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Preview - Saints Row : Ihr wollt Wahnsinn? Bitte sehr!

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In all den Jahren mit GTA V habe ich mich immer wieder gefragt, wie Rockstar es schafft, trotz einer gewissen Realitätsbezogenheit den spielerischen Spagat zwischen Gangster-Simulation und virtueller Anarchie zu schaffen. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass die Entwickler intern regelmäßig etliche Tage und Monate darüber zanken, was möglich sein darf und was nicht. Bei Deep Silver Volition macht man es sich leichter, denn die Saints-Row-Reihe sprengt stets alle Grenzen des guten Geschmacks. Ein erster Hands-off-Einblick in den Spielablauf ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass es im Reboot genauso sein wird.

Vermutlich wird es nicht so extrem wie im über alle Maßen durchgeknallten Saints Row IV, aber das kann man dem Team nicht verübeln. Schließlich will niemand die Serie noch einmal in eine Sackgasse führen. Wenn man buchstäblich Himmel und Hölle erobert hat, bleibt nicht mehr viel Steigerungspotenzial. So kehrt das neue Saints Row für PS5, Xbox Series und PC zurück zu den Ursprüngen der Reihe. Mit dabei sind eine Stadt, ein wenig ländliche Umgebung, Gangsterbanden und ihre zwielichtigen Geschäfte. Von interplanetaren Zerstörungsorgien fehlt diesmal jede Spur.

Doch selbst wenn ich nichts vom kommenden Reboot erfahren hätte, wüsste ich schon nach fünf Sekunden Gameplay-Präsentation, dass es um ein Saints Row geht. Eine unverkennbare Handschrift lässt keine Zweifel daran zu: aufgedrehte Farben, völlig überspitzte Animationen, denen schnelle Übergänge eher am Herzen liegen als realistische Bewegungsabläufe und natürlich jede Menge Peng und Krach. Das kann nur Saints Row sein – oder eine echt krasse GTA-Mod.

Vier Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle

Drollig fand ich beispielsweise die Einführung der Hauptfiguren und ihre Zurschaustellung krimineller Energie. Da hat man mal die Kohle für die Miete nicht beisammen, schon wird beschlossen, mit ein paar Kumpels einen Pfandleiher auszurauben und die Cops nach einer brenzligen Verfolgungsjagd mit einer zirkusreifen Stunt-Einlage in der Wüste versauern zu lassen. Na klar, das kennt jeder. Angesichts meiner Vergütung als Redakteur steht so ein Spaß drei- bis viermal im Jahr an.

Glaubwürdig? Quatsch! Sympathisch? Komischerweise auch nicht. So richtig charismatisch kommen die vier Figuren nämlich nicht rüber, weil sie mehr Stereotypen als ausgefeilte Charaktere darstellen. Mehr ist aber auch nicht nötig. Zumindest der Boss soll vorrangig Knetmasse in euren Händen sein. Der Charakter ist frei formbar in einem irren Editor, dessen Umfang uns bereits ein Preview wert war. Die Identifikation bleibt somit euch selbst überlassen. Mit einem Boss und drei Schergen führt ein Verbrechen zum nächsten, bis euer Trupp eine echte Verbrecherbande etabliert hat – so werden die Saints wiedergeboren.

Dumm nur, dass drei weitere Gangs das Stadtgebiet von Santo Ileso längst im Griff haben. Darunter befinden sich die groben Los Panteros und die Gemeinschaft der Idols, welche die Stadt keineswegs einer neuen Fraktion überlassen wollen. Dazwischen wuseln immer wieder die Bullen herum, die mit der Anarchie, die in Santo Ileso ihre Bühne findet, völlig überfordert sind. Schon mal ein belegtes Dixi-Klo an ein Auto gebunden und als Abrissbirne durch die Stadt geschleift, um jemanden zum Reden zu bringen? Scheiße nochmal, das sieht echt spaßig aus!

Saints Row bleibt also, was es schon immer war: die aufgekratzte Persiflage einer Gangster-Simulation. Quasi das Gegenstück zu einem kindlichen Räuber-und-Gendarm-Spiel. Darum geht mir die Aussage, das Reboot sei realistischer als die alten Teile, auch nur widerwillig über die Lippen. Es stimmt durchaus, aber zwischen hirnverbrannt unrealistisch und fernab der Realität liegt ein schlecht einzugrenzender Interpretationsspielraum, den Volition bis zum Anschlag ausreizt, um spielerische Akzente zu setzen. Als Beispiel für den Anfang fällt mir da ein Strafe-Manöver mit dem Auto ein, mit dem man irre Karambolagen provozieren kann. Der Humor dahinter bleibt grob und ungehobelt – und genau deswegen köstlich sorgenfrei.

