Preview - Grid Legends : Nahe dran am perfekten Arcade-Racer
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Forza Horizon 5 wird derzeit für seine grafisch beeindruckende offene Welt gefeiert, doch was machen Fans des unkomplizierten Drauflosfahren, wenn sie feste Strecken bevorzugen? Im Moment nicht viel, aber ab Februar finden sie in Grid Legends einen Rundumschlag, der so ziemlich alles abdeckt, was man im Genre der Arcade-Racer erwarten kann.
Wirklich alles? Na gut, abgedrehte Over-The-Top-Regeln wie etwa Nitro-Schub oder verrückte Berg-und-Talfahrten im Stil eines Ridge Racer, Need for Speed oder Daytona USA bleiben außen vor. Was schade ist, denn ein Spiel klassischer Spielhallen-Machart wäre längst überfällig. Abseits davon gibt es nichts, was Freunde des zwanglosen Gasgebens vermissen könnten. Codemasters möchte, dass Grid Legends jedem gefällt, der dem Genre auch nur entfernt etwas abgewinnen kann. Es sieht gut aus, es protzt mit Abwechslung, und – ganz wichtig – es fährt sich einfach nur sahnemäßig fluffig.
In unseren Proberunden staunten wir jedenfalls nicht schlecht. Butterweiche Steuerung, wahnsinnig gutes Geschwindigkeitsgefühl und anspruchsvolle Streckengestaltung verschmelzen schon in der noch unfertigen Beta-Version zu einem Spielerlebnis mit unverkennbarer Geschmacksnote. Wie oft schießt ein Hersteller beim Versuch, das Handling der Wagen möglichst kantenlos zu gestalten, über das Ziel hinaus. Hier nicht.
Grid verlangt Geschick auf der Strecke, fordert Voraussicht beim Bremsen und nicht zuletzt ausgefahrene Ellenbogen gegen eine wenig zimperliche KI, deren Nemesis-System auf besondere Reize reagiert. Fahrt ihr einem Gegner in die Seite, so kann es sein, dass er das ganze restliche Rennen lang vor Wut schnaubend an eurem Hintern hängt. Alle Fahrer der künstlichen Intelligenz verfügen über menschliche Charakterzüge, die sie aggressiv oder sanftmütig erscheinen lassen, aber auch Fehler in ihrem Fahrstil zulassen.
An Motivation zu Höchstleistungen fehlt es jedenfalls nicht. Jeder Beweis von Können und Feingefühl wird durch Talent-Punkte belohnt, sei es das Einhalten der Ideallinie, das Fahren im Windschatten oder ein geschickter Drift. Derweil kommt kein anderes Rennspiel derzeit an dieses samtige Gefühl heran, das einem den Eindruck vermittelt, man dirigiere ein tonnenschweres Geschoss durch eine Wand aus Watte.
Welch ein höchst interessantes Physikmodell! Trotz dieser buttersanften Kontrolle simuliert es genauso gut festen Boden unter den Schlappen wie das Wanken einer ultraweichen Federung, die den Wagen in jeder harten Kurve zum Kippen bringen könnte. Was nicht heißt, dass es völlig ohne Schwächen wäre. Einige Curbs scheinen aus Glatteis zu bestehen, während kleine Rempler mit der Bande manchmal in dreifachen Pirouetten enden, für die es unter realen Bedingungen keinen Anlass gäbe. Kleinigkeiten, die sicher noch gefixt werden. Im Großen und Ganzen balanciert Grid Legends nahezu perfekt zwischen Anspruch und Zugänglichkeit. Es ist nicht hirnlos, aber auch nicht zu anspruchsvoll, es verlangt das sinnvolle Einschätzen einer Rennlinie, ohne Einsteiger zu überfordern, und es ist arcadig, ohne das Augenmaß für reale Bedingungen zu verlieren. Es macht einfach nur Spaß. Punkt.
Festival der Disziplinen
Ein großer Faktor für den Spaß manifestiert sich im Lust-und-Laune Prinzip des Spielablaufs. Keinen Bock auf einfache Straßenrennen? Dann fahrt doch einen Elimination-Wettbewerb oder versucht es mit einer Truck-Veranstaltung voller Sprungrampen! Drift-Events, die anstelle von Bestzeiten möglichst spektakuläre Rutschkombos belohnen, gehören ebenfalls wieder zum Aufgebot. Zwölf Veranstaltungen mit zwölf Fahrzeugen durften wir in der Vorabversion ausprobieren. Im fertigen Spiel sollen es jedoch acht Renndisziplinen werden, unterteilt in 48 Fahrzeug-Klassen. Leichte Open-Wheeler, schwere Pick-up-Trucks, flinke Sportwagen, wankelnde Oldies, leise Formel-E-Geschosse – hier ist fast alles dabei, was vier Räder hat.
Ein Haufen Holz mit Bedingungen, die sich zwar meist ähneln, den Fokus jedoch oftmals verschieben. Siehe etwa der erwähnte Wettbewerb mit den Pick-up-Trucks. Deren großzügige Federung verändert die Handhabung in den Kurven bereits genug, um die Art der Herausforderung erheblich zu verändern. Spätestens aber, wenn man diese Blechmonster möglichst gerade über eine Sprungrampe dirigieren muss – also so, dass sie sich in der Luft nicht auf den Kopf drehen – verlagert sich die Aufgabe vom reinen Rennfahren zum Geschicklichkeitstest mit einem gehörigen Schuss Strategie. Mit Vollgas auf die Rampe und riskieren, dabei gerammt zu werden? Abwarten und den Gegnern den Vortritt überlassen? Vielleicht an der Rampe vorbeifahren und auf die Kudos für den Sprung verzichten?
