Special - Killergames und Socialchats - Event : Unwissen, Vorurteile, Aufklärungstendenzen
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Im Anschluss an die Tagung sprachen wir mit Frank Egle. Frank hat Kommunikations- und Medienwissenschaften studiert, ist Medienpädagoge und leitet die MedienFalle in Basel. Er organisierte die Veranstaltungsreihe „Killergames und Socialchats".
Gameswelt: Die Veranstaltung heißt „Killergames und Socialchats". Weshalb hast du ausgerechnet den stark aufgeladenen Begriff „Killergames" gewählt?
Frank Egle: Das ist eigentlich eine komische Geschichte: Wir hatten ursprünglich die Idee, die Sache „Sozialgames und Killerchats" zu nennen. Wir wollten also bewusst mit diesen Schlagworten spielen. Damit sollte dann auch schon angedeutet werden, dass diese ganzen Klischees von wegen „Chats sind gefährlich und alle Computerspiele sind böse" nicht einfach in Stein gemeißelt sind. Als wir dann das Material in den Druck geben wollten und die Texte vom Team nochmals überprüft wurden, kam die Diskussion auf, ob das Wortspiel nicht zu subtil sei. Wir waren nicht sicher, ob es von den Leuten verstanden werden würde. Die Verantwortlichen für die Öffentlichkeitsarbeit entschieden sich schlussendlich dazu, die Wortkombinationen zurückzudrehen. Für uns ging das in Ordnung. Uns war klar, dass das Wort „Killergames" provozieren würde. Das Problematisieren des Begriffs folgte ja dann bei den Veranstaltungen selbst.
GW: Ausgerechnet World of WarCraft - also kein Killerspiel - stand im Mittelpunkt des heutigen Tages. Wurde das Spiel gewählt, weil es die beiden Bereiche Spiele und Chats kombiniert?
FE: Genau, außerdem ist das ein sehr verbreitetes Spiel, das von Jugendlichen sehr intensiv und sehr lange gezockt wird. Des Weiteren zeigten wir heute ja auch Call of Duty: Modern Warfare 2, also ein richtiges „Killergame".
GW: Die MedienFalle veranstaltet auch Eltern-LANs. Dort bekommen Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit, Computerspiele wie World of WarCraft selbst auszuprobieren. Wie wurde das organisiert?
FE: Wir haben an zahlreichen Spielstationen Spielcharaktere vorbereitet, die einen entsprechenden Level erreicht haben. Damit sollte dafür gesorgt werden, dass die Eltern wirklich losspielen können und ihre Figur nicht gleich stirbt. Wir erklärten ihnen außerdem die Steuerung, um was es im Spiel geht, was das Ziel ist, um was für eine Welt es sich handelt, um was sich die Geschichte dreht und so weiter. Es ging wirklich darum, die Eltern mal in so einen abgedunkelten Raum vor die Monitore zu setzen, ihnen Kopfhörer aufzusetzen und sie unter Anleitung spielen zu lassen.
GW: Was waren deine Eindrücke dieser Konfrontation zwischen Spiel und Anti-Spielern?
FE: Ich fand es spannend, wie positiv die meisten Eltern reagiert haben. Sie waren richtig fasziniert, wie tief man in diese Spielwelt abtaucht. Wie man alles um sich herum vergisst. Natürlich regte das auch Diskussionen an. Es kam jedoch nie das Thema auf, dass das Spiel zu brutal wäre. Okay, das ist bei World of WarCraft ja auch kein so zentrales Thema. Wichtiger war für die Eltern das mögliche Suchtpotenzial, das in dem Spiel vorhanden ist.
GW: Du arbeitest selbst mit Jugendlichen zusammen, die intensiv World of WarCraft und Konsorten spielen. Wie schätzt du diese jungen Menschen ein? Entsprechen sie dem Klischee der verstörten, unbeholfenen, kommunikationsgestörten und süchtigen Teenager?
FE: Nein, ich finde nicht, dass sie speziell auffällig sind, was ihr Sozialverhalten angeht. Mir sind keine Schwierigkeiten im unmittelbaren Umgang mit anderen Menschen aufgefallen. Es sind ganz normale Jugendliche, die einfach viel spielen. Aber man muss schon sagen, dass sie sehr häufig und lange ihrem Hobby am PC nachgehen. Der eine macht eine Lehre, der andere geht zur Schule. Es ist für sie keine so einfache Sache, das Spielen und die sonstigen Aufgaben des Alltags unter einen Hut zu bringen. Einer der beiden hat mir gerade erzählt, er würde nun zwei Monate komplett auf das Spielen verzichten, um andere, dringendere Dinge auf die Reihe zu bekommen.
GW: Du stellst also fest, dass solche Jugendliche durchaus selbstkritisch ihr Spielverhalten reflektieren und Maßnahmen ergreifen können?
FE: Ja, durchaus. Man mag es ihnen vielleicht nicht zutrauen, aber in vielen Fällen ist es wirklich so.
GW: Was ist das Ziel der Veranstaltungsreihe „Killergames und Socialchats"?
FE: Es geht grundsätzlich um Aufklärung. Es sollen diejenigen Leute über Computerspiele und über Internet-Kommunikationsplattformen aufgeklärt werden, die von der Materie keine Ahnung haben oder eine voreingenommene Abwehrhaltung einnehmen. Das langfristige Ziel ist es natürlich, die Vorurteile abzubauen. Wenn man in der Zeitung im gleichen Atemzug von Killerspielen und Amokläufen liest, dann macht das den Eltern logischerweise Angst. Wir haben also die Situation: Die Kinder spielen Computerspiele, die Eltern lesen, dass Computerspiele zu Amokläufen führen. Sie schließen daraus, dass Spiele per se böse sind und dass ihre Kinder etwas Böses tun. Das ist keine gute Ausgangslage für eine Diskussion. Es bedarf aber einer sachlichen Diskussion. Es bedarf überhaupt dringend einer Diskussion über Computerspielekonsum.
GW: Das klingt ja schön und richtig, aber die berüchtigten Brutalo-Spiele lassen sich nur bedingt schönreden ...
FE: Die Killerspiele gibt es, das ist ein Fakt. Fakt ist auch, dass einige Spieler damit umgehen können. Aus meiner Sicht gehören diese Spiele nicht in die Hände von Minderjährigen. Wichtig scheint mir eine grundsätzliche ethische Diskussion, die nicht nur Videospiele, sondern alle Medien betrifft, was die Darstellung von Gewalt angeht ... Die Eltern müssen eine bestimmte, reflektierte Werthaltung einnehmen und diese an ihre Kinder weitergeben. Das gilt auch für deren Medienkonsum.
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