Test - Assassin's Creed Odyssey : Wow, noch größer geht nun echt nicht mehr
- PC
- PS4
- One
- NSw
Nach einer bitter nötigen Auszeit kehrte Assassin's Creed im letzten Jahr mit Origins runderneuert aus der Kreativpause zurück: Ein anspruchsvolleres Kampfsystem, veränderte Klettermechaniken, dezente Rollenspielanleihen und zahlreiche Entschlackungen beim Gameplay machten die Serie fit für die Zukunft. Mit Assassin's Creed Odyssey setzt Ubisoft auf diesem neuen Fundament auf, entwickelt es weiter und kehrt zum ursprünglichen Jahresrhythmus der Reihe zurück. Ob ihr das guttut?
Nachdem Origins bereits mehrere Schritte in der Zeit rückwärts machte und die Anfänge der Assassinen-Bruderschaft im Alten Ägypten beleuchtete, dreht Odyssey die Uhr noch einmal etwa vier Jahrhunderte weiter ins antike Griechenland. Assassinen und Templer gab es damals selbstverständlich noch nicht – Fans, die deswegen befürchten, Odyssey werde dadurch inhaltlich von den anderen Spielen der Reihe losgelöst, können aber beruhigt sein: Die Geschichte macht sehr schnell klar, welche Rolle sie im Gesamtzusammenhang von Assassin's Creed spielt und dass sie hierfür teilweise sogar den Grundstein legt.
Statt eines Assassinen spielt ihr diesmal einen Söldner – beziehungsweise eine Söldnerin, denn das ist bereits die erste Neuerung, die euch in Odyssey erwartet: Ihr habt nun die Wahl, ob ihr in die Rolle eines Mannes (Alexios) oder einer Frau (Kassandra) schlüpft. Spielerisch und inhaltlich hat das zwar keinerlei Auswirkungen, allerdings ist allein der Aufwand, den Ubisoft dafür bei der (deutschen) Synchronisation betrieb, bewundernswert, da nicht nur sämtliche Dialogzeilen der Helden doppelt eingesprochen werden mussten, sondern auch die der Gesprächspartner immer dann, wenn sie geschlechtsspezifische Anreden wie eben „Hallo Sölder“ oder „Hallo Söldnerin“ verwenden.
Story: Athener gegen Spartaner
Assassin's Creed Odyssey spielt im 5. Jahrhundert v. Chr. während des peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta und ist damit in gewisser Weise ein „Sequel“ zu den Ereignissen im Comic/Film „300“. Die griechische Hauptstadt steht seit Wochen unter Belagerung der spartanischen Armee. Überall im Land schwelen die Konflikte. Als Söldner steht ihr leidenschaftslos zwischen den Fronten und bietet demjenigen eure meuchlerischen Dienste an, der Geld dafür locker macht.
Zumindest so lange, bis die Angelegenheit persönlich wird. Denn eure Familie, die Alexios/Kassandra im Kindesalter einst verstoßen hat, spielt eine entscheidende Rolle in den verwickelten Ränkeschmieden des Krieges. Und auch ein ominöser Kult nutzt die Unsicherheit der weltpolitischen Situation, um seinen Einfluss im Verborgenen auszudehnen und eine übernatürliche Macht an sich zu reißen, mit denen Fans der Assassin's-Creed-Reihe bestens vertraut sind.
Wie schon seine Vorgänger lebt auch Assassin's Creed Odyssey von der historischen Bedeutung der Epoche, in der es spielt. Zu jener Zeit war Griechenland der Mittelpunkt der bekannten (westlichen) Welt. In Politik, Wissenschaft und Kultur wurden damals Weichen gestellt, die bis in die Gegenwart hineinragen. Der geniale Stratege Perikles verteidigt so mit seinem Heer nicht nur die Hauptstadt des Großreiches, sondern auch die Demokratie selbst, die sich damals als noch junge Staatsform erstmals etablierte. Der Philosoph Sokrates und der Arzt Hippokrates prägten mit ihrem vernunftgetriebenen Blick auf die Welt die spätere Wissenschaft und die Art und Weise, wie sie betrieben wird. Der Geschichtsschreiber Herodot verfasste das maßgebliche Werk zur damaligen Zeit und setzte damit die Erforschung von politischen und sozialen Zusammenhängen an die Stelle von Göttern, Sagen und Mythen, die zuvor das Weltbild bestimmten.
