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Test - SAW : Zahnlose Perversion!

  • X360
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Eine Zahnspange zu tragen, ist meist wenig ansehnlich, oft sehr beengend und tierisch zwickend. Doof auch, wenn sie so groß ist wie eine Bärenfalle, irgendwann zuschnappt und den Kopf desjenigen zermatscht, dem sie zwischen den Kiefern klemmt. Klingt irgendwie nach SAW, nicht wahr? Verdammt richtig. Aber wisst ihr, was noch viel schlimmer ist? Wenn die Entwickler des gleichnamigen Spiels ihr morbides Pokern nicht intensiv genug durchziehen und nach einem stimmungsvollen Einstieg bestenfalls zahmes Mau-Mau auf die Reihe bekommen.

Es ist ja nicht so, dass das Spiel vom Fleck weg uninteressant wäre oder man ihm schon in den ersten Minuten dieses lieblose Konzept ansehen würde. Im Gegenteil: Man steckt gleich in einer Extremsituation, also verdammt in der Klemme. Oder besser gesagt: Der Kiefer tut es, gefangen in einer Apparatur, die für gewöhnlich Bären lahmlegt. Wenn das Teil zuschnappt, dann hilft sicher kein Medikit, keine Spritze, kein Räucherstäbchen. Die Huldigung des Quick-Time-Gottes ist viel wichtiger, nur er kann euch aus der ersten Todesfalle befreien.

Dann steht er da, dieser Detective Tapp, im versifften Klo eines baufälligen Krankenhauses. Plötzlich springt ein Fernseher an und eine zur Fratze geformte Maske begrüßt ihn - hohnlachend, spottend, stichelnd. Niemand Geringerer als der Jigsaw-Killer ist es, der Tapp in dieses Drecksloch verfrachtet hat. Seine Gelüste sind klar: den Detective in einer perversen Spirale aus Fallen und Tücken zu Tode nudeln. Das Perfide daran wird erst nach einer Stunde offensichtlich: ein Schlüssel nämlich, eingenäht in Tapps Brustkorb.

Stimmungslos, schwach, unmotiviert

Jigsaw war so nett, die Mitgefangenen im selben Gebäude genau auf diesen Schlüssel anzusetzen - einzige Rettung und so ... Tapp wird also zum Gejagten und stolpert in eine erzählerische Ausgangssituation, die Lust macht. Immerhin lauern hier zahlreiche bis aufs Blut geschundene, mit makaberen Todesfallen drapierte Freaks, die genauso verzweifelt sind wie unser Detective. Und ihn nur zu gern der Länge nach aufschlitzen würden, um den Schlüssel in die Freiheit zu bekommen. Leider wird das Interesse über das Auslegen dieser kleinen Köder hinaus nicht gesteigert, denn beim Kern, dem Figurenverhalten, versagen die Zombie Studios auf ganzer Linie.

Wie soll man Tapp seine Angst abnehmen, wenn er nie Feedback auf die Situation gibt, stumm wie ein Fisch bleibt und kein einziges Mal im Anflug von Verwunderung oder Angst aus sich herausgeht, während er durch Kellergewölbe schleicht? Man fühlt sich wie ein Fremdkörper in diesem Gebäudekomplex, eher wie ein ferner Beobachter, nicht wie ein Opfer. Aber es sind nicht nur die fehlenden Reaktionen auf die Situation im Großen, sondern - viel wichtiger - vor allem auf die Tücken im Kleinen, die das Bild der faszinierenden Perversion immer wieder einreißen.

Stellt euch vor: Da muss der arme Kerl einen Türschlüssel aus einem Klobecken voller Junkie-Spritzen fischen, die in seinem Unterarm stecken bleiben. Mit einem Stick steuert man seinen Arm, mit dem A-Knopf greift man zu. Abgesehen davon, dass die eklige Schlüsselsuche niemals knifflig und zum Ende hin immer wieder durch die Mach's-noch-mal-Mühle gejagt wird, haben die Entwickler den entscheidenden Moment einfach dilettantisch inszeniert: Er schnappt sich den Schlüssel, während in seinem Arm ein Dutzend Spritzen steckt. Dann zieht er eine davon heraus, die Animation ist beendet und er steht einfach da. Mit zehn verseuchten Injektionsnadeln in der Haut, ohne dass man seinen Schmerz oder seine Bestürzung auch nur entfernt nachfühlen kann. Die Szene wird abgeblendet und danach ist alles wieder in Butter. Spätestens beim dritten Mal wird es schauspielerisch dermaßen lächerlich, dass man einen fähigen Regisseur herbeifleht. Der kommt aber nicht.

Scherben bringen Blut

Seid ihr schon mal in die Scherben einer Christbaumkugel getreten? Das tut richtig weh, man hält sich den Fuß und hüpft wild fluchend im Zimmer herum. Lediglich Tapp steckt so was masochistengleich weg. Da er bar jeglichen Schuhwerks durch die Flure des Gebäudes tigern muss, dachte sich Jigsaw wohl: „Hey, warum nicht Glasscherben auslegen? Das müssen doch unerträgliche Schmerzen sein." Nur nicht für Tapp. Zwar läuft er leicht gebückt und langsam durch die Scherben, hinterlässt sogar blutige Fußabdrücke am Boden - sehr schön. Aber wieso zum Henker erträgt er das, ohne zu brüllen oder ins Stolpern zu geraten? Man kann die Qualen sich in die Fußsohlen ritzender scharfer Kanten nicht mal erahnen, weil er weder hinkt noch sonst eine Reaktion zeigt - und wenige Meter hinter dem Hindernis wieder rennt wie ein junges Reh.

Okay, könnten ja alles kleine Ausrutscher sein. Aber es geht weiter: Warum blutet er, wenn seine Lungen in einer mit Gas gefüllten Kammer den Dienst verweigern? Wieso gibt es beim Benutzen der Wasserhähne, die seine Gesundheit auffüllen, nicht mal eine kleine Animation? Er steht einfach einen Meter davor und der Wasserstrahl spritzt nach oben - lächerlich. Und wenn doch mal welche zu sehen sind, dann muss man mit hölzernem Staksen vorliebnehmen. Klettert er Leitern hoch, sieht das viel zu maschinenhaft aus, fast so, als würde er an Schienen nach oben gleiten.

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