Test - Uncharted : Filmkritik: Die erste richtig gute Spiele-Verfilmung?
Gehörst du auch zu denjenigen, die befürchten, sich durch das Lesen von Filmkritiken den Film zu spoilern? Dann hör auf, dir Sorgen zu machen. Über Uncharted gibt es im Grunde nichts zu wissen, dass du nicht ohnehin schon über diese Art von Film weißt oder dir selbst denken kannst, ohne ihn gesehen zu haben. Oder um es in der Rhetorik der Hochglanz-Magazine zu formulieren: Dieser Film könnte dir gefallen, wenn … du auch die Tomb-Raider-Verfilmung mochtest. Oder Indiana Jones noch nie gesehen hast.
Das Filmportal Rotten Tomatoes listet sämtliche 47 bislang erschienen Videospielverfilmungen mit ihrem Metascore vom schlechtesten bis zum besten auf. Auf dem letzten Platz findet sich mit einer geradezu historisch niedrigen Wertung von gerade mal 1% die Uwe-Boll-Verfilmung von Alone in the Dark. Erst auf Platz 39 (Wing Commander) verlässt die Auflistung den einstelligen Metascore-Bereich, und selbst die Top 10 beginnt bei 44% (Final Fantasy: The Spirits Within) noch deutlich unter Mittelmaß. Der erste Film, der es immerhin über die 60er-Hürde schafft, ist Sonic the Hedgehog auf Platz 4. Nur einer (Angry Birds 2) liegt im akzeptablen 70er-Bereich, und der einzige, der sich laut Kritikerspiegel tatsächlich „gut“ nennen darf, heißt Werewolves Within (86%), von dessen Vorlage, dem gleichnamigen VR-Spiel von Ubisoft, vermutlich jedoch die wenigsten Gamer überhaupt je gehört haben. Die verschrobene und tatsächlich ganz sehenswerte Phoenix-Wright-Verfilmung von Takashi Mike taucht in der Liste von Rotten Tomatoes übrigens leider nicht auf, vermutlich weil er im Westen hauptsächlich nur auf Festivals zu sehen war.
Irgendwo in dieser Liste aus Belanglosigkeiten wird sich demnächst auch Uncharted einfinden, vielleicht zwischen Warcraft auf Platz 17 und Silent Hill auf der 16, vielleicht auch zwischen Rampage (Platz 7, Metascore: 51%) und Tomb Raider (Platz 6, Metascore: 52%) oder sogar zwischen Sonic und Pikachu auf Platz 3. Ihr seht, es ist im Grunde auch egal, denn wenn wir eines Tages diese Liste vergessen haben und stattdessen über diesen einen Film reden, den wir alle als die erste richtig gute Videospielverfilmung in Erinnerung haben, dann wird dieser Film nicht Uncharted gewesen sein.
Legacy of Thieves
Bevor wir uns dem Film widmen, rufen wir uns mal eben schnell ins Gedächtnis, wofür die Uncharted-Spiele stets standen, und zwar erzählerisch, nicht spielerisch. Uncharted, das war immer großes Abenteuer-Kintopp von markigen Kerlen und taffen Frauen auf Schatzsuche rund um den Globus, mit frotzeligen Sprüchen und hanebüchener Action, in deren Nachladepausen es auch mal dezent menschelte.
Die Geschichte selbst stand dabei nie sonderlich im Vordergrund. Mal Hand aufs Herz: Bei Indiana Jones waren es die Bundeslade, der heilige Gral und dieser Kristallschädel. Aber in Uncharted? Da gab es mal was mit dem Vermächtnis von Frances Drake, aber abgesehen davon – wisst ihr noch, welches mystische Artefakt es in den einzelnen Spielen zu finden galt? Oder wie die Bösewichte hießen? Ich selbst weiß ehrlich gesagt nicht einmal mehr, wie sie aussahen.
Stattdessen können wir uns alle ganz genau an die Eröffnungsszene in dem hängenden Zug an einer Klippe aus Teil 2 erinnern oder den Sturz aus dem Flugzeug in Teil 3, das brennende Haus, das einstürzt, während wir uns selbst noch darin befinden, oder die Frotzeleien zwischen Nate und Sully, Nate und Chloe und sowieso: Nate und Elena und wie sie am Ende von Teil 4 auf der Couch zusammen Crash Bandicoot spielen.
Die Geschichten der Uncharted-Spiele waren niemals sonderlich raffiniert konstruiert oder so akurat recherchiert wie etwa die Indiana-Jones-Abenteuer, dennoch fungieren sie als Musterbeispiel für die Essenz ganz, ganz großer Videospiel-Erzählkunst. Die Uncharted-Spiele inszenieren Szenen und Momente, nicht Handlungsbögen, sie handeln von völlig überkandidelter Over-the-top-Action hanebüchener Widrigkeiten, aber eben auch von den Menschen, die diesen ausgesetzt sind.
