Test - Star Wars: Squadrons : Der VR-Knüller des Jahres
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Wie lange warten Star-Wars-Fans jetzt schon auf einen spirituellen Nachfolger von X-Wing vs. TIE Fighter? Nicht halb so lange wie auf ein Spiel, bei dem EA die Krieg-der-Sterne-Lizenz mal richtig ordentlich verwurstet, aber beides fühlt sich nach Ewigkeiten an. Augenscheinlich hat das Warten nun ein Ende, denn Star Wars: Squadrons könnte der Start einer fantastischen Reise in eine weit, weit entfernte Galaxis sein.
Star-Wars-Fans finden immer etwas zum Mäkeln, und auch Squadrons ist keineswegs perfekt. Aber verdammt, das Gesamtergebnis ist dermaßen stimmungsvoll und spielspaßschwanger, dass man schon ein arger Miesepeter sein muss, um nicht mit Haut und Haaren eingesaugt zu werden. Rein ins Cockpit, aus dem Hangar düsen, den Weltraum durchfliegen, Jäger abballern, Fregatten und Sternzerstörer vernichten. Was kann es im Evangelium nach Lucas Schöneres geben?
Eins steht jedenfalls fest: Fans der Sternensaga brauchen inzwischen dringend ein VR-Headset. Sowohl Vader Immortal als auch Squadrons vermitteln durch die virtuelle Realität ein dermaßen immersives Erlebnis, dass man ohne Reue Stunden am Stück unter dem Equipment verbringt. Klar, Squadrons bereitet auch an einem normalen Monitor ohne VR-Brille Spaß. Xbox-Spieler haben ja ohnehin keine andere Wahl, als am Fernseher in die Schlacht zu fliegen. Doch ohne VR-Brille entgeht ihnen etwas. Selten waren PlayStation-Jünger und PC-Veteranen so im Vorteil wie hier, PSVR, Oculus Rift, HTC Vive und Valve Index sei Dank.
Warum VR ein Game-Changer ist
Der Vorteil der virtuellen Rundumsicht manifestiert sich durch zweierlei Faktoren. Einerseits ist man mittendrin, statt nur dabei, egal ob man im Hangar eines Kreuzers steht, ob man den Missions-Briefings lauscht oder im Cockpit eines Raumjägers sitzt. Eine Außenansicht steht während der Flugmissionen sowieso nicht zur Verfügung, die Kamera verweilt also immer in der Egoperspektive des Piloten, daher bietet nur VR eine umfassende Sicht auf Pilotenkanzel und Umgebung. So banal dieser Aspekt auch sein mag, er wirkt vollumfänglich, wenn man mit hoher Geschwindigkeit in den Graben einer Raumstation düst oder dicht an der Oberfläche eines Asteroiden entlangfliegt. Die vermittelte Dynamik ist der Wahnsinn!
Was uns zum anderen Vorteil der VR-Brille bringt: In der Schlacht kann man feindliche Jäger mit einer einfachen Kopfbewegung im Auge behalten, man kann die Orientierung bewahren und intuitiv entgegensteuern. In Dogfights unbezahlbar. Daran ändert der per Knopfdruck auslösbare Schwenk des Pilotenkopfes, der auch Monitor-Piloten zur Verfügung steht, leider nichts, denn der wäre im laufenden Feuergefecht viel zu umständlich auszuführen. Auch so ist der Fliegerass-Alltag schon komplex genug - mehr dazu später.
Eve: Valkyrie bewies schon vor Jahren, wie vorteilhaft intuitive Rundumsicht in einer Raumschlacht sein kann. Allerdings ist der Vorsprung gegenüber Monitor-Spielern bei Star Wars: Squadrons noch heftiger. Das liegt an der Beschaffenheit der Jäger. Während Eve: Valkyrie grundsätzlich offen gestaltete Cockpits zeigt, deren Glaskanzeln eine Rundumsicht in beinahe jede Richtung gewähren, ähneln X-Wings und TIE-Fighter eher Jagdflugzeugen und Bombern aus dem Zweiten Weltkrieg sowie nachfolgenden Erd-Epochen.
