Test - Drakensang : Bröckelt der Thron von Gothic?
- PC
Mehr als nur eine Rattenplage
So viele Mittel, so viele Gegner ... möchte man meinen, denn die Artenvielfalt in 'Drakensang' steht gegenüber dem restlichen Umfang zurück. Selbst im letzten Drittel des auf vierzig bis achtzig Stunden ausgelegten Epos müsst ihr schnöde Ratten oder langweilige Spinnen verprügeln.
Auch mögen die taktischen Möglichkeiten des Spielers schön und toll sein, die der Gegner sind eher bescheiden. In der Regel greifen sie euch blind an, dabei ohne zu zögern und bar jeder Fluchtgedanken. In späteren Regionen gehen sie gezielt auf die schwachen Fernkämpfer und Magier, aber das war es auch schon. Es gibt niemanden, der beispielsweise immun gegen bestimmte Angriffe oder Zauber ist. Die Gegner mögen anders aussehen, aber sie werden meist nur stärker, schneller oder ausdauernder. Ebenfalls nicht sehr schlau wirkt die Computer-KI, wenn sie in die im eigenen Domizil installierte Falle rennt.
Apropos Umfang: Ja, 'Drakensang' ist schön umfangreich. Aber einiges an Spielzeit geht für die ewig vielen, ewig langen und potenziell langweiligen Laufwege drauf. Dies ist, zugegeben, in der Anfangsphase etwas schlimmer als gegen Ende: Beim angesprochenen Kriminalfall latscht ihr minutenlang von einer Ecke zur nächsten innerhalb einer, spieltechnisch gesehen, riesigen Großstadt. Die Idee dahinter ist gut, aber die Ausführung verbesserungswürdig.
Stabile Welt
Dafür gibt es Lob für die Stabilität des Programms, denn die Anzahl der Bugs konnten wir an einer Hand abzählen. Einmal blieb eine Figur hängen, welche sich nach kurzer Zeit wieder befreite, und gegen Ende hin bereitete die frei drehbare Kamera Probleme in engen Gängen. Die Anklickfläche der Gegner ist manchmal unschön verrutscht, aber dies ist dank der Pausenfunktion nicht weiter dramatisch.
Der Grund, warum sich das Spiel in technischer Sicht so wenige Fehler leistet, dürfte mit der wenig variablen Spielwelt zusammenhängen. So gibt es keine von der Zeit abhängigen Tag-/Nachtwechsel und unsichtbare Mauern zäunen den Spieler an einigen Stellen unschön ein. Allgemein werden diese Dinge gut durch die anderen positiven Aspekte der Spielwelt kaschiert, doch eine Einschränkung stößt auf Unverständnis: Die meisten Areale dürft ihr nach Verlassen nicht mehr bereisen, sofern ihr alle für die Hauptstory notwendigen Aufträge gelöst habt. Dies wird auch zu keinem Zeitpunkt irgendwie erklärt oder geschichtlich in einen Kontext gebracht. Es sorgt nur für Frust, weil ihr so zum frühzeitigen Angehen der noch unerledigten Nebenquests gezwungen werdet, solltet ihr Interesse an diesen haben.
Sound, Musik und Story-Szenen
Neben der wirklich hübschen Grafik ist der Ton das Highlight im audiovisuellen Bereich des Spiels. Die Abmischung von Stimmen und Effekten macht einen hervorragenden Eindruck, besonders die Geräuschkulisse der Umgebung ist sehr schick. Dafür mutet der karge Einsatz von Sprachausgabe seltsam an, denn oftmals hört ihr nur den ersten Satz eures Gesprächspartners und seid beim folgenden Dialog auf den Text angewiesen.
Ähnlich zweigeteilt fällt das Urteil über die Musik aus, welcher rein aus produktionstechnischer Sicht viel Aufwand eingeräumt wurde. Sie passt vom Stil her einwandfrei, aber ihr fehlt irgendwie das Lebendige, das Euphorische und das Emotionale. Austauschbar ist das passende wie böse Wort, was eigentlich kein Komponist über sein Werk hören möchte. Zudem nervt die Kampfmusik auf Dauer, die auch noch bis zum allerletzten Gefecht zum Einsatz kommt. Der Fleiß der Dynamedion-Truppe ist zwar bemerkenswert, schließlich tauchen die Burschen derzeit gefühlt in jeder zweiten Anleitung eines in Deutschland produzierten Spieles auf. Aber bislang reicht es nicht für die Genialität eines Yasunori Mitsuda oder eines Jeremy Soule.
Abschließend fehlt auch der Präsentation das letzte Quäntchen Euphorie. Die Zwischensequenzen funktionieren, was Szenenschnitt und Inszenierung anbelangt, aber eher im Sinne von "zweckmäßig". Die einzigen Ausnahmen beziehen sich auf nahezu alle Sequenzen, in denen der rote Drache vorkommt. Ohne allzu viel verraten zu wollen: Dort glitzert genau die epische Komponente heraus, die sehr gute Spiele von außergewöhnlichen trennen.
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