Keinem Entwicklerstudio gelingt es so meisterhaft wie Naughty Dog, die kurzen Zwischensequenzen, die Videospiele ihren Autoren zum Erzählen der Geschichten zugestehen, erzählerisch maximal effektiv zu nutzen nicht nur um das nächste Missionsziel zu erklären, sondern auch die Spielfiguren, die dorthin aufbrechen, als echte Menschen erscheinen zu lassen.
Wenn Nate in einer Szene von Uncharted 2 für einen kurzen Moment dankbar nach Sullys Hand greift und sich die beiden plötzlich peinlich berührt in ihrer Bromance ertappt fühlen, sagt das in gerade mal zwei Sekunden und vollkommen ohne Worte so unfassbar viel mehr über die Persönlichkeit und Freundschaft dieser beiden Menschen aus, als es andere, weniger talentierte Entwickler in minutenlangen Dialogen darlegen könnten.
Im Grunde ist Uncharted damit prädestiniertes Hollywood-Kino: Überkandidelte Action gehört schließlich schon seit Buster Keaton zur Königsdisziplin der Traumfabrik und schweißte in den Buddy-Movies der 80er und 90er schon die seltsamsten Paare von Mel Gibson bis Danny Glover zu unzertrennlichen Männerfreundschaften zusammen. Nur beim Versuch, Indiana Jones nachzueifern, biss sich Hollywood seither die Zähne aus, egal ob in Gestalt von Michael Douglas, Nicolas Cage, Brandon Fraser, Richard Chamberlain oder, naja, erinnern wir uns der Vollständigkeit halber noch an Angelina Jolie, Noah Wyle oder, hüstel, Tia Carrere. Es ist jedenfalls bezeichnend, dass die Filmdatenbank Imdb unter ihrem Eintrag von Indiana Jones keinen einzigen dieser Filme zum Vergleich heranzieht, sondern stattdessen genreferne Werke wie Star Wars, Zurück in die Zukunft oder gar Alien, Terminator und Jurassic Park. Und noch mehr Listen, auf denen Uncharted in ein paar Jahren in Vergessenheit geraten sein wird.
Barcelona oder Venedig – Hauptsache Italien
Das erste Uncharted-Spiel war seinerzeit eine modernisierte Neuinterpretation von Tomb Raider, das wiederum der Versuch einer Videospielumsetzung von Indiana Jones war, der als postmoderne Hommage an die B-Film-Abenteuerserien der 30er Jahre gedacht war. Diesen Kreis sich nun erneut mit einer Verfilmung schließen zu lassen, kann nur glücken, wenn er sich dieser eigenen Tradition bewusst ist und ihr daraus neue Facetten abgewinnt, um zu vermeiden, dass er als Durchschlag der Kopie einer Kopie einer Kopie nur noch unscharf zu erkennen ist.
Uncharted – Der Film erzählt gewissermaßen die Origin-Geschichte der Spiele, in der ein noch grünschnäbeliger Nathan Drake von seinem späteren Mentor Sully auf sein erstes großes Abenteuer mitgenommen wird: auf die Suche nach dem Schatz von Magellan, des ersten Weltumseglers. Der Rest ließe sich weitgehend zusammenfassen, indem man die Handlung von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug wiedergibt und dabei nur ein paar Begrifflichkeiten austauscht: Barcelona oder Venedig, Hauptsache Italien. Statt von einer blonden Nazi-Kollaborateurin wird das Duo von einer brünetten Meisterdiebin hintergangen, und statt Henry Jones’ Tagebuch liefert das Notizbuch von Nates Bruder Sam die Bilderrätsel für die Schnitzeljagd. Selbst die Szene zwischen Indy und seinem Vater am Abgrund, in der schließlich Vernunft und Menschlichkeit über die Gier obsiegen, erhält in der Uncharted-Verfilmung ihre einfallslose Entsprechung.
Da die Panik vor Spoilern offenbar zu den Marotten des Internets gehört, werde ich nicht mehr davon erwähnen, nur das, was ohnehin schon im Trailer fast vollständig zu sehen ist und noch dazu die vermutlich mit Abstand beste Szene des Films bildet: genau die überkandidelte Actionsequenz, die auch schon den spektakulären Höhepunkt im Spiel Uncharted 3 bildete, als Nate sich einen haarsträubenden Shoot-out mit seinen Häschern liefert, während er ohne Fallschirm aus einem Flugzeug stürzt.
