Test - Red Dead Redemption : Test: Kein Remake, kein Remaster, nur ein Port für Switch und PS4
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Da war ja wieder mal was los! Letzte Woche kündigte Rockstar seinen Western-Klassiker Red Dead Redemption für PS4 und Switch an, jedoch nicht als hochwertiges Remake, nicht einmal als Remaster, sondern als schlichter Port – also eine 1:1-Umsetzung des 13 Jahre alten Spiels auf die beiden ebenfalls nicht mehr ganz taufrischen Konsolen. Eine Unverschämtheit, tobte „das Internet“, blanke Geldmacherei, mindestens aber eine große Enttäuschung.
Nun, etwas enttäuschend war die Meldung zumindest schonmal allein unter dem Gesichtspunkt, dass ja ein Großteil der Spielwelt des Vorgängers in Red Dead Redemption 2 bereits in moderner Bauart enthalten ist und die Fans daher ohnehin seit Jahren auf einen DLC hoffen, der sie die Geschichte des ersten Teils erneut erleben ließe. Das hätte aber auch einen nicht unerheblichen Aufwand für die Entwickler bedeutet, schließlich müssten sie dafür das Spiel zu großen Teilen von Grund auf neu hochziehen.
Stattdessen also simple Ports für PS4 und Switch, von denen uns ausschließlich die Version für den Nintendo-Handheld zum Test vorlag, nicht die für Playstation, über die wir folglich kein technisches Urteil fällen können. Grundsätzlich ist an den Umsetzungen zunächst nichts verwerflich außer der Feststellung, dass die PS4-Version ziemlich genau 10 Jahre zu spät kommt, als ihre Daseinsberechtigung zum Konsolen-Launch noch eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre, die heute massiv infrage gestellt werden muss. Insbesondere unter den Gesichtspunkten, dass sogar der eher unbekannte Vorgänger Red Dead Revolver schon vor langer Zeit seinen PS4-Port erfuhr und sich Rockstar seinerzeit mit der Umsetzung von GTA 5 vorbildlich viel Mühe gab, verwundert es, dass man sich nun mit dieser Peinlichkeit die Blöße gibt.
Ebenfalls bedauerlich, dass abermals PC-Spieler leer ausgehen, die aus unverständlichen Gründen bis heute nie mit dem Spiel bedacht wurden. Nicht verwunderlich ist hingegen die fehlende Xbox-Version, da das Original auf dieser Plattform ohnehin dank Abwärtskompatibilität bereits in höherer Auflösung und Framerate läuft und daher nach keiner Neuauflage verlangt. Am interessantesten fällt daher die Switch-Version aus, die einerseits mit dem Unterwegs-Totschlagargument Anlass für beinharte Fans liefert, solcherlei Oldies aus nostalgischen Gründen erneut durchzunudeln, andererseits technisch damit auch nicht unterfordert ist.
Technisch nicht mehr frisch, aber immer noch atemberaubend schön
Das Original von Red Dead Redemption stammt aus dem Jahr 2010, der Ära von PS3 und Xbox 360, Hardware also, der die Switch ungefähr ebenbürtig ist. Von daher müssen technisch keinerlei Abstriche gemacht werden, zumindest keine, die mir aufgefallen wären. Natürlich muss man 30 FPS und unschönes Kantenflimmern in Kauf nehmen, sowie bisweilen schwammige Texturen und ein grafischer Detailgrad, der nicht mehr in die Zeit passt, für den Nintendo-Handheld aber voll in Ordnung geht. Vor allem die enorme Weitsicht mit ihren Panoramen bis an den Horizont beeindruckt regelmäßig, erst recht wenn man bedenkt, dass sich vergleichbare Spiele solcherlei Eindrücke auf der Switch in der Regel mit stilistischen Tricks erkaufen – Zelda etwa mit seinem reduzierten Zeichentricklook, The Witcher 3 durch eine verschwommene Auflösung.
