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Special - Homosexualität : Von YouTube-Stars und Spieleredakteuren

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Männer lieben Frauen. Frauen lieben Männer. Aber was, wenn Männer Männer lieben? Oder Frauen Frauen? Sind Liebe und Leidenschaft verwerflich, nur weil sie von der Norm abweichen? Und was ist die Norm? Die Norm wird von der Gesellschaft festgelegt. In diesem Fall vor Tausenden von Jahren. Doch welchen Wert besitzt so eine alte Norm? Würden wir unsere moralischen und gesellschaftlichen Normen nicht gelegentlich überdenken, würden wir mit unseren Familien noch immer Rehe jagen und diese in unserer Höhle über Feuerstellen braten. Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Der Mensch entwickelt sich. Gut so. Doch wo sich der Mensch als Wesen verändert, verändert er sein Wesen nur schwer. Die Spielebranche bildet da keine Ausnahme.

(Anmerkung: Dieser Artikel wurde erstmals am 10. März 2014 veröffentlicht. Passend zu den aktuellen Ereignissen stellen wir ihn heute nochmals auf unsere Startseite.)

Vielleicht sollte man Norm in diesem Fall durch Gewöhnlichkeit ersetzen, um Menschen zu erklären, dass es um gesellschaftliche Akzeptanz geht, die Homosexuelle haben wollen. Es soll zur Gewöhnlichkeit werden, wenn sich Männer im Park küssen oder Frauen in der Stadt Händchen halten. Wieso haben viele Menschen anscheinend ein Problem mit Homosexualität? Als sich Thomas Hitzlsperger vor einigen Wochen zu seinen sexuellen Vorlieben bekannte, war der Aufschrei mancherorts groß. „Ein Fußballer? So ein maskuliner Sport! Und dann treibt er es mit Männern?“ Solange man sich outen muss, ist Homosexualität ein Tabuthema und keine gesellschaftliche Gewöhnlichkeit. Gewöhnliches outet man nicht. Gewöhnliches ist für den Außenstehenden uninteressant und steht nicht zur Diskussion.

Als diese Diskussion über Homosexualität und die Vorbildfunktion von Prominenten in den Medien aufkam, drängte sich uns die Frage auf, wie es eigentlich in der eigenen Szene ist. Die Spielebranche ist von außen betrachtet ein Mikrokosmos, in dem jeder Mensch seinen Platz finden kann. Doch wie sieht es im Inneren der Branche aus? Wie offen sind Spieler wirklich und wie erleben Homosexuelle den Gaming-Alltag? Wir sprachen mit PR-Managern, YouTube-Stars und Spieleredakteuren. Einige von ihnen stehen offen zu ihrer Homosexualität, andere halten ihre sexuelle Orientierung aus der Öffentlichkeit heraus.

Aller Anfang ist schwer

Frank* ist Anfang 20, betreibt einen YouTube-Channel mit knapp sechsstelliger Abonnentenzahl und steht auf Kerle. Allerdings will er nicht, dass seine Abonnenten davon erfahren. Warum? „Weil durch die anonymisierte Internet-Welt zu viel ungefilterter Hass in YouTube-Kommentare gespült werden kann. Zudem will ich nicht, dass mich meine Abonnenten über Sexualität definieren. So lange werde ich den YouTube-Kram sowieso nicht mehr machen, da möchte ich keine unnötige Konfrontation!“

Anders sieht es Daniel Matschijewsky, der auf YouTube als JokerfaceDE unterwegs ist. Der ehemalige Spieleredakteur der Gamestar bekam nie Anfeindungen zu spüren und sagt: „Als ich mich erst in der Redaktion und dann offen über Facebook sowie andere Social-Media-Kanäle in der Branche und bei den Lesern geoutet habe, erfuhr ich rundum positives Feedback. Probleme oder gar Anfeindungen gab es bis heute nie.“ Zum Teil zustimmen kann da André Kremer.

André ist TV-Redakteur und arbeitete unter anderem für MTV an der Dokumentation "MTV AAA: Digital Heroes". „Wenn wir von der Spielebranche reden, kann ich da nix Negatives sagen!“, so der 34-Jährige. „Ich gehe selber sehr offen mit meiner sexuellen Orientierung um und habe innerhalb der Games-Branche (wie allgemein in der Medienwelt) nie negative Reaktionen erlebt.“ Anders als in Online-Communitys, denn, so André weiter, „was Netzgemeinschaften angeht, ist die Lage eine vollkommen andere. In Ego-Shootern erfährt man online ja nicht nur, wer alles gerade mal wieder die eigene Mutter gefickt hat, sondern auch Worte wie Faggot und Gay werden inflationär in einem absichtlich negativen Kontext rausgeschleudert, als gäbe es kein Morgen mehr. An dieser Stelle wird oft und gerne darauf hingewiesen, dass Jugendliche diese Worte ja in einem anderen Kontext benutzen, allerdings halte ich diese Argumentation für extrem gefährlich und geradezu abartig.“

Nur positiv oder negativ

Mit Sebastian Weber (ehemals PC Games, jetzt freier Autor) fand sich ein Redakteur, der sich intensiv mit den Kommentaren in Video- und Spieleforen auseinandergesetzt hat: „Ich glaube, dass sich in Online-Communitys generell eher Leute mit extremen Meinungen zu Wort melden, entweder in die positive Richtung des Themas oder in die negative. Das sieht man ja bei allen Diskussionen um Testwertungen oder Ähnliches.

Das Gleiche trifft schließlich auch auf die Frage nach der sexuellen Orientierung zu. Nach dem Hitzlsperger-Outing meldeten sich in den verschiedensten Kommentarbereichen natürlich immer wieder diejenigen, die mit fadenscheinigen Argumenten versuchten darzulegen, warum Homosexualität den Untergang des Abendlandes einläuten müsse. Auf der anderen Seite tummeln sich in solchen Communitys aber auch genug liberal eingestellte User oder vielleicht sogar selbst Betroffene, die sich aber nicht unbedingt zu Wort melden.“

Was viele der Befragten, so auch Games-PR-Mann Markus*, machen, ist die offene Konfrontation bei Beleidigungen in Online-Spielen. Markus: „Wenn fremde Mitspieler meinen Charakter als „schwul“ bezeichneten, habe ich nur geantwortet – „Klar, so wie ich!“ und entweder führte das zu einem /leave group oder zu einem „Oh, sorry, so war das nicht gemeint!“ Nach meiner Einschätzung sind es vor allen Dingen jüngere Spieler, die wie im echten Leben auch keinen Umgang zu einer homosexuellen oder lesbischen Person hatten (Freunde, Verwandte, Nachbarn, Sportverein etc.) und aus Unwissenheit „das Fremde“ eben abfällig sehen oder gar fürchten. Ich mache da niemandem einen Vorwurf draus, sondern versuche direkt und offen den offensichtlichen Fragen und Vorurteilen zu begegnen.“

Eigentlich war dieser Text als allein stehender Artikel geplant. Dann bekamen wir die ersten ausgefüllten Interviews und trafen uns mit Spielern. Schnell wurde klar, dass auch die spannenden Gespräche gelesen werden sollten. Nun folgen die reinen Interviews, in denen sehr viele gute Gedanken und stellenweise recht viel Wut zwischen den Zeilen stecken.

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