Test - Chorus : Episch, bildgewaltig, fesselnd
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Endlich wieder ein Weltraum-Ballerspiel mit geradliniger Erzählweise und klaren Motiven: Ein böses Imperium, angeführt von einem religiös verblendeten Machthaber, unterjocht die Galaxis mit eiserner Faust und geht buchstäblich über Leichen. Ohne Not lässt er ganze Planeten vernichten. Wir schlüpfen in die Haut einer Elitepilotin namens Nara, die einst für dieses Imperium Schlachten schlug und an der Planetenzerstörung teilhatte, aber angesichts des Wahnsinns desertiert. Man kann den Ablauf der Geschichte schon erahnen: Nara versucht ihr Glück auf dem freien Markt, vollzieht aber letztendlich die 180-Grad-Wende und stellt sich gegen ihren einstigen Arbeitgeber. Chorus liefert eine spielbare Weltraumsaga ohne viel Tiefgang, aber mit bildgewaltiger Action.
Na gut, angesichts einiger Verflechtungen und einem ausführlichen Erzählstrang ist es am Ende doch nicht ganz so simpel, aber unterm Strich lässt sich über Chorus eines sagen: Es erzählt fokussiert und legt dabei Wert auf ein episches Gesamtbild. Und das auch noch in einem Genre, das schon lange stiefmütterlich behandelt wird. Wann habt ihr denn den letzten AAA-Weltraum-Shooter gespielt, der an Klassiker wie Star Fox oder Silpheed erinnert? Klar, Chorus ist etwas größer und ausladender als das doch sehr arcadige und kurz gehaltene Star Fox, in Sachen Stimmung kommt der Vergleich aber hin.
Deep Silver entführt uns in ein düsteres, aber ansehnlich ausgeschmücktes Science-Fiction-Szenario voller optischem Bombast und tut so, als sei sein gewaltiges Eye-Candy nur nebensächlich. Tatsächlich hat man mit Nebenmissionen und dem Erlernen diverser Sonderfertigkeiten so viel zu tun, dass man manchmal vergisst, wie viel Wert auf den erzählerischen Teil gelegt wird. Aber entschuldigt, ich greife ein wenig voraus. Wir sollten mit dem Grundsätzlichen beginnen.
Ballern für Kohle
Ein zentraler Punkt des Spielablaufs ist die Erkundung des Weltraums zur Verbesserung des eigenen Raumschiffs. Waffen, Panzerung, Wendigkeit einkaufen? Klappt nur mit einer Ladung Credits auf der hohen Kante, und die erhält Nara nur für das Erfüllen von Dienstleistungen. Hier soll ein Konvoi beschützt werden, da sucht sie für einen Lieferanten nach einer verlorengegangenen Waffenladung oder vertreibt gemeine Piraten zum Schutz der Allgemeinheit. Ein ständiges Geben und Nehmen, man will ja schließlich gegen jede Art von Aggressor gewappnet sein, wenn man sich auf den neuen Beruf als freischaffende Pilotin einstellt.
Doch unsere Heldin verschafft sich nur wenige Gelegenheiten, ihren Geist baumeln zu lassen, schließlich hat das Imperium (der sogenannte Kult, beziehungsweise Zirkel) überall seine Hände im Spiel und breitet seinen Einfluss immer weiter aus. Obwohl sie weiß, dass sie sich dem Zirkel stellen muss, versucht sie zuallererst mit sich selbst klarzukommen. Nara jagt ihren Erinnerungen hinterher und verschafft sich letztendlich Zugang zu jenem alten Schiff, mit dem sie viele ihrer früheren üblen Taten begangen hatte. Und so hangelt sie sich von Schauplatz zu Schauplatz.
Von einer offenen Welt zu sprechen wäre übertrieben. Neue Abschnitte auf der Galaxiekarte werden erst nach abgesteckten Progressionsschritten zugänglich. Nebenmissionen in den eingegrenzten Arealen, die man besucht, dienen abseits der Geldbeschaffung höchstens der Zerstreuung vom dicht gewobenen Erzählstrang in welchem Nara mit den Verbrechen, die sie begangen hat, zurechtkommen muss.