Wenn euch lediglich interessiert, wie Red Dead Redemption auf Switch läuft, dann lautet die Antwort schlicht: ja. So, wie man es von einem derart alten Spiel erwarten kann. Störungsfrei, schmucklos, aber durchaus noch erstaunlich ansehnlich. Tatsächlich weiß das Spiel nach wie vor regelmäßig mit seiner Inszenierung von Weite und Landschaft zu beeindrucken, eine Disziplin, in der es auf bemerkenswerte Weise bis heute nahezu ungeschlagen ist und die für Switch-Spieler wiederum eher ungewohnt ausfällt.
Schon damals bestand ein nicht geringer Anteil des Reizes, den das Spiel ausmachte, in der Stimmung, die es allein durch seinen Einsatz von Licht zu erzeugen wusste, und den daraus entstehenden Momenten, die aufgrund ihrer unvorhersehbaren Natur geradezu magisch wirkten. Wenn man in der einsamen Prärie dem sternklaren Nachthimmel entgegen reitet und sich allmählich die glutrote Morgensonne wie eine Feuerwalze über den Horizont ausrollt, erweckt es den Eindruck, als hätten die Entwickler diesen Augenblick minutiös in aufwändiger Skriptarbeit für mich geplant und erstellt, wie es in anderen Spielen der Fall wäre, während er tatsächlich nur dem zufälligen Kreislauf von Tag und Nacht entspringt.
In Szenen wie diesen steckt Red Dead Redemption selbst heutige Konkurrenten noch locker in die Tasche, die Assassin’s-Creed-Spiele etwa oder sogar den eigenen Nachfolger, die alle zwar selbstverständlich technisch deutlich versierter ausfallen, aber trotz all ihrer hochmodernen Lens-Flares, God-Rays und mehrfachen Überbelichtungen nicht diese Form von brachial archaischer Naturverbundenheit zu vermitteln wissen. Unvergleichlich geschickt fällt in dieser Hinsicht auch der Einsatz der Atmosphärenperspektive aus, also dem optischen Phänomen, das weiter entfernte Objekte ins bläuliche Farbspektrum verschiebt, was einen unvergleichlich plastischen Eindruck von Tiefe erzeugt, der immer wieder für erhabene Momente beim Blick in die Ferne sorgt.
Gleichwohl entstammt Teil 1 einer Zeit, als Rockstar noch nicht jeden Grashalm und jede Pfütze einzeln in verschwenderischer Handarbeit in die Spielwelt setzte, sondern sich ihre Größe mit den immergleichen Kakteen und Büschen vom Copy-&-Paste-Fließband erkaufte. Störend fällt dies jedoch kaum ins Gewicht. Zum einen, weil selbst heutige Konkurrenzprodukte von Far Cry bis Horizon weitgehend immer noch recht ähnlich vorgehen. Zum anderen, weil genau dadurch dieses unnachahmliche Gefühl von Weite und Einsamkeit entsteht, welches das gesamte Spielgefühl in der Erinnerung bis heute maßgeblich ausfüllt.
Spielerisch gut gealtert
Doch auch spielerisch ist Red Dead Redemption in seinen 13 Jahren seit Veröffentlichung erstaunlich gut gealtert, erst recht, wenn man es mit den damaligen Vertretern der Assassin’s-Creed-Reihe vergleicht, deren dritter Teil Brotherhood im gleichen Jahr wie das Rockstar-Epos erschien und aus heutiger Perspektive eher als historisches Relikt einer frühzeitlichen Genre-Ära wahrgenommen werden kann und weniger als ein Spiel, das man immer noch guten Gewissens zum puren Vergnügen spielt.
Ja, tatsächlich sollte Red Dead Redemption zum Wendepunkt für jenes gesamte Genre werden, schlug doch auch die große Konkurrenzserie aus dem Hause Ubisoft zwei Jahre später mit Assassin’s Creed III die gleiche Richtung ein, die Rockstar mit dem Western-Opus vorgezeichnet hatte: fort vom Parkour-Gameplay durch die Straßen und über die Dächer von Städten, hin zu der Erfahrung von Weite und Wildheit unberührter Natur, fort von der taktischen Planung der Attentate, hin zu Action und Abenteuer.
