Preview - Pioneers of Pagonia : Angespielt: Die Siedler sind tot, lang leben die Siedler!
- PC
Wer Die Siedler mag, hatte es in den vergangenen Jahren nicht leicht. Die jüngsten Veröffentlichungen waren alles andere als berauschend und gipfelten mit Die Siedler: Neue Allianzen zu Beginn dieses Jahres in einem mittelgroßen Desaster. Muss man nun alle Hoffnungen auf dieses besondere Spielgefühl begraben? Zum Glück nicht: Der einstige Schöpfer der Reihe versucht mit Pioneers of Pagonia nicht nur das alte Flair einzufangen, sondern das Genre zugleich in die Zukunft zu führen.
Als Volker Wertich mit seinem Team im Jahr 1993 das Aufbauspiel Die Siedler auf den Markt brachte, hätte er wohl selbst in seinen wildesten Träumen nicht mit einem dermaßen großen Erfolg gerechnet. Die knuffig inszenierte Mischung aus Siedlungsbau, Warenkreislauf und Wuselfaktor zog innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Menschen vor die Monitore – das Fundament für eine Jahrzehnte währende Marke war gelegt.
Es folgten zahlreiche Nachfolger mit mal mehr und mal weniger interessanten Neuerungen. Doch gerade die jüngere Vergangenheit war geprägt von Fehlschlägen und einer zunehmend verärgerten Community. Das wollte sich Wertich nicht länger tatenlos anschauen: Mit seinem neuen Studio Envision Entertainment werkelte er lange Zeit an Pioneers of Pagonia, einem geistigen Nachfolger der ursprünglichen Siedler-Spiele. Vor Kurzem fiel endlich der Startschuss für die Early-Access-Phase.
Siedeln wie in alten Zeiten
Von der ersten Minute an dürften sich die älteren Siedler-Fans heimisch fühlen. Denn Pioneers of Pagonia versucht sich gar nicht erst an großartigen Experimenten mit absonderlichen Spielmechaniken, sondern bleibt dem Ablauf des Klassikers treu. Ihr startet auf einem lauschigen Fleckchen Land und beginnt in bewährter Manier mit dem Aufbau einer Siedlung.
Holzfäller und Steinbrüche sorgen für den Nachschub an Rohstoffen, Jäger erlegen Wildtiere als Nahrungsquelle und sogar die aus den ersten Siedler-Spielen bekannten Förster sind mit dabei. Wie gewohnt gilt es, die einzelnen Gebäude mit einem Wegenetz zu verbinden, damit der Transport der Waren möglichst einwandfrei funktioniert. Spätestens wenn die kleinen Figuren auf dem Bildschirm ihrer Arbeit nachgehen, hüpft das Herz eines jeden Siedler-Fans.
Doch Pioneers of Pagonia begnügt sich nicht damit, einfach nur dem Original nachzueifern, sondern geht in manchen Aspekten erfreulicherweise einen Schritt weiter. Das beginnt bereits bei den Warenketten, die deutlich komplexer sind als bei der offensichtlichen Inspirationsquelle. So gibt es nicht einfach nur Holz, sondern die Unterscheidung in Laub- und Nadelholz. Der Gastwirt einer Taverne verarbeitet die angeschleppten Lebensmittel zu köstlichen Speisen. Doch ohne Tische, an denen die Besucher Platz nehmen können, bleiben die Teller leer. Bereits anhand dieser Beispiele dürftet ihr merken, dass Pioneers of Pagonia euch hinsichtlich der Logistik deutlich mehr abverlangt als viele andere Titel im Genre.
Das ist einerseits prima, denn etwas mehr Tiefgang ist definitiv wünschenswert. Allerdings kann dies Einsteiger auch etwas abschrecken. Das liegt vor allem an den Menüs: Am oberen Bildschirmrand seht ihr eine regelrechte Symbol- und Zahlenflut, die natürlich alles andere als übersichtlich ausfällt. Um hier die für den Augenblick wichtigen Informationen zu erspähen, braucht es etwas Zeit und gute Augen. Das dürfen die Entwickler bis zum finalen Release gerne noch entschlacken.
Von Soldaten und Werwölfen
In Pioneers of Pagonia geht es zuallererst um Erkundung, Expansion und Wirtschaft. Damit habt ihr zunächst auch alle Hände voll zu tun, denn die anfangs idyllische Siedlung wächst schnell zu einem ansehnlichen Dorf heran. Im späteren Spielverlauf verliert ihr gerne mal die Übersicht. Das liegt vor allem daran, dass sich einige Gebäude in der größten Zoom-Stufe nicht gut genug voneinander unterscheiden. Hier sollten die Entwickler ebenfalls Hand anlegen.
Neben dem rein wirtschaftlichen Aspekt hat das Spiel auch ein militärisches Element zu bieten. Auf den zufällig generierten Karten trefft ihr mitunter auf feindliche Gruppen, die es zu besiegen gilt. Auch hier zeigt sich, dass Volker Wertich und sein Team bewährte Mechaniken mit interessanten neuen Facetten bereichern. Die Kämpfe laufen bei Pioneers of Pagonia automatisch ab, somit könnt ihr die Einheiten nicht direkt steuern. Reizvoll sind die frischen Elemente: So gibt es verschiedene Soldatentypen, die jeweils über bestimmte Ressourcen verfügen. Nur mit einem Schwert ist es dabei allerdings nicht getan, stattdessen geht es komplexer zu.
Ein Beispiel: Unter den Gegnern befinden sich spezielle Einheiten wie etwa der fiese Werwolf. Von ihm attackierte Soldaten und Siedler können sich ebenfalls in Werwölfe verwandeln und euch zu einem späteren Zeitpunkt angreifen. Das kann schnell zu einem großen Problem werden. Glücklicherweise könnt ihr die sogenannten Draufgänger auf diese Kreaturen ansetzen. Diese wiederum brauchen jedoch Waffen aus Silber. Letzteres ist allerdings recht selten und entsprechend wertvoll. Solche Abhängigkeiten machen einen großen Reiz des Spiels aus.
Siedeln ohne Grund?
Bereits im Early Access macht Pioneers of Pagonia vieles richtig. Allerdings gibt es auch einen Grund zur Sorge. In der aktuellen Version mangelt es an einem roten Faden beziehungsweise einer langfristigen Motivation, stets aufs Neue eine Siedlung aus dem Boden zu stampfen. Das Spielgeschehen beschränkt sich auf zufallsgenerierte Karten, die ihr zwar in mehreren Facetten und mit eigenen Einstellungen spielen könnt. Doch weder gibt es eine Kampagne mit Missionen oder zumindest Szenarien, noch Zwischensequenzen oder eine andere Art der Inszenierung, die für etwas mehr Atmosphäre sorgen würde.
Etwas ketzerisch könnte man sagen: Pioneers of Pagonia kocht ein tolles Siedler-Süppchen, richtet das schmackhafte Gericht jedoch nicht sonderlich ansprechend an. Immerhin bleibt bis zum Release der finalen Version noch viel Zeit und die Roadmap der Entwickler zeigt deutlich, dass sie sich einiges vorgenommen haben. So ist unter anderem ein Koop-Modus fest eingeplant.
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