Test - Seven: The Days Long Gone : Von den Witcher-Machern: trotz Problemen einfach nur wundervoll
- PC
Wenn ehemalige Witcher-Entwickler ein neues Rollenspiel veröffentlichen, sollte die Neugier vor keinem Bug der Welt haltmachen. Und davon gibt es in Seven: The Days Long Gone einige, um nicht zu sagen: reichlich. Obwohl sich die Probleme beim Spielen teilweise regelrecht in den Vordergrund drängen, sind es doch die Stärken des Titels, die im Nachhinein hängen geblieben sind. Wer hartnäckig bleibt, wird definitiv belohnt.
Seven: The Days Long Gone hat seit seiner Veröffentlichung am 1. Dezember mit einigen Problemen zu kämpfen, die nur schwer zu ertragen waren und teilweise noch immer sind. Das Rollenspiel mit isometrischer Perspektive leidet unter zahlreichen Bugs, Glitches und KI-Aussetzern.
Das größte Manko, das schon allein wegen seiner Gewichtung erwähnt werden muss, sind aber die Probleme mit der Steuerung. Sie ist teilweise so ungenau, dass ihr an manchen Passagen mehr Geduld und Ausdauer mitbringen müsst, als euch ein Spiel dieser Art abverlangen sollte. Mit der gleichsam schwerfälligen Kamera und den bereits erwähnten Programmierfehlern entsteht hier und da also einiges an Frust. Und das ist noch vorsichtig formuliert.
Nichtsdestoweniger haben wir uns jetzt, zu diesem doch späten Zeitpunkt, dazu entschieden, dem Spiel eine zweite, durchaus verdiente Chance zu geben. Wie viele von euch sicher wissen, stellen sich gerade die Spiele, die vom technischen Stand her wie Early-Access-Titel wirken, nicht selten als wahre Perlen heraus. Einen näheren Blick sind sie auf jeden Fall wert.
Auf IMGN.Pros Werk trifft das zu, hat es trotz der schwerwiegenden Probleme doch einiges zu bieten, um die Waagschale nicht kippen zu lassen, stellenweise sogar solide auszugleichen. Und abseits davon fanden Ideen ihren Weg ins Spiel, die für sich alleine schon Grund genug sind, Seven: The Days Long Gone mehr als einen Moment Aufmerksamkeit zu schenken.
Abseits der Probleme
Unterm Strich ist es vor allem die Vision eines großen Ganzen, die aus Sicht der Entwickler im Vordergrund stand. Dadurch wurden die Details oftmals vernachlässigt, was anspruchsvollen Gemütern schon einmal den Spaß verderben könnte. Das wäre jedoch schade, denn dann würden sie eines der interessantesten Rollenspiele verpassen.
Das Spiel, das von Fool’s Theory mitentwickelt wurde, bietet eine beeindruckende und visuell stimmige Rollenspielwelt, die ihr in der Isoperspektive beinahe völlig frei und auf unterschiedlichsten Wegen bereisen könnt. Oder besser gesagt: erforschen könnt. Nicht nur im Sinne der Ortschaften und Geheimnisse, sondern auch mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, euren Weg fortzusetzen.
Das Paket wird durch sehr gute Synchronsprecher und einen klassisch gefälligen Art-Style abgerundet. Hinzu kommt, dass euer Held – ein Schurke, der sich auf einer mysteriösen Insel wiederfindet – jedem Fan von Stealth-Spielen das richtige Gefühl vermittelt: das Gefühl, ein waschechter Dieb zu sein, mit allem, was dazugehört.
Um diesen Zustand zu erreichen, müsst ihr euch die Spielmechaniken zwar mühsam und durch Zurateziehen der Spielanleitung (!) antrainieren, doch zahlt sich der Aufwand aus. Belohnt werdet ihr mit einem gut durchdachten Rollenspiel, das bis zu 50 Stunden Spielspaß bietet. Die Nebenquests sind generisch, aber nicht einfallslos, die Menge an Loot und Belohnungen für den Zeitaufwand mehr als reichlich vorhanden.
Doch der entscheidende Pluspunkt ist die offene Spielwelt und die Art, wie sie präsentiert und erkundet wird. In der 3-D-Isoperspektive kann sich Seven: The Days Long Gone von der bestmöglichen Seite für solch einen Titel präsentieren. Gleichzeitig wird die Möglichkeit, die Welt und ihren McGuffin zu erforschen, durch Ebenen erweitert, die spielerisch einen entscheidenden Mehrwert bieten.
Ähnlich sieht es bei anderen wichtigen Eckpunkten dieses Spiels aus. Crafting, Skilltree, Kampfsystem … All diese Mechaniken und Inhalte bieten einen beeindruckenden Umfang, viele gute Ideen und ungewöhnliche Herangehensweisen. Der Casus knacksus liegt tatsächlich darin, am Ball zu bleiben und den Titel so zu nehmen, wie er ist, auch wenn dies verwirrend, sogar frustrierend sein kann.
Großes Rollenspiel
Vergleiche mit Divinity: Original Sin kommen nicht von ungefähr, ist das Storytelling doch ganz ähnlich aufgebaut. Wenn es ums freie Bewegen und ein möglichst ausgeprägtes Gefühl der Kontrolle geht, hat S:TDLG jedoch die Nase vorn. Dazu gesellt sich ein recht persönlicher Aspekt, den ich nicht nur bei mir, sondern auch bei Kollegen mehrfach beobachten konnte: ein Déjà-vu bezüglich der ersten Spielstunden mit Titeln wie Fallout und Jagged Alliance, jedoch mit dem Umfang, den wir uns damals noch nicht erträumen konnten. Generell atmet der Titel von IMGN.Pro eine Menge 90er-Flair, einer Zeit, in der viele ähnliche Titel zum Kundschaften einluden.
Ihr werdet bei Seven: The Days Long Gone nicht an die Hand genommen, geschweige denn von Karte zu Karte geführt. Mit der zusätzlichen Dimension, beinahe überall hochklettern zu können, während ihr jeden Schauplatz von allen Seiten betrachten könnt, intensiviert sich dieses Gefühl noch. Wer sich selbst verliert und fragt, ob er überhaupt schon in diesem Gebiet sein sollte: Die Antwort lautet immer „Ja“. Das mag einige wahrscheinlich überrumpeln und ist letzten Endes Geschmackssache. Und doch ist es genau das, was zumindest ich mir von einem Rollenspiel stets erhoffe.
Dabei bleibt die Geschichte oberflächlich, nichtsdestoweniger spannend, während die Welt und die Möglichkeiten, die sie euch bietet, stetig neue Wege präsentieren.
Kommentarezum Artikel