Ein Grund dafür, warum Red Dead Redemption 1 selbst heute noch den Vergleich mit modernen Vertretern des Genres nicht zu scheuen braucht, besteht unter anderem vor allem darin, dass es seinen Umfang noch nicht mit austauschbarer Beliebigkeit in Form von Fragezeichen auf der Landkarte aufbläht und den Spieler auf großer Abenteuerreise ständig zur zeitschindenden Trödelei nötigt. Zwar gibt es auch hier jede Menge Nebenbetätigungen und etliche davon fallen reichlich müßig aus wie das Jagen oder Sammeln von Kräutern für läppische Kostüme.
Etliche sind sich aber Vergnügen in sich, wie das Pokern oder Hufeisenwerfen, und wiederum andere entwerfen pointierte Geschichten, die man gerne erlebt, weil sie etwas zu erzählen haben – und bei Erledigung nicht bloß einen Punkt auf der To-Do-Liste abhaken. Dass die Geschichte von Red Dead Redemption bis heute sowieso zu den besten gehört, die jemals in einem Videospiel erzählt wurden, muss hier gar nicht mehr gesondert hervorgehoben werden.
Allein schon der Anfang: diese zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte zwischen dem geschundenen Haudegen John Marston und der zarten und doch willensstarken Farmerin Bonnie, die nicht nur in einer Männerwelt ihre Frau steht, sondern dies auch in einem Umfeld tut, das ihr sämtliche Widrigkeiten der Welt auf einmal aufbürdet. Dann die vielen kleinen und großen Handlungsfäden, die so meisterlich zwischen Satire und Tragödie pendeln und dabei der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, wie es nur Spiele von Rockstar tun. Etwa die von dem Quacksalber und Hochstapler, zu dessen Handlager sich John Marston unfreiwillig machen lässt.
Und schließlich natürlich John Marstons langsamer Abstieg durch die einzelnen Kreise der Hölle, eine Reise, bei der er nicht nur seine ehemaligen Kameraden einen nach dem anderen morden muss, sondern auf der Suche nach Erlösung allmählich sein Seelenheil verliert. Red Dead Redemption erzählt seine Geschichte mit der Essenz eines Spätwesterns, in dem die Träume von Freiheit und Grenzenlosigkeit vom technologischen Fortschritt überrollt und die idealistischen Helden von einst durch machthungrige Politiker, gierige Industrielle und korrupte Bürokraten ersetzt wurden.
Genau aus den im obigen Abschnitt aufgezählten Gründen gefällt mir persönlich der Vorgänger nach wie vor sogar noch besser als sein Nachfolger. Nicht wegen der Geschichte; in dieser Disziplin sind sich beide Spiele ebenbürtig. Auch in technischer Hinsicht und der Detailverliebtheit seiner Spielwelt ist Teil 2 über jeden Zweifel und selbst über sämtliche Next-Gen-Spiele erhaben und spielt unantastbar in seiner eigenen Liga. Doch während Teil 1 einen sinnvollen Kompromiss findet zwischen durchdachtem Spielerlebnis und der glaubhaften Simulation einer lebendig wirkenden Welt, wirkt der Nachfolger so verbissen auf letzteren Aspekt ausgerichtet, dass er sich fast schon zu schämen scheint, dabei noch ein Videospiel sein zu müssen und dadurch das rein spielerische Erlebnis mitunter vernachlässigt.
Das fängt bei der realistisch animierten, aber nervtötend behäbigen Steuerung an und endet bei der Vielzahl an Nebenbetätigungen noch lange nicht, die zwar den Wirklichkeitseindruck verstärken sollen, dem Spielvergnügen aber nichts beizutragen wissen. Letztlich hat doch jeder Red Dead Redemption 2 vor allem wegen seiner Story, Grafik und Spielwelt in Erinnerung und nicht aufgrund seiner unterm Strich doch eher durchschnittlichen spielerischen Qualitäten.
Aber das darf zum Glück jeder so sehen, wie er will. Ich jedenfalls fand die erneute Begegnung mit diesem schlanker und kompakter konzipierten Spiel zwischen all den aufgeblähten Open-World-Ungetümen der Gegenwart als durchaus erfrischend. Unter anderem auch deshalb, weil man darin nicht lediglich Wegpunkte abklappert, während die Welt selbst nur der Durchfahrt von einem zum nächsten dient, sondern sie auf eine bis heute beispiellos eindrückliche Weise erfährt, dass man sie irgendwann wie die eigene Westentasche zu kennen glaubt, mit jeder Böschung, jedem einsamen Joshua-Tree und jedem Wasserloch persönlich bekannt zu sein meint. Auch der Vermittlung der Geschichte kommt die straffere Form zugute, weil zwischen den Story-Kapiteln eben nicht so viele Stunden vergehen, dass man in der Zwischenzeit schon wieder vergessen hat, wer all die auftretenden Personen eigentlich sind und was man mit ihnen zu schaffen hat.
