Test - Prim : Test: Charme wie ein Tim-Burton-Film in den besten Zeiten
- PC
Wir spielen die namensgebende Prim – eine aufgeweckte Sechzehnjährige und die leibliche Tochter des Todes. Nach dem Ableben unserer menschlichen Mutter hat uns dieser in seinem Reich in die Obhut genommen, was Prim natürlich gar nicht gefällt. Kein bekanntes soziales Umfeld, und noch dazu versteht der Sensenmann so überhaupt nicht, dass Schaukelpferde zum Beispiel kein Spielzeug für Teenager sind.
In den ersten Tutorial-artigen und räumlich begrenzten Abschnitten lernen wir Grundlegendes über die genretypisch einfache Steuerung: Hotspot-Anzeige und ein mitschreibendes Tagebuch gibt es natürlich. Recht bald bekommen wir auch ein Spinnenauge als zusätzlichen Helfer. Den kleinen Arachniden können wir zum Beispiel in entlegene Gegenden schicken und so dort Rätsel lösen lassen, wo Prim gerade nicht hinkommt. Das Ganze erinnert ein wenig an die Geister-Fähigkeiten aus Haunted oder den Fledermaus-Sidekick Froderick aus dem Vampir-Adventure A Vampyre Story – ein atmosphärisch passender Weg, der mehr Kreativität bei der Rätselgestaltung erlaubt.
Prim-Faktoren: gute Rätsel, zauberhafte Bildsprache
Wie sind sie denn nun, die Puzzles? Aus unserer Sicht gelungen – das Entwicklungsteam hat sich entschieden, nicht mit Hinweisen auf mögliche Lösungswege zu sparen. Meistens genügt ein gründliches Umschauen oder ein Gespräch, um auf die richtige Fährte zu kommen. Ebenfalls gelungen: Die allmählich zunehmende Komplexität der Rätsel, die mehr und mehr Gegenstände und Schauplätze miteinander verbinden. Ohne zu viel zu verraten: Unsere Abenteuer beschränken sich alsbald nicht mehr nur auf Prim und ihre Erfahrungen im Jenseits, sondern einen gelegentlichen Wechsel der Spielwelt und der handelnden Personen. Sollten wir wirklich stecken bleiben, lassen sich im Tagebuch auch explizite Hinweise und Lösungen anzeigen.
Bereits ein flüchtiger Blick auf die Screenshots zeigt die sehr individuelle Bildsprache – schwarz-weiße Zeichnungen, die an Tim Burton (The Nightmare before Christmas) erinnern. Diese Einschränkung (mit ganz wenigen Ausnahmen) hat der Titel nicht nur angenommen, sondern bravourös gemeistert. Auch in Bewegung und im tatsächlichen Spiel büßen Dies- und Jenseits nichts von ihrem leicht morbiden Charme ein. Kleine Kamera-Bewegungen und passende Animationen untermalen das – auch wenn natürlich an der ein oder einen anderen Stelle offensichtlich wird, dass die Entwickler mit dem Budget haushalten mussten.
Ebenfalls ein toller Beitrag zum Spielerlebnis ist die akustische Untermalung mit ordentlich geschriebenen und auf englisch und deutsch sauber vertonten Gesprächen. Wer unbedingt mäkeln will: An einigen Stellen muss relativ viel an Handlung und handelnden Personen auf einmal erklärt werden, so dass übermäßig Zeit fürs passive Rühren im Echtweltkakao bleibt. In der Summe haben die Gespräche aber eine inhaltliche Souveränität und etliche Momente, die wirklich schmunzeln lassen.
Natürlich, das Pausenraum-/Schulhof-Lauffeuer des Monkey Island‘schen „Wie passend, du kämpfst wie eine Kuh“ wird nicht erreicht, aber das Gebotene hat mich doch mehrfach die Screenshot-Taste betätigen lassen. Was dabei hilft: Prim ergeht sich nicht in einer Kaskade an Popkultur-Anspielungen, sondern an wohl platzierten Witzen hier und da mit einer Meta-Ebene, für die ich sogar nachschauen möchte, wie man Feuilleton richtig schreibt.
Abzüge in der B-Note: Die Dialo…
Das größte objektive Manko des Spiels liegt in der Dialogregie. Die Stimmen sind sowohl auf Englisch als auch Deutsch solide und charmant – auch wenn einige Nebenrollen etwas abfallen –, aber was nicht gelingt, sind die vielen Unterbrechungen in lebensnahen Gesprächen tatsächlich einzufangen. Wenn eine Figur in einem Wort unterbrochen wird, hängt die jeweilige Sprecherin oder der Sprecher die letzte Silbe einfach in die Luft, bis das nächste Audio-Sample kommt.
Ja, das ist ein typisches Problem, das praktisch bei den Audio-Aufnahmen ebenso fordert wie technisch bei der Sprachsample-Rhythmisierung, aber ein Malus bleibt es doch – und eben einer der wenigen Schwachpunkte der Inszenierung. Wem diese Situation noch nie in irgendeinem Titel aufgefallen ist, der wird sie auch in Prims Abenteuer nicht bemäkeln und kann einfach „Wieder so ein kleinkarierter Spieletester-Spleen“ murmeln.
Darüber hinaus gibt es in Prim für alle, die das Genre mögen (oder mochten), viel zu entdecken und zu rätseln – inklusive eines passenden Minispiels „Sargball“. Auch wer sonst angesichts der diversen Schlossknack- oder Schiffe-versenken-Eskapaden im Genre jetzt gerade nervöse Zuckungen im Auge bekommt, sei beruhigt. Sargball passt nicht nur inhaltlich prima, sondern fügt sich auch insgesamt gut ins Spielgefüge ein.
Damit passt es zum gesamten Titel, der von vorne bis hinten die Leidenschaft und das künstlerische Bemühen – aber auch die Genre-Kenntnis – des deutschen Teams von Common Colors atmet!
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