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Special - That Dragon, Cancer : Spielbarer Schicksalsschlag

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Christian Gürnth

Das Grauen, sein eigenes Kind zu Grabe tragen zu müssen – für keinen Vater und keine Mutter der Welt dürfte es eine schlimmere Vorstellung geben. Und doch müssen Menschen durch Unfälle und Krankheiten diese schreckliche Erfahrung machen. Ryan und Amy Green sind zwei dieser Menschen. Ihr Sohn Joel starb an Krebs. That Dragon, Cancer ist ein Liebesbrief an ihren Sohn und zugleich ein Offenlegen der innersten Gefühle, die eine Familie in so einer schweren Zeit durchmacht.

Als Ryan und Amy ihr Projekt auf Kickstarter vorstellten, ging es mir persönlich nie darum ob die Grafik stimmt, es gutes Gameplay bietet oder ob es unterhält. Mir ging es darum, dass zwei Menschen ihre Erfahrungen öffentlich teilen möchten und es gegebenenfalls eine kathartische Wirkung auf sie hat.

In That Dragon, Cancer begleite ich die Familie durch unterschiedliche Szenerien. Ich erlebe sie am See, spiele Voyeur, wenn sie über Behandlungsmethoden und Heilchancen sprechen. Zwischen den langsamen, sich Zeit lassenden und stellenweise beklemmenden Point-&-Click-Passagen werde ich Zeuge, wie Ärzte die Familie mit negativen Situationen konfrontieren und diese immer mehr mit Sorgen und Ängsten zurechtkommen muss.

Durch zahlreiche Audioaufnahmen und echte Mailbox-Nachrichten merke ich schnell: Kraft beziehen Ryan und Amy vor allem aus ihrem Glauben, aus Gott. Mir persönlich gibt dieses Element nicht viel, allerdings wird auch der Glaube selbst hinterfragt. Doch darum geht es gar nicht, denn der Kern des Ganzen ist die reale Härte, die eine Familie trifft und mit der die Greens als Elternteile umzugehen lernen.

Während des Spielens treffe ich zudem auf viele Einzelschicksale der Kickstarter-Geldgeber. Einige von ihnen durften beispielsweise für Verstorbene Karten ausfüllen, die es ins fertige Spiel geschafft haben. Ich ertappe mich dabei, wie ich mir über die Grüße hinweg die jeweiligen Schicksale dahinter vorstelle, ausmale und in eine Melancholie falle, die selbst ein Walther von der Vogelweide, ein Christian Morgenstern oder ein Friedrich Nietzsche nicht hätte „schöner“ beschreiben können.

Im Endeffekt ist der Titel ein schön erzählter und in viele kleine Abschnitte unterteilter Liebesbrief an Joel, eine herzzerreißende und -erwärmende Zusammenfassung des Green'schen Familiendramas sowie der Beweis, dass Spiele gar keine Spiele sein müssen, um irgendwie zu funktionieren. Die rund drei Stunden, die ich mit der Geschichte der Greens verbringen konnte, werde ich jedenfalls so schnell nicht vergessen.

Danke.

Postskriptum: Auch andere Menschen sprechen, angetrieben durch That Dragon, Cancer, derzeit in Blogs und Co. über ihre eigenen Krebs- sowie andere Krankheitserfahrungen. Einer davon ist der ehemalige Spielejournalist Volker Dohr. That Dragon, Cancer ist auf Steam für rund 15 Euro erhältlich.

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