Dies alles fällt einem in der Rückschau deutlich stärker auf als seinerzeit, zumal an einem Spiel, das damals zwar zweifellos als Meisterwerk, aber gleichzeitig auch schlicht als GTA-Verschnitt im Wilden Westen wahrgenommen wurde, und wenn man dem Spiel etwas vorwerfen will, dann sind das die Kritikpunkte, die seit jeher mit Rockstar-Spielen einhergehen: dass die Verteilung der Questgeber in der Spielwelt die roten Fäden der Story etwas zusammenhanglos zerfasern lassen, dass die Hauptmissionen weniger die Spielwelt als ihre Bühne nutzen, als vielmehr wie ein Ladebildschirm nur an die Zielorte darin leiten, um dann dort etwas zu erledigen, wie der Hub und die Instanz in einem MMO etwa, und natürlich lässt sich trefflich über die Sinnhaftigkeit mancher Nebenbetätigungen streiten, die oftmals vor allem den Entwicklern zur Prahlerei dienen und weniger dem Spieler zum vergnüglichen Zeitvertreib.
Man darf nicht vergessen, dass man es hier mit einem 13 Jahre alten Spiel zu tun hat, das zwar insgesamt gut gealtert wirkt, dessen Verschleißerscheinungen aber auch unübersehbar sind, zudem in einem Genre, das diese 13 Jahre so stark geprägt hat wie kaum ein anderes und sich entsprechend auch mehrfach gewandelt und ausdifferenziert hat.
Und wo bleibt die Empörung?
Sei’s drum. Ihr habt wahrscheinlich ohnehin in diesem Artikel viel mehr Empörung und Wut über die Geschäftspraktiken von Rockstar Games erwartet und ja, darüber lässt sich vortrefflich streiten, aber das darf jeder gerne mit sich selbst ausmachen. Die Fakten liegen jedenfalls ziemlich eindeutig auf dem Tisch und dürfen entsprechend der eigenen Haltung eingeordnet und bewertet werden.
Red Dead Redemption hätte zweifellos ein vollwertiges Remake verdient, und entsprechend ist es bedauerlich, was stattdessen geliefert wird, insbesondere auf PS4, auf der das Spiel angesichts des großen Angebots zeitgemäßer Open-World-Spiele in dieser Form streng genommen niemand braucht, außer vielleicht der Vollständigkeit der Sammlung oder blinder Liebe zum Original wegen. Klar sind 50 Euro für einen solchen Port viel Geld – viel zu viel meinetwegen – aber wenn man bedenkt, wie schnell Spiele heutzutage im Preis fallen, dann wartet halt nach den 13 Jahren noch ein paar Monate mehr, bis es nur noch einen Bruchteil davon kostet und kauft es erst dann. Oder eben gar nicht.
>> Offene Welten heute: 10 kommende und aktuelle Open-World-Spiele <<
Anders sieht die Sache auf der Switch aus, auf deren Hardware der Oldie eher noch seine Daseinsberechtigung erfährt, auch angesichts der überschaubaren Zahl an Alternativen im Open-World-Genre. Das Spiel läuft auf dieser Plattform einwandfrei, macht immer noch Spaß und was den Preis angeht, genügt ein Schielen auf die Konkurrenz, um zu erkennen, dass auch die Ezio Collection auf Switch für 50 Euro angeboten wird. Man muss nicht darüber glücklich, darf durchaus enttäuscht und vielleicht auch ein bisschen verärgert sein. Ich selbst würde es mir nicht kaufen, aber auch niemanden davon abhalten wollen, der anderer Meinung ist. Am Ende entscheidet ihr selbst und sonst niemand. Das ist ja das Schöne daran.
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