Test - We Happy Few : Fast genial: Survival-Horror auf Drogen
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Athur Hastings, seines Zeichens Hauptfigur von We Happy Few, ist ein Brite, wie er klischeehafter nicht sein könnte. Mit einem Stock so tief im Allerwertesten, dass selbst seine Höflichkeit vor Demut überschäumt, einem piekfeinen, hochgestochenen Akzent und einer Seelenruhe, die nur ein reines Gewissen speisen kann. Aber was, wenn dieses reine Gewissen gar nicht so unbefleckt ist, wie es scheint, sondern nur eine Fassade darstellt, die durch die Einnahme einer Droge namens Joy bestehen bleibt?
Joy ist eine ziemlich heftige Droge. Ein Halluzinogen, das in der Sicht seines Konsumenten Ratten wie Pinatas aussehen lässt und die Welt in ein vermeintliches Paradies voller Harmonie verwandelt. Es generiert sozusagen rosa Einhörner, die Regenbögen kotzen, selbst wenn Tod und Elend die Realität bestimmen.
Jeder Bewohner des kleinen Landstrichs Wellingten Wells nimmt diese kleinen Pillen in Form von altrosafarbenen Kapseln, denn nur wenn alle gemeinsam der Illusion einer heilen Welt unterliegen, können sie die Wahrheit vergessen. Taten der Vergangenheit, die verschwommen und unbegreiflich scheinen, sind tabu, verschlossen, unerwünscht. Sogar so sehr, dass jede Form der Dokumentation zensiert wird.
Survival im Land der Grinsemasken
Die Zensur von Zeitungsartikeln ist Athurs täglich Brot in diesen frühen 1960er Jahren, bis er eines Tages auf einen Bericht stößt, der ihn aus seiner Routine holt. Hin und her gerissen verweigert er die Einnahme seiner Joy-Tabletten und entflieht gewaltsam aus der vermeintlich heilen Welt, die mit jeder weiteren Sekunde Nüchternheit gruseliger erscheint als zuvor. Ein verlassener unterirdischer Bunker dient ihm als Basis. Von hier aus wagt er mal kurze und mal längere Abstecher in die harte Realität seines Heimatdorfes und der näheren Umgebung. Präsentiert wird sie euch stets aus der Egoperspektive, inklusive eines Tag-Nacht-Zyklus und Indikatoren für Gesundheit und Lebenskraft.
Ein wichtiges Detail, denn Nahrungsmangel, Schlafmangel und allgemeine Unterversorgung sind weit schlimmere Feinde als ein Haufen wilder Dorfbewohner. Letztere erkennen zwar, dass Athur seine Medikation aussetzt – was einem Todesurteil gleichkommt – doch kann man dem wütenden Mob in vielen Fällen aus dem Weg gehen. Manchmal genügt dafür ein Umweg durchs Grüne, ein Andermal muss eine Zeitung als Tarnung an einer Sitzbank herhalten.
Körperliche Bedürfnisse lassen sich dagegen nicht einfach ignorieren. Faulendes Obst oder gammliges Fleisch sind reichlich vorhanden, nur kommt man nach dem Verzehr eventuell nur mit einer Lebensmittelvergiftung davon. Medizin, neue Outfits und Gegenstände zur Verteidigung wollen an einer Werkbank zusammengestellt werden, was wiederum Ressourcen voraussetzt. Da hilft nur plündern, was das Zeug hält. Verlassene Hütten, Postsäulen, Schreibtische und selbst den ekligsten herumstehenden Eimer nehmt ihr aus, in der Hoffnung, Verwertbares darin zu finden.
Athurs teils köstlich witziger, aber auch bemitleidenswerter Wehleidigkeit zum Trotz kommt ihr um Konfrontationen nicht herum. Auf der Suche nach Ressourcen hilft manchmal nur kämpfen bis zum letzten Atemzug, denn die wertvollsten Utensilien tragen Passanten mit sich, und die Rücken sie freiwillig nicht heraus. Ein Abflussrohr oder ein Holzschläger bringen die nötige Überzeugungskraft mit, wenn es hart auf hart kommt. Und je weiter das Spiel fortschreitet, desto abenteuerlicher werden die Verteidigungskonstruktionen, die manchmal eher an die Steinzeit erinnern als an die 60er Jahre.
Die bizarre Realität
We Happy Few ist inhaltlich wie grafisch weit von der Realität entfernt. Dennoch gruselt einen bereits das grafische Detail durch seine versetzte Perspektive. Der verwendete Comicstil erinnert stark an Bioshock Infinite, ebenso wie die Animationen der Darsteller, und der Stil verzerrt die Realität, in der sich Athur bewegt auf ebenso amüsante wie abstoßende Weise. Alles scheint in einer Weise überzeichnet, die unterschwellig Ekel und Unverständnis hervorruft. Dennoch kann man sich am Geschehen kaum sattsehen.
Bezeichnend sind etwa jene Momente, wenn die Darsteller sich eine Joy-Pille reinpfeifen. Alle Bewohner mit hohem Sozialstand tragen weiße Masken, die nur Augen und Mundpartie freigeben. Mit einer Joy-Pille im Kreislauf wird das Verhältnis zwischen dem nun geradezu zwanghaft grinsenden Mund und den großen Pupillen so furchteinflößend wie bei einem schlecht geschminkten Clown.
Aus der entgegengesetzten Sicht ist der Effekt ebenfalls bemerkenswert. Schluckt ihr mit Athur eine dieser Pillen, was manchmal schlicht wegen der patrouillierenden Polizei nötig ist, die euch bei nüchternem Zustand zu Tode prügelt oder von einem Elektroschocker braten lässt, verwandelt sich das muffige Grau des Horizonts in einen rosa Sonnenuntergang, hässliche Blüten auf wilden Gewächsen erscheinen plötzlich in den schönsten Farben und Athur hopst buchstäblich in kindischem Wechselschritt, statt geknickt von einem Ort zum nächsten zu eilen.
Stilistisch ist We Happy Few somit ein Volltreffer. Inhaltlich kommt das leider nicht ganz hin, denn die stetige Wiederholung aus Grindruns und Crafting-Sitzungen ist ziemlich repetitiv. Selbst die einfacheren unter den Puzzles setzen etliche Runden des Abklapperns voraus, bis man endlich den lang ersehnten Gegenstand in der Hand hält.
Ein wenig Abwechslung garantiert der Fertigkeitenbaum, der Talente wie Schleichen oder Verteidigung fördert, sowie der Wechsel zu zwei weiteren Darstellern, doch das Grundgerüst, das die meiste Spielzeit füllt, bleibt leider recht einseitig. Der Survival-Aspekt geht in solchen Momenten leider ein wenig verloren. Spätestens dann, wenn ihr neben den Haupt-Puzzles noch optionale Nebenaufgaben erledigen sollt, fehlt es an einer ausgleichenden Balance. An Spannung fehlt es jedoch nie.
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