Diese Szene (und vielleicht noch die mit dem Schiff) zeigt, welch hemmungslos verspielte Actionsause Uncharted vielleicht hätte werden können, wenn die Macher ihrer Fantasie nur mal die Handbremse gezogen hätten wie dem Mercedes-Oldtimer in besagter Szene und weniger verbissen an die Sache herangegangen wären. Statt den Charakteren mit unbekümmertem Augenzwinkern die Bühne zu ebnen, lassen sie sie schwülstige Reden über Vertrauen und Teamwork aufsagen, die sich endlos im Kreis drehen. Allein, dass Sully anfangs drei Anläufe benötigt, um Drake zu überreden ins Abenteuer aufzubrechen, zeugt von dieser dramaturgischen Unbeholfenheit, die regelmäßig in erzählerischen Leerlauf mündet. Besonders schade ist das, weil Regisseur Ruben Fleischer mit Zombieland eigentlich gezeigt hat, dass er genau diese rotzfreche Verschmitztheit aus dem Effeff beherrscht, die er hier offenbar als reiner Erfüllungsgehilfe fürs Auftragsdrehbuch nicht ausleben konnte.
Rise of the Tomb Raider
Überhaupt ist wahrscheinlich jedem Fan der Spiele erstmal schleierhaft, wie ein halbes Hähnchen wie Tom Holland für die Rolle eines kernigen Haudegens wie Nathan Drake besetzt werden konnte, dessen Figur in den Spielen schon allein durch seine kantige Physis spürbar Kontur erhält, während Hollands Statur selbst mit antrainierten Muskeln und Sixpack noch aussieht wie ein Ampelmännchen beim Cosplay. Die Montagesequenz, in der er quasi über Nacht durch etwas Bodybuilding vom schmalbrüstigen Barkeeper und Taschendieb zum mit allen Wassern gewaschenen Abenteurer mutiert, wirkt zudem erzählerisch so holterdipolter, dass selbst ein radioaktiver Spinnenbiss die glaubwürdigere Erklärung für seine Initiation geliefert hätte.
Nichtsdestotrotz ist Tom Holland als Schauspieler viel zu versiert und sympathisch, um ihm diesen jungen Nathan Drake nicht doch irgendwann irgendwie abzunehmen. Denn bei näherer Betrachtung waren sich der Uncharted-Held und Hollands Peter Park trotz ihrer offensichtlichen physischen Unterschiede schon immer ähnlicher, als es auf den ersten Blick scheinen mag: Beide stolpern sich durch ihr Abenteuer eigentlich mehr unbedarft und blauäugig durch, als dass sie es mit kühlem Kopf meisterten. Nathan Drake war seinen Situationen stets nur als Spielball ausgesetzt statt sie zu dominieren und absolvierte sie eher mit dem Glück des Tüchtigen wider aller Wahrscheinlichkeit und nicht als Herr der Lage. Genau diesen Widerspruch verkörpert Holland mit seiner Darstellung durchaus charmant. Nichtsdestotrotz erweckt Uncharted in jeder Szene eine Vorstellung davon, welcher Film uns mit Indiana Jones 5 vermutlich geblüht hätte, hätte damals Shia LaBeouf tatsächlich nach Teil 4 den Staffelstab von Harrison Ford in die Hand genommen.
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Antonio Banderas hingegen wird in seiner blassen Darstellung wohl weniger als markanter Bösewicht in Erinnerung bleiben, sondern allenfalls für die einzig völlig unvorhersehbare Szene des Films, und Mark Wahlberg verkörpert seinen Sully zwar mit souverän schroffer Überheblichkeit und doppelzüngiger Verve, doch gesteht das Drehbuch den Protagonisten nur selten die nötige Chemie zu, um glaubhaft zu vermitteln, dass sie wie in den Spielen nie so ganz sicher sein können, ob sie einander nicht doch eher Antagonisten sind.
Wenn dies dennoch gelingt, findet der Film zu einigen seiner besten Momenten, etwa wenn Nate und Chloe sich im Kräftemessen des gegenseitigen Misstrauens in schwindelerregende Höhen aufschaukeln oder die Schatzsuche regelmäßig zu scheitern droht, weil Selbstsucht und Gier der Anti-Helden die Oberhand gewinnt. Doch leider belässt es der Film in solchen Szenen meist beim Moment und lässt ihn klanglos verpuffen – im Fall eines den ganzen Film über für den Knalleffekt im Finale aufgebauten Running-Gag sogar ziemlich wörtlich. Selbst der heroische Moment, in dem die aus den Spielen bekannte musikalische Fanfare verkündet, dass Nathan soeben endlich vom diebischen Barkeeper zum gestandenen Tomb Raider herangereift ist, geht fast spurlos im allgemeinen Getöse unter, ohne den beabsichtigten emotionalen Effekt auslösen zu können.
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