Test - Final Fantasy VII Remake : Der Klassiker als modernes Meisterwerk
- PS4
Man hätte ja kaum noch erwartet, dass es wirklich passiert. Nach etlichen Teasern, Re-Releases des Originals und einer Square-Enix-typischen, viel zu frühen Ankündigung, halten wir das Remake zum RPG-Meilenstein Final Fantasy VII endlich in unseren Händen. Die Erwartungen sind riesig. Kann das Remake dem schon etwas in die Jahre gekommenen PS1-Rollenspiel neues Leben einhauchen?
Schon im Intro werden Unterschiede zum 23 Jahre alten Original deutlich. Bevor es losgeht, bekommen wir einen kurzen Abriss des Lebens in der Metropole Midgar, und vor der ikonischen Kamerafahrt durch die Stadt seht ihr, wie das Blumenmädchen Aerith von mysteriösen Schatten verfolgt wird.
Kurz darauf findet ihr euch in der Haut des Söldners Cloud Strife wieder, der aufgrund seiner Vergangenheit in der Elitearmee SOLDAT angeheuert wurde, um den Megakonzern Shinra davon abzuhalten, den Planeten auszubeuten. Kurz darauf geht es zusammen mit Barret Wallace und der Ökoterroristengruppe Avalanche im Mako Reaktor 1 darum, selbigen zu sprengen und außer Gefecht zu setzen.
Kennt man alles schon? Falsch gedacht
So weit, so bekannt - doch während die Geschehnisse im Reaktor allen Spielern des Originals noch bekannt vorkommen dürften, geht das Remake überraschend viele neue Wege, sobald das erste Kapitel abgeschlossen ist. Final Fantasy VII Remake scheut sich nicht davor, alte Handlungsstränge komplett neu zu erzählen und die bekannte Geschichte an allen Ecken und Enden zu erweitern.
Direkt nach der Explosion im Reaktor erkundet ihr zum Beispiel in einem viel umfangreicheren Abschnitt den betroffenen Sektor 1 in der Metropole und werdet direkt damit konfrontiert, dass die Handlungen von Avalanche nicht nur die böse Obrigkeit, sondern vor allem auch Unbeteiligte hart treffen.
Midgar wirkt nun wesentlich belebter und glaubwürdiger. Besonders die Größe der Stadt wird nun viel spürbarer, egal ob ihr auf der künstlichen Platte die Wohngebiete erkundet oder in den Slums diese immer und überall den Himmel verdeckt. Aber auch die Charaktere wurden einer ordentlichen Frischzellenkur unterzogen.
Auch hier ist das Stichwort wieder “Glaubwürdigkeit”. Die grundlegenden Charakterzüge eurer Mitstreiter und der bekannten NPCs sind immer noch vorhanden, wurden aber durch viele neue Dialoge besser ausgearbeitet, erweitert und verbessert. Auch die wirklich gelungene deutsche Sprachausgabe tut ihr Übriges, um die emotionale Bindung zu den Charakteren zu steigern.
Und das ist auch sehr gut so, denn bekanntermaßen umfasst das Remake nur grob die Hälfte der ersten CD des Originals. Durch die Änderungen, Erweiterungen und vor allem die vollkommen neuen Handlungsstränge und teilweise unerwarteten Plottwists, die selbst Veteranen überraschen werden, kommt ein stattliches RPG zusammen, mit dem ihr nicht nur mindestens 35 Stunden beschäftigt sein werdet, sondern das an Emotionalität das Original an vielen Stellen sogar noch übertrifft.
Einen nicht unbeachtlichen Teil dieser Zeit verbringt ihr mit der Erledigung verschiedener Nebenquests. Von diesen gibt es zwar in den entsprechenden Kapiteln jeweils nur eine Handvoll, dafür belohnen diese aber mit Gegenständen, Ausrüstung oder Geld und bieten teilweise wichtige Charaktermomente, die eure Mitstreiter weiter ausarbeiten.
Leider lassen sich die meisten Nebenquests nur in den entsprechenden Kapiteln absolvieren, denn trotz der schieren Größe der Stadt, mit ihren Slums, Gassen und Dungeons, ist Final Fantasy VII Remake wie das Original strikt linear. Ihr könnt zwar hier und da kleinere Gebiete und Geheimnisse entdecken, ihr dürft aber keine offene Welt erwarten. Dennoch gibt es zumindest einige wenige Aufgaben, die sich über die gesamte Handlung des Spiels strecken.
Action-Kampf mit Hindernissen
Der Großteil des Abenteuers dreht sich aber natürlich ums Kämpfen. Im Gegensatz zum PS1-Original kämpft euer Team im Remake nicht mehr rundenbasiert, sondern ganz im Stil eines Kingdom Hearts völlig in Echtzeit.