Grid Legends macht euch den Einstieg so simpel wie möglich, aber wenn es mal losgeht, verlangt es volle Aufmerksamkeit. Kein hoher Preis für den Spaß. Angesichts der Grafik kleben die Augen sowieso am Bildschirm. Grid als Next-Gen-Erlebnis einzustufen, wäre zwar vermessen, denn aus technischer Sicht wagen die Designer keinen Schritt ins kalte Wasser. Kein Raytracing, keine Extravaganzen, ja nicht einmal HDR. Zumindest nicht in unserer Vorabversion auf dem PC. Dennoch sieht man gerne hin, weil die neu implementierte Lichtberechnung allen 3D-Modellen etwas Wuchtiges verleiht.
In Verbindung mit satten Farben und einem starken Motion-Blur-Effekt, der das Geschwindigkeitsgefühl fabelhaft vermittelt, entsteht ein überaus bodenständiges und greifbares grafisches Antlitz, das insgesamt 21 Örtlichkeiten umfasst. Ein Teil davon besteht aus echten Rennstrecken, etwa Brands Hatch oder Mount Panorama. Andere sind kondensierte Stadt-Interpretationen wie beispielsweise Paris und Chicago oder die neuen Strecken in Moskau und London. Ganz besonders sticht dabei ein fiktiver Italien-Kurs namens Strada Alpina hervor, der neben mehreren kurzen Varianten auch eine Langstrecken-Version mitbringt, die sich hervorragend für Ausdauerrennen eignet.
Den neuen Konsolen mag das selbst in 4K keine Schweißperlen auf die Stirn treiben, der ausklingenden Generation, die dank Cross-Gen und Cross-Plattform-Philosophie gleichberechtigt mitmischt, schmeichelt es aber allemal. Allein schon wegen der vielen Partikel und Randbauten, welche in den Stadtkursen auffallen. Man erkennt auf den ersten Blick, dass die Grafiker viel Optimierung vornehmen mussten, um das Gesamtbild auf allen Konsolen gleichwertig zu halten. Davon profitieren auch PC-Jünger, die sich über hohe Kompatibilität freuen. Auf einer Geforce RTX 3080 sind bei allen Grafikoptionen auf Anschlag locker durchschnittliche 120 bis 130 FPS in 4K drin. Dementsprechend entspannt dürfte das Ganze noch immer auf einer Grafikkarte der Pascal-Serie und vergleichbaren Radeon-Karten laufen.
Die Grenzen zwischen Einzel- und Mehrspieler-Erlebnis verschmelzen
Schöne Details, aber was macht Grid Legends denn anders als andere Rennspiele? Nun, zuallererst einmal serviert es euch eine Karriere mit handfestem Narrativ. Ihr startet euren Werdegang als „Fahrer 22“, der nie anders benannt werden darf, damit Schauspieler euch innerhalb von mannigfaltigen Videosequenzen direkt ansprechen können, ohne geschlechterspezifisch sprechen zu müssen. Ob Männlein, Weiblein oder divers, jeder soll sich angesprochen fühlen.
>> Zum Vergleich: Der Platzhirsch Forza Horizon 5 im Test <<
Diese „Driven to Glory“ genannte Story führt euch durch eine mehrstufige Karriereleiter mit Niveaus – sozusagen Ligen – und einer abschließenden Reihe Sonderherausforderungen, allerdings ohne feste Vorgaben zu machen. Wer beispielsweise am liebsten Driftmeisterschaften bewältigt, kann diese zum zentralen Kern seiner eigenen Karriere machen.
Der erzählerische Anteil stammt aus einer Kooperation zwischen zwei Quellen. Codemasters-Autoren arbeiteten zusammen mit Brad Kane, der bereits an Ghost of Tsushima mitwirkte, an einer Geschichte aus Drama und Rennfahrerepos, die sowohl auf, als auch abseits der Strecke stattfindet. Codemasters scheute dabei weder Kosten noch Mühen, denn die meisten Szenen wurden nicht vor Greenscreen gedreht, sondern vor Projektionsflächen, ähnlich wie bei Disneys Serie The Mandalorian. Auf diese Weise schlüpfen talentierte, teilweise Netflix-erprobte Schauspieler in die Rolle aufregender Charaktere, vor gerenderten Kulissen, deren Elemente sehr glaubhaft wirken und durch echte Requisiten ergänzt werden konnten. Beispielweise echte Autos.
Viel gravierender als das ist jedoch die Methode, welche Einzelspieler- und Mehrspieler-Modi miteinander verschmelzen sollen. Es wird nämlich möglich sein, nahtlos an laufenden Rennen von Freunden teilzunehmen. Der oder die Einsteiger übernehmen dann mitten im Geschehen die Rolle eines KI-Fahrers. Sie fahren sozusagen sein Rennen zu Ende.
Der Fairness halber soll es nicht möglich sein, erst kurz vor Schluss in ein Rennen einzusteigen. Wie sich das mit der Spielbalance verträgt, wird sich wohl erst mit dem Endprodukt herausstellen. Wir fragen uns nämlich, wie das Spiel abwägt, an welcher Position Freunde in ein laufendes Rennen geworfen werden. Steht hier eher der Koop-Gedanke im Vordergrund, oder können auch Rivalitäten auf diese Weise fair ausgetragen werden? Codemasters arbeitet wahrscheinlich wie wild an einem passenden Algorithmus.
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