Der Stammflieger der Rebellen (beziehungsweise der Neuen Republik, denn wir befinden uns in einer Ära nach der „Rückkehr der Jedi-Ritter“) ermöglicht beispielsweise freie Sicht nach oben, verriegelt mit seinen Instrumenten und Bedienelementen aber alles, was unterhalb des Sichthorizonts liegt. TIE-Fighter gewähren dagegen nur eine Sicht, die man am besten mit einer Taucherglocke vergleichen kann. Der Blick nach vorn erscheint gut, aber um den Piloten herum winkt nur der Anblick von kaltem Metall. Und genau da kommt die VR-Brille ins Spiel, denn selbst der enge Ausschnitt des TIE-Fighter-Cockpits gewährt ein wenig mehr Sichtfeld, wenn man sich in VR schlicht ein wenig nach vorne lehnt und um die Ecke schielt.
Kein Arcade-Flieger
Kurzum: Die VR-Erfahrung von Star Wars: Squadrons ist immersiv, trägt dem Spielspaß bei und verkommt nicht eine Sekunde lang zum Gimmick. Aber sie wäre wenig wert, wenn das Grundgerüst des Spiels nichts taugte. Letztendlich ein Trost für Xbox-Spieler, die darauf vertrauen können, dass EAs Dogfight-Simulator auch jenseits teuren Zusatzequipments Stärke beweist. Wobei ein guter Flightstick ebenfalls was kostet, und der schadet bestimmt nicht, selbst wenn die Joypad-Steuerung sich als tauglich erweist.
Squadrons vermittelt keine Arcade-Dogfights wie einst die Rogue-Squadron-Serie von Factor 5. Stattdessen steht es voll und ganz in der Tradition der Klassiker X-Wing und TIE Fighter aus Zeiten von MS-DOS und Lucas Arts - und fällt sogar spielerisch nicht ganz, aber doch ähnlich anspruchsvoll aus. Ständiges Jonglieren der Energiereserven etwa ist unumgänglich, da Antrieb, Waffen und Schilde nur dann maximale Leistung zeigen, wenn man den anderen Systemen Energie abzwackt.
Die genannten drei Systeme eines Jägers funktionieren grundsätzlich jederzeit, müssen jedoch nach intensivem Gebrauch erst eine Weile aufladen. Wer viel (daneben) ballert, saugt also die Reserven seiner Laserkanonen blitzschnell leer. Natürlich darf man wieder neue Lasersalven feuern, wenn der Energiebalken ein wenig gefüllt ist, doch reicht das dann nur für wenige Schüsse, mit denen man die Panzerung eines Gegners so gut wie nie durchbricht. Leitet man Energie von den Schildgeneratoren und dem Antrieb zu den Kanonen ab, lädt das Waffensystem erheblich schneller. Praktisch, solange man damit leben kann, dass Turbo-Boost und Schildreparatur derweil im Schleichtempo regenerieren.
Diese Regelung genügt für sich allein schon für ein taktisches Grundgerüst, das die Balance der Kräfte zwischen Jäger und Gejagten maßgeblich beeinflusst. Doch das war noch lange nicht alles. Schilde vom Bug auf das Heck verlagern, den Astromech-Droiden zu Reparaturen veranlassen, anfliegende Torpedos durch Heck-Granaten ablenken, Angriffsgeschwindigkeit regeln und Funk-Befehle an die eigene Fliegerstaffel abgeben lenken bisweilen heftig vom Schlachtgeschehen ab, sind aber abhängig von Spielmodus essenziell. Der Anflug auf einen Sternzerstörer im Multiplayer-Modus gleicht ohne viele dieser manuellen Anpassungen einem Selbstmordkommando.