Spielwelt: größer geht nun echt nicht mehr
Assassin's Creed Odyssey breitet diese Welt einmal mehr vor seinen Spielern aus, wie nur Ubisoft es in einer überbordenden Größe und vor allem innerhalb des kurzen Erscheinungszyklus von gerade einmal einem Jahr kann. Wie schon Origins, das nichts weniger als ganz Ägypten zur Spielwiese erklärte, erschafft Odyssey vor unseren Augen ganz Griechenland mit seinem Festland und der Metropole Athen in dessen Zentrum, dem gesamten Peloponnes mit seinen zerklüfteten Bergen und den zahlreichen griechischen Inseln im Ägäischen Meer, die jede einzelne auf ihre Weise besonders ist – voller vulkanischer Kluften und Schwefeldampf die eine, getränkt in ein malerisches Blumenmeer die andere.
Dass Odyssey damit die Größe von Origins nochmal deutlich übertrifft, mag stimmen, ist dennoch zunächst einmal Zahlenspielerei. Denn ein Großteil seiner Fläche besteht entsprechend aus Wasser. Dennoch ist Odyssey seinem Vorgänger in Gigantomanie mindestens ebenbürtig. Die Detailverliebtheit, mit der die prächtigen Tempel und Statuen der großen Städte entworfen sind, die Erhabenheit der Landschaft beim Blick vom Berg ins Tal oder über die Ägäische See mit ihren zahllosen Inseln, die sich bis zum Horizont erstrecken – das alles zwingt geradezu zum regelmäßigen Innehalten und Staunen. Da nimmt man auch die zwangsweise immer mal wieder generisch wirkenden Wälder, Wiesen und Hügel hin, die angesichts solcherlei Größenwahns kaum zu vermeiden sind.
Das Griechenland von Assassin's Creed Odyssey ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Ägypten von Origins. Manche der Felsen, Palmen und Burgen wurden sogar 1:1 übernommen und lediglich mit einem anderen Farbanstrich übertüncht. Denn Odyssey ist deutlich farbenfroher als Origins: Die Tempel und Gebäude Griechenlands waren zu jener Zeit noch nicht die weißen Ruinen, wie wir sie heute als Touristen sehen, sondern bunt bemalt, und auch die Natur wirkt mit ihren unzähligen Farbtupfern der verschiedensten Blumen und blühenden Bäume freundlicher und abwechslungsreicher als das omnipräsente Sandbraun aus Origins.
Wieder dabei: Seeschlachten
Um die großen Entfernungen auf dem Seewege zurücklegen zu können, holt Ubisoft die Schiffe und damit verbundenen Seeschlachten aus Assassin's Creed IV: Black Flag zurück. Weitestgehend funktionieren sie hier genau wie dort: Statt Kanonen beschießt ihr feindliche Schiffe mit Pfeilen und Speeren, ansonsten ist das meiste, bis hin zu den verträumten Seemannsliedern, genauso wie früher und dient vor allem als spaßiger Appetithappen auf Skull & Bones, in dem Ubisoft demnächst die Seeschlachten zum vollwertigen Spiel ausbaut. Denn auch wenn die Seegefechte ähnlich spektakulär ausfallen wie in Black Flag nehmen sie doch im Gesamtkonzept von Odyssey einen etwas kleineren Stellenwert ein als dort.
Wie schon in dem Piratenabenteuer lassen sich besiegte Schiffe entern und versenken, um die Rohstoffe zu erbeuten. Mit diesen Ressourcen verstärkt ihr euer Schiff nach und nach mit einem stabileren Rumpf oder effektiveren Pfeilen. Durch Nebenquests lassen sich zudem bis zu vier Besatzungsmitglieder anheuern, die aber lediglich diverse Boni auf die Werte eures Bootes geben und keine eigenen Geschichten lostreten wie etwa in Mass Effect.
Kommentarezum Artikel