Test - Sonic Colours Ultimate : Endlich wieder ein richtig gutes Sonic
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„Hurra, ein neues, hochwertiges 3D-Sonic!“, wäre der erste Satz in diesem Test gewesen, wenn Sonic Colours nicht schon einige Jahre auf dem Buckel hätte. Ganze elf Jahre sind es inzwischen, seitdem das Spiel auf Nintendos Wii und dem DS-Handheld Begeisterung entfachte. Darum stellt sich nun die Frage, ob die Neuauflage Sonic Colours Ultimate für Xbox, PlayStation und Switch noch immer den nötigen Flitze-Igel-Wumms hat.
Okay, schaffen wir erstmal den Elefanten aus dem Raum: Sonic Colours Ultimate ist nicht nur ein elf Jahre altes Spiel, sondern auf technischer Seite auch ein unauffälliger Wii-Titel, dessen heruntergefahrene Grafikqualität das Wort „Kompromiss“ nicht mehr zulässt. Abstrakte Plattformwelten können so etwas gut kaschieren, aber nicht permanent verstecken.
Spätestens in der Süßigkeitenwelt, wenn eine Endloskette Smarties, die auf einem Laufband aus einem Automaten quillt, sich als flunderflache Textur entpuppt, die nicht einmal durch Bump- und Normal-Maps versucht, Tiefe vorzutäuschen, ist die Ernüchterung groß. Die Videos der Zwischensequenzen enttäuschen mit massig Codierungs-Artefakten und grobem Upsampling. Uiuiui, das ist auf einem 4k-Fernseher nicht schön anzusehen!
Sonic Colours Ultimate ist kein Remaster sondern ein einfacher Port mit kleinen Boni. Solltet ihr also die Wii-Version bereits besitzen, dann wird euch die Ultimate-Fassung ziemlich kalt lassen. Wenn nicht, dann willkommen zu einem (für euch) unbekannten Spiel, das mit Fug und Recht zu den bessern 3D-Sonics gehört, weil es fast durchweg Spaß bereitet. Und das will was heißen angesichts der qualitativen Berg- und Talfahrt, die Segas Maskottchen in den letzten zwei Jahrzehnten ertragen musste.
Eggmans Welt
Wie üblich verfolgt der blitzschnelle Igel die Machenschaften des gemeinen Dr. Eggman alias Dr. Robotnik, der diesmal einen riesigen Vergnügungspark im Weltraum erschaffen hat. Allerdings auf Kosten mystischer Wesen, die sich Whisps nennen. Für Sonic – und somit für euch – ist es Ehrensache, durch die thematisch gestalteten Untersektionen des Parks zu flitzen, Eggmans Schergen zu besiegen und die unterjochten Whisps zu befreien. Und zwar in 3D, ähnlich wie beim Klassiker Sonic Adventure. Man rennt und hüpft also oft aus der Verfolgerperspektive in einen voll ausmodellierten Parcours hinein. Allerdings schwenkt Sonic Colours dabei erstaunlich oft in eine Seitwärtsansicht, die sich ähnlich spielt wie bei den pixelbasierten 2D-Ablegern.
Heißt also, man bewegt sich in der Regel geradeaus in den Bildschirm hinein oder bei einem Seitwärtsschwenk von links nach rechts, sammelt goldene Ringe ein, die dem Igel ein Ableben bei Feindberührung ersparen, und vernichtet Gegner per Purzelbaum-Attacke im Sprung. Drückt ihr in der Luft den Sprungknopf ein zweites Mal, so vollzieht Sonic entweder einen doppelten Hüpfer oder er wird quasi magnetisch vom nächsten Widersacher angezogen, sodass eine Reihe Gegner mitunter als Luftbrücke fungieren kann. Kennt man, liebt man. Zumindest als Sonic-Fan.
Frischen Wind in die Geschichte bringen die Whisps, die farblich unterschieden werden und für den Titel dieser Sonic-Episode verantwortlich sind. Befreit man einen dieser Whisps aus seinem Gefängnis-Quader, so kann Sonic für eine begrenzte Zeit auf eine Spezialfertigkeit zurückgreifen, die ihm hilft, besonders schwierige Hindernisse zu überwinden. Er darf beispielsweise für eine begrenzte Zeit schweben, harte Blöcke auflösen oder sich wie ein Bohrer durch den Boden graben. Der Einsatz dieser Kräfte muss aber wohlbedacht sein, denn eine Energieleiste begrenzt den Einsatz.
