mal passiert, fällt es auf.

Benutzer eines 21:9-Bildschirms ärgern sich zudem, wenn sie die Codemasters-übliche Rückspulfunktion verwenden, denn in dem Fall erzeugt das Spiel einen Rahmen um die Grafik, der zeigen soll, dass man während des Zurückspulens nicht lenken kann. Dummerweise wird dieser Rahmen nicht wieder aufgelöst, wenn das Rennen weitergeht, sondern friert im 16:9-Format fest. Das muss unbedingt behoben werden. Der Rahmen verdeckt sämtliche HUD-Elemente, ganz zu schweigen von der reduzierten Streckenansicht. Ich bin mir sicher, dass diese Anliegen bald durch Patches ausgemerzt werden.

Und die Next-Gen-Varianten? Nun, die gleichen der PC-Version beinahe wie ein Ei dem anderen. Lediglich die Schatten auf dem Fahrzeug wie auch ein paar der Texturen im Cockpit scheinen ein wenig niedriger aufgelöst zu sein. Haptisches Feedback und adaptive Trigger werden unterstützt, fallen aber nicht sonderlich ins Gewicht. Immerhin: Man darf wahlweise in 120 Hz spielen, nur ruckelte die von uns ebenfalls getestete PS5-Fassung schon bei 60 Hz merklich, wenn auf einer der langen Landstraßen-Strecken gewisse Umstände zusammenkommen. Es passiert nicht oft, denn da müssen schon sechs bis sieben Fahrzeuge auf einmal die Kamera füllen, während Regen oder Schnee die Grafikchips strapazieren. Solche Ruckler sind auch nie von langer Dauer, aber sie passieren und zeugen von weiterem Optimierungsbedarf.

>> Top 10 Rennspiele: Die besten Raser! <<

Das gilt übrigens auch für den Schwierigkeitsgrad, denn der fällt viel zu leicht aus. Weil KI-Fahrer grundsätzlich viel zu früh und zu heftig bremsen, ja gar unnötige Crashs provozieren und sich damit selbst ein Bein stellen, musste ich die Karriere zwecks Herausforderung auf das zweithöchste Niveau hochschrauben, und selbst da landete ich regelmäßig in den Top 3. OK, beinahe. Es gab da ein Event, bei dem ich mit einem heftig untersteuernden Ford GT derart heftig um die Kurven schlittern musste, dass ich eine halbe Stunde lang beinahe jede Wand knutschte. Zudem steuern sich Pick-ups mit ihrer ultraweichen Federung wie ein Elefant auf Schlittschuhen. Ein wenig Tuning wirkt da Wunder. Grundsätzlich kann man also sagen, dass es eher die Physik der Wagen ist, die gelegentlich vor Schwierigkeiten setzt, als die KI. Ausnahmen bestätigen die Regel. Wenn man nämlich selbst die Ellbogen ausfährt, bekommt man das sofort durch das implementierte Nemesis-System zu spüren, das aus einfachen Mitstreitern erbitterte Gegenspieler macht. Bittere Asphalt-Feindschaften halten länger als einem lieb ist.

Mein erstes Mal mit ... - GRID Legends

Rennspielfan Pirmin darf heute bei "Mein erstes Mal" so richtig glänzen: Er klemmt sich für euch bei GRID Legends hinters Steuer.

Für eine echte Streckung der Solo-Spielzeit reicht das trotzdem nicht. Wie schon erwähnt, hat man Grid Legends nach einem intensiven Wochenende durchgespielt. Was nicht heißt, dass der Spaß damit vorbei ist. Zum einen darf man sich anhand eines Event-Editors eigene Herausforderungen basteln, zum andern gibt es ja noch den Online-Modus samt Cross-Play, der ebenfalls mit KI-Fahrern gefüllt werden darf. Stößt bei so einem Rennen ein Fahrer aus Fleisch und Blut dazu, darf er ohne Wartezeit mitmischen, indem er einen der KI-Fahrer ablöst. Das funktionierte in Testfahrten mit Entwicklern und anderen Pressevertretern hervorragend.

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