Test - Bus Simulator : Ein Hoch auf unseren Busfahrer!
- PS4
- One
Nach rund zehn Jahren, in denen PC-Spieler bereits den öffentlichen Personenkutscher mimen durften, sind auch Konsoleros an der Reihe. Bus Simulator für PS4 und Xbox One ist eine fast verlustfreie Umsetzung von Bus Simulator 2018, von der man technisch nicht viel erwarten sollte. Trotzdem ist das virtuelle Busfahren irgendwie kultig ...
“Größa hamset nich', wa?” Mit diesem Ausdruck charmantester Berliner Schnauze würde ich einigen meiner virtuellen Fahrgäste am liebsten die Meinung geigen. Ein einfaches Ticket zu 1,80 Euro mit einem Zwanziger bezahlen? Direkt beim Busfahrer!? Das sollte sich hier in der Hauptstadt mal einer trauen, am besten im dichtesten Berufsverkehr. Da wäre der Teufel los!
Es sind sowieso seltsame Gesellen, die sich zu mir in den Bus verirren. Lauter eineiige Zwillinge, die zwar ständig über abstruse Themen quatschen, dabei aber nicht den Mund bewegen. Stattdessen vegetieren sie oft in leicht kauernder Haltung auf den Sitzen vor sich hin, als säßen sie in tiefer Trance bei ihrem Yoga-Guru. Wenn sie sich dann irgendwann bewegen - etwa zum Aussteigen - legen sie zu Kraftwerks „Wir sind die Roboter“ den Uncanny-Valley-Tanz aufs Parkett. Sie laufen nicht einmal, sie gleiten über den Gehweg, als hätten sie Rollschuhe an. Sind die 3D-Grafiker beim Studio Still Alive noch in der Ausbildung? Die Modelle wie auch deren Animationen schreien lauthals „Wir üben noch“.
Schade, denn der Rest des grafischen Anstrichs kann sich sehen lassen. Die Unreal Engine lässt Regen, Nässeeffekte und einigermaßen scharfe Oberflächen in bestem Glanz erstrahlen, verleiht den sauber modellierten Bussen einen fotorealistischen Anstrich und macht auch bei der Fahrphysik keine schlechte Figur. Man spürt jederzeit, wie schwer und klobig so ein Bus ist. Träges Beschleunigen, langer Bremsweg, wippende Federung - der Bus Simulator ist zwar weit entfernt von beinhartem Realismus, aber die Physik fühlt sich nachvollziehbar an.
Kollateralschäden dank Joypad-Steuerung
Gerade über die feinfühligen Analogsticks der Konsolen-Controller kommt das gut zur Geltung. So eine Straßenlaterne kann man beim Rechtsabbiegen schnell übersehen. Nur einen Tick zu früh eingeschlagen, schon haben die Stadtwerke einen neuen Reparaturauftrag und meine private Buslinie ein paar Hunderter weniger auf dem Firmenkonto. Einen Bus mit einem Joypad zu steuern, fühlt sich an, als wolle man den unglaublichen Hulk mit einem Satz Mikado-Stäbchen durch einen Porzellan-Parkour dirigieren. Und das obwohl der gesamte Spielablauf stark beschleunigt wirkt, damit keine eintönigen Längen zwischen den Haltestellen entstehen.
Es ist schade, dass der Bus Simulator keine Lenkräder unterstützt. Über das Warum kann man nur spekulieren. Womöglich wegen der hohen Anzahl an Tasten, die man für die Steuerung der sekundären Funktionen benötigt: Mit Türen, Blinkern, Haltestellenbremse, Scheinwerfern oder auch Rollstuhlfahrer-Rampe gibt es einiges zu beachten, insbesondere weil manche Funktionen erst zur Verfügung stehen, wenn andere aktiv sind. Beim Einstieg grübelt man mehr als einmal über die richtige Reihenfolge. Allerdings hätte ein zweiter Controller auf dem Schoß diese Aufgabe garantiert bewältigt. Auch mit einem Joypad ist die unübersichtliche Vielfalt an Kommandos nur nach einiger Eingewöhnungszeit zu bewältigen.
Der Rest ist pure Busfahrer-Routine. Um nicht zu sagen: totaler Stress im Verkehr. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Programmierer echten Individualverkehr simulieren wollen oder darauf aus sind, in mir die echte Wut eines Busfahrers aufkommen zu lassen - quasi die Simulation auf Meta-Ebene. Fakt ist, dass hier keiner auch nur entfernt eine Chance hätte, durch die Führerscheinprüfung zu kommen.
Vorfahrt? Wird ausgewürfelt! Blinken? Ist überbewertet. Und gibt es in dieser verdammten Kleinstadt überhaupt eine Straße, auf der zu irgendeiner Uhrzeit mal nicht der automobile Supergau herrscht? Wenn überhaupt, dann scheinbar nur bei Nacht. Tagsüber herrscht überall Stau, an beinahe jeder noch so breiten Hauptstraße reihen sich unzählige Autos zu unfreiwillig gebildeten Korsos aneinander.
Das Zeitlimit für den engmaschigen Fahrplan ist aufgrund des dichten Verkehrs nur einzuhalten, wenn man hier und da mal ein halsbrecherisches Überholmanöver wagt, wobei die Spielmechanik stets lobende Worte dafür übrig hat, wenn man brav den Blinker betätigt und schön sauber innerhalb der Grenzen der Haltestelle zum Stehen kommt. Auch dann, wenn man dazu eine Vollbremsung auf Crash-Test-Niveau hinlegen muss. Was soll es, die Passagiere sind ja eh alle mental beim Yoga.
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