Saints Row - Customization Trailer

Grell, schrill, bunt verrückt: Dieser Trailer zeigt euch, wie cool ihr eure Charaktere, Waffen und Fahrzeuge im neuen Saints Row individualisieren könnt.

Grober Unsinn als Spielprinzip

Da ich noch keine Gelegenheit hatte, es selbst anzuspielen, bin ich mir nicht ganz sicher, wie viel von der Hands-off-Präsentation dem reinen Spektakel diente und was davon jederzeit in die spielerische Praxis umgesetzt werden kann. Die eingangs erwähnte Flucht vor den Cops endet beispielsweise mit einem physikalisch unmöglichen Sprung auf die senkrechte Seite eines riesigen Werbeschilds, das durch das Gewicht des Wagens umknickt. Ist das gescriptet? Gibt es mehr solcher Sprung- und Verform-Gelegenheiten?

Keine Ahnung, aber ich weiß zumindest, was die Entwickler mir vermitteln wollen: Keine Situation ist ausweglos, sofern man einen ordentlichen Fluchtplan hat. Wenn man sich per Schleudersitz über Häuser katapultieren oder schlicht vom nächsten Hausdach springen und per Wingsuit überall hinsegeln kann, scheint es kaum echte territoriale Grenzen zu geben. Und auch am Boden bleiben etliche Handlungsmöglichkeiten, wenn man Erfahrung sammelt, an den Fähigkeiten bastelt und dazu vielleicht ein paar temporäre Vorteile freischaltet. Auf dem virtuellen Smartphone ist das eine Sache von drei Handgriffen.

Mehr Schaden beim Beschuss von Autos? Kein Problem. Geschosse, die eure Widersacher meterweit nach hinten schleudern und somit von euch fernhalten? Kleinigkeit! Raketen, die wie ein Football aussehen und ebenso geworfen werden? Auch solchen Blödsinn gibt es. Ganz zu schweigen von Nahkampf-Combos mit spektakulären, effektgeladenen Moves wie einer Flammenfaust à la Street Fighter. Und wer braucht bitteschön Cheats wie Wallhacks, wenn sie zum offiziellen Waffenrepertoire gehören: Entsprechend ausgerüstet darf man einen Energieschild aufbauen, der es ermöglicht, durch Wände zu ballern.

Wobei Angriff nicht immer die beste Verteidigung darstellt – beispielsweise, wenn man von Cops umzingelt wurde und mit der Flucht liebäugelt. Notfalls genügt das Überlisten eines einzigen Polizisten, um ihm seinen Schild abzunehmen, der vor Kugeln schützt und einen bis zum nächsten fahrbaren Untersatz bringt.

Technisch (noch) nicht irre

Angesichts derart krasser Fähigkeiten muss es natürlich heftige Missionen und übermächtige Gegner geben, sonst wird es langweilig. Nun ja, das Basispersonal fällt schon bei einfachem Beschuss um, sodass der Bodycount in lächerliche Höhen steigt. Bei den gegnerischen Bossen sieht das jedoch anders aus, denn sie beherrschen mitunter ähnliche Spezialfertigkeiten wie die eigenen Bandenmitglieder. Somit verlangen sie nach weitaus mehr Strategie und Beobachtungsgabe.

Ihre Präsentation ist dabei durchgehend köstlich. Ich konnte mir bei der Vorstellung einiger Banden und des ein oder anderen Oberbösewichts jedenfalls das Grinsen nicht verkneifen. Volition bedient sich vieler Klischees, die vom Western-Genre über Yakuza-Kameraeinstellungen bis hin zu Anime-Superchar-Skills reichen. Verrührt in einem großen Kübel lässt sich keine einzige dieser Geschmacksnoten einzeln herauslesen. Aber das will man bei einem solchen Referenzen-Feuerwerk auch gar nicht.

Allerdings zeigt die Aufmachung von Saints Row bislang nicht nur Stärken. Es gibt viel Masse, egal ob auf dem Land oder in der Stadt, aber so richtig nach PS5 und Xbox Series X sieht das alles (noch) nicht aus. Autofahrten durch die Wüste bestachen vor allem durch sichtbar aufpoppende Schattenkaskaden bei Büschen und anderen Gewächsen, die gefühlt zehn Meter vor dem Fahrzeug sichtbar wurden.

Auch die Physik wirkt streckenweise arg simpel. Autos bewegen sich wie Matchbox-Spielzeuge um die Kurven. Explosionen generieren zwar Unmengen an Partikeln und beeinflussen umstehende Objekte. Aber der Effekt wirkt so, als bestünde die Hälfte davon aus Pappe. Das ist nicht wirklich schlimm und kann sich bis zum Release vielleicht noch ändern. Dennoch hatte ich trotz des leichten Flairs und der Arcade-Einflüsse eine Schippe mehr erwartet.

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