Das birgt Vor- und Nachteile, denn einerseits ist es gut, nicht ständig mit dem Plot bombardiert zu werden, andererseits verpasst Chorus die Chance, das eigens gesponnene Universum sinnvoll zu erweitern. Man lernt in den Nebenmissionen nichts Wesentliches über Kultur und Geschichte des Schauplatzes. Dadurch wirkt alles, was wie über Nara erfahren - und das ist angesichts ihrer heftigen Schuldgefühle nicht wenig - etwas kontextlos. Naras Gewissensbisse, die sich durch ein fast schon schizophrenes Flüstern ihrer Gedanken manifestieren, lassen keinen Raum für Naras Charakterzüge. Selbst wenn sie mit ihrem Schiff spricht, das über eine künstliche Intelligenz namens Forsaken verfügt, ist es eine Kunst, herauszufinden, was die Heldin eigentlich ausmacht, außer dass sie eine verdammt gute Pilotin zu sein scheint. Somit ist es leider nicht leicht, Sympathie für sie zu entwickeln.
Die Tücken des Weltraums
Was soll’s. In den zentralen Story-Kapiteln gibt es genug Gelegenheiten, das Geschick am Steuerknüppel unter Beweis zu stellen. Öhm ... Steuerknüppel? Gemeint sind natürlich wahlweise ein Joypad oder Maus und Tastatur am PC. Beide Steuerungsvarianten haben eigene Stärken. Naras Schiff fliegt sich mit einem Controller natürlicher und intuitiver. Das Anvisieren von Feinden, wie auch das Einsetzen der sogenannten Drift-Fertigkeit, mit dem man seitwärts fliegend Gegner aufs Korn nimmt, flutschen dagegen besser mit Maus und Tastatur.
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Da letzteres die meiste Zeit des Spiels okkupiert, sind Maus und Tastatur vorzuziehen, sofern man die Wahl hat. Zumal die drei Arten von Waffen, zwischen denen man wechseln kann, eine Flexibilität beim Anvisieren verlangen, die ein Controller nicht immer gewährleisten kann. Man braucht sie allerdings alle drei gleichermaßen. Die Gatling-Kanone fügt dem Rumpf von Schiffen großen Schaden zu, Laser vernichten Schilde und Raketen erweisen sich effektiv, wenn man gegen langsame, gepanzerte Gegner antritt.
Zugleich verlangen Naras sagenumwobene Spezialfähigkeiten flinke Finger. Etwa das erwähnte Driften oder das Heranspringen an Geschwader, damit man sie in Schussweite bekommt. Beim Spielen mit einem üblichen Controller hat man manchmal das Gefühl, man bräuchte einen weiteren Finger an der Hand, um all das gleichzeitig kontrollieren zu können. An einer Tastatur geht das leichter von der Hand.
Mit all diesen Fähigkeiten fährt Chorus fetzige Dogfights auf, die sich arcadig anfühlen, aber viele taktische Elemente mitbringen. Eine tolle Mischung, in der Chorus eine wunderbare Balance zwischen taktischer Varianz und hoher Zugänglichkeit hält.
Ein grafischer Hochgenuss
Egal ob bei Erkundungsflügen oder im Kampf, die optische Präsentation enttäuscht nie. Farbkräftige Planetenringe, Nebel und und Sonnenstrahlen umgarnen ein knackscharfes, dicht gewobenes Geflecht aus Sternen, die aus beinahe jeder Perspektive ein Design-Gedicht darstellen. Details über Details füllen das Bild. Hier eine Raumstation, da ein Asteroidengürtel und dazwischen massenhaft Partikel, die zu jeder Zeit ein hervorragendes Gefühl für Größenverhältnisse und Geschwindigkeit vermitteln. Chorus ist ungelogen eines der schönsten Weltraum-Spiele, die je geschaffen wurden.
Ausgefallene Raumschiff-Designs stehen nicht auf dem Plan. Tatsächlich erinnert das Heldenschiff (wie auch ihr schwächeres Einstiegsschiff bei Spielstart) an einige Anime-Designs aus den 80ern. Das soll keine negative Kritik sein, sondern eher eine Feststellung. Zumal auch hier an Details nicht gespart wird. Modularer Rumpf, glühende Laser, Antriebsschweif und viele weitere Kleinigkeiten bei Freund und Feind ergänzen das Farbspiel der Hintergründe hervorragend. An einem 21:9-Ultrawide-Monitor wird man von der Weltraumszenerie geradezu verschluckt. Wahnsinn!
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