Entwickler Motive Studios trifft die Balance zwischen Anspruch und Zugänglichkeit hervorragend. Bestes Beispiel dafür wären die Schlachtarenen. Sie sind in allen drei Dimensionen großzügig angelegt, damit die hohe Fluggeschwindigkeit ausgereizt werden kann, bieten jedoch immer genügend optische Anhaltspunkte zur Orientierung. In der ferne funkeln Planeten inklusive Ringe, Nebel und Wolken entfesseln ein exotisches Farbspiel. Einzig das Sternenfeld des weiten Weltraums wirkt leider etwas generisch, zu flach und in VR zudem etwas unscharf.
Überhaupt hinterlässt Squadrons als Endprodukt einen weit besseren Eindruck als die Trailer uns vorab glauben ließen. Handwerklich überzeugende Texturen sowie Licht- und Schattenspiel verleihen großen Objekten wie etwa imperialen Sternzerstörern die nötige Skala. Wobei diese Skala nicht ganz hinhaut, wie man an den Fenstern und Luken prima erkennt. Die großen Raumschiffe der beiden Parteien scheinen alle auf ein Dreiviertel ihrer Kanon-Größe heruntergeschrumpft worden zu sein. Womöglich, um einen Anflug auf eben solche nicht zu lange zu gestalten.
Mehr Kampagne als Multiplayer
Die größte Überraschung des fertigen Produkts dürfte der starke Fokus auf die Kampagne sein. 14 Kapitel beleuchten auf Seiten beider Parteien einen Handlungsstrang, der kurz nach der Schlacht von Endor stattfindet. Kanonerschütternde Ereignisse fehlen und besonders spannend ist die Mär zwar nicht, aber sie kommt erfreulicherweise prima ohne gut gemeinte und schlecht gemachte Cameo-Auftritte bekannter Figuren aus. Durch glaubwürdig modellierte Sets und authentische Alienrassen hält ordentliche Star-Wars-Stimmung Einzug.
Mit einigen der Fliegerkollegen darf man sich sogar abseits der Briefings unterhalten. Hmm, dieser Satz klingt irgendwie falsch. Richtig muss es heißen: Eure Kollegen predigen Monologe zur aktuellen Lage und Stimmung der Mannschaft, während ihr vor ihnen steht. Echte Interaktion oder Einflussnahme, womöglich sogar auf Missionsentscheidungen, wären das i-Tüpfelchen für die Immersion gewesen, was die anfänglich spürbaren Wing-Commander-Vibes verwässert.
Die sieben bis acht Stunden, die für die Kampagne benötigt werden, sind für ein Spiel von lediglich 40 Euro mit starkem Multiplayer-Fokus durchaus beachtenswert, doch zeigt sich daran die Kluft zwischen Squadrons und Klassikern wie X-Wing und TIE Fighter am deutlichsten. Dem Missionsportfolio mangelt es keineswegs an Abwechslung, zumal die bekanntesten und beliebtesten Jägertypen bei beiden Parteien bereitstehen, vom TIE-Interceptor über den X-Wing bis zu Bombern und Spezialfliegern wie dem U-Wing, dennoch fungieren sie natürlich in erster Linie als riesengroßes Tutorial für den Mehrspieler-Modus.
Das wäre alles halb so wild, wenn denn mehr Multiplayer-Varianten zur Verfügung stünden. Es gibt nur zwei, nämlich das klassische Team Deathmatch sowie Flottenkämpfe, die wahlweise in Kooperation mit bis zu fünf Freunden ausgetragen werden dürfen - auch gegen die KI. Flottenkämpfe unterliegen einem interessanten System, bei dem jede Partei drei Basisschiffe auffährt und Jäger ausschickt, die den Schlachtverlauf bestimmen. Die aktuelle Moral einer Partei bestimmt, ob sie die eigenen Schiffe verteidigen muss oder zum Angriff übergehen darf.
Stärken und Schwachen der jeweiligen Parteien kommen dabei gut zur Geltung. Die Rebellen verfügen über starke Jäger mit Schutzschilden, aber nur über Fregatten, die man mit einer Wasserpistole aus der Galaxis sprengt. Auf Seiten des Imperiums fliegen hingegen TIE-Fighter ohne Schilde, während Sternzerstörer nahezu uneinnehmbare Festungen darstellen und schwersten Attacken standhalten.
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