Neben Standardattacken und Kombos stehen jedem Charakter Spezialtechniken zur Verfügung. So kann Cloud zum Beispiel in einen stärkeren Angriffsmodus wechseln, während Tifa ihre Spezialattacke nach und nach stärkt. Dazu kommt natürlich das altbekannte Materia-System: Diese lassen sich nach Belieben in die Slots eurer Ausrüstung verteilen.
Dadurch setzt ihr mächtige Magie, Fähigkeiten oder in Bosskämpfen sogar die bekannten Beschwörungen ein. Der Einsatz von Materia, ebenso wie von Gegenständen, kostet allerdings einen oder mehrere eurer ATB-Balken. Diese füllen sich automatisch während des Kampfes auf. Mit den Schultertasten erteilt ihr eurer Gruppe Befehle, könnt aber auch jederzeit zwischen den Charakteren hin und her wechseln, um diese direkt zu steuern.
Um die Kämpfe etwas zu vereinfachen, wurden die neuen Waffenmodifikationen eingeführt. Mit jedem Level erhaltet ihr Waffenpunkte, die ihr in eure Waffen investieren könnt, um ihre Angriffskraft und eure Statuswerte zu verbessern oder um neue Materiaslots freizuschalten. Dank dieses Systems lassen sich auch alte Waffen noch sinnvoll in den späteren Bereichen des Spiels verwenden.
Dieses neue Action-Kampfsystem funktioniert meistens gut, stellt aber leider auch den größten Schwachpunkt des Spiels dar. Die Kamera positioniert sich regelmäßig in den ungünstigsten Ecken, und nicht selten kommt es vor, dass man von Gegnerattacken aus dem toten Winkel getroffen wird. Das wäre nur halb so schlimm, wenn besagte Attacken eure Charaktere nicht immer wieder in ihren Aktionen unterbrechen und zurückschleudern würden, was im ungünstigen Fall direkt das Leben kosten kann, denn es gibt keinerlei sinnvolle Möglichkeit, aus Gegnerkombos auszubrechen.
Der Vergleich mit Kingdom Hearts war übrigens ganz bewusst gewählt, denn einige der Bossgegner wären in eben diesem Franchise besser aufgehoben. Der insgesamt etwas langsamere und taktischere Kampfablauf von Final Fantasy VII Remake passt nämlich stellenweise nicht zu dein teils sehr extravaganten Angriffsketten der Gegner, vor allem gegen Ende des Spiels.
Das sorgt teilweise für mehr Frust als Herausforderung, hält sich aber zum Glück noch ausreichend in Grenzen. Wer gar keine Lust auf die volle Ladung Action hat, kann das Spiel auch im “klassischen Modus” spielen. Hier greifen eure Charaktere automatisch an, während ihr euch lediglich um den Einsatz von Fähigkeiten und Materia kümmern müsst.
Technik, die begeistert
Während der Kämpfe und Erkundungstouren macht Final Fantasy VII Remake auch technisch auf der PS4 Pro eine gute Figur - zumindest meistens. Während der Großteil Midgars und seiner Bewohner eindrucksvoll inszeniert ist, gibt es hier und da immer wieder kleinere Unschönheiten wie verwaschene Texturen oder Mundbewegungen in generischen NPC-Gesprächen, die unnatürlich bis gruselig wirken.
Zum Glück kann das sehr starke Grafikdesign und der wunderschön neu inszenierte Soundtrack das größtenteils wettmachen. Dennoch bleibt das Gefühl, dass hier vielleicht schon etwas mit Blick auf die kommende Playstation 5 gearbeitet wurde. In Sachen Performance konnten wir keine größeren Einbrüche feststellen, selbst als extrem viel auf dem Bildschirm los war.
Habt ihr die Haupthandlung rund um Cloud, Aerith, Avalanche und Shinra absolviert, wartet zudem ein umfangreiches Endgame auf euch. Wir verraten an der Stelle nicht zu viel, aber wenn ihr nicht genug von Final Fantasy VII Remake bekommen könnt, habt ihr auf jeden Fall noch einiges zu tun. (Was allerdings auch den vielen Ladezeiten geschuldet ist.)
Dennoch: Final Fantasy VII Remake ist eindeutig mehr als “nur” eine würdige Neuauflage des Originals und gehört zu den essentiellen Titeln auch dieser Generation. Die erweiterte Handlung, die frischen Plottwists und die viel besser ausgearbeitete Welt heben Final Fantasy VII auf ein neues, zeitgemäßes Level und legen den Grundstein für die kommenden Episoden, die im Gesamtwerk hoffentlich ein modernes Meisterwerk bilden werden.
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