Da das Ganze ähnlich funktioniert wie bei klassischen Super-Mario-Abenteuern, bei denen der Klempner eine Superkraft aus einem Fragezeichenblock boxt, stickt das Leveldesign kleine Sonderaufgaben ein, die mithilfe dieser Spezialkräfte überwunden werden können. Primär darum, das Ende eines Levels zu erreichen, aber je weiter ihr im Spiel vorankommt, desto öfter entdeckt ihr alternative Abzweigungen und besonders ausgefallene Levelpassagen, die kleine Überraschungen präsentieren.
Schnell und fluffig
Der beste Aspekt an Sonic Colours besteht in seiner abstrakten Beschaffenheit und seiner Leichtigkeit, die sowohl die Hintergrundgeschichte als auch den Spielablauf so selten wie nur möglich mit Ballast versetzt. Schwebende Plattformen, funkelnde Weltraumstraßen, die nur fünf Meter vor und hinter dem rasenden Igel bestehen bleiben, Parcours, die nur aus simplen Blöcken gebaut wurden, und viele andere Elemente existieren beinahe völlig kontextfrei, also ohne den Versuch, sie an irgendeine Form von Plausibilität zu binden.
Sonic lebte schon immer in einer Fantasiewelt mit Robo-Tieren, wilden Landschaften und vielen freizügigen Stilblüten, aber gerade nach dem verhunzten Sonic 2006, bei dem die Entwickler versuchten, krampfhaft ein Echtwelt-Szenario einzuführen (und Sonic sogar eine Menschenfrau küsst), war die gedankliche Vogelfreiheit von Sonic Colours ein echter Segen. Zumal auch die aufgeblasene Riege an Nebendarstellern hinter dem Igel keinen Auftritt hat – außer sein Busenkumpel Tales natürlich. So bleibt Design einfach Design und muss sich nicht in seiner eigens auferlegten Logik rechtfertigen.
Mit 60 Bildern pro Sekunde (auf Xbox und PlayStation) durch abstrakte Loops und Korkenziehen zu düsen, setzt manchmal unverhofft Glückshormone frei. Dementsprechend schnell und flüssig spielt sich Colours zu beinahe jedem Zeitpunkt. Nur „beinahe“, weil die Sprung-Physik in der Seitenansicht mehr als gewöhnungsbedürftig sein kann, wenn Sonic auf schmalen Plattformen landen muss. Präzision ist was anderes.
Noch dazu alterten gewisse 3D-Abschnitte ziemlich schlecht. Es geht um jene, bei denen Sonic zwar schnell flitzt, aber letztendlich nur auf drei schienenartigen Spuren hin und her wechseln darf. Das sind Überbleibsel der Wiimote-Nunchuck-Fuchtelsteuerung, die auf einem Analogstick überhaupt keine Herausforderung abgeben. Umso erstaunlicher wirkt der Schwierigkeitsgrad gegen Ende des Spiels, der teilweise schwindelerregende Höhen erreicht. Klingt für ein Wii-Spiel ungewöhnlich, ist aber so.
Der Motivation schadet das nicht zwingend. Im Gegenteil. Gerade weil das Ende recht happig ist, lädt Sonic Colours zum Abgrasen bereits bekannter Welten ein. Begünstigt wird das durch die Aufteilung der Whisps, die bei Spielbeginn den sechs thematisch gestalteten Welten zugeschrieben sind. Sobald man eine Welt geknackt hat, verteilen sich die befreiten Whisps innerhalb der anderen Teile des Vergnügungsparks und ermöglichen auf diese Weise das Erforschen unentdeckter Gebiete und das Einsacken weiterer Boni sowie Sammelobjekte.
Die aufgemotzte Ultimate-Version legt hier noch ein paar Schippen drauf. Neben Goldmünzen, die euch kosmetische Goodies freischalten, kommt eine weitere Whisp-Variante dazu, mit der Sonic wie ein Geist durch Wände schweben kann. Abseits davon hat sich leider nicht viel geändert. Oder zumindest nichts, was lobend zu erwähnen wäre. Der Remix des Soundtracks will nämlich nicht so leicht ins Ohr gehen wie beim Original.
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