Test - No Rest for the Wicked : Eine Momentaufnahme aus dem Early Access
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Als No Rest for the Wicked bei den Game Awards im Dezember angekündigt wurde, ging ein Raunen durch die Spielewelt. Ein Action-Rollenspiel von den Ori-Machern? Mit sogenanntem Präzisionskampfsystem, handgezeichneten Leveln und viel Vertikalität? Also so was wie ein Diablo IV in richtig gut oder zumindest mal anders? Nun, seitdem das Spiel sich im Early Access befindet, wissen wir zumindest eins: mit Diablo & Co. hat No Rest for the Wicked herzlich wenig zu tun und ihr werdet sterben. Viel sterben. Und die Entwickler werden patchen. Viel patchen. Und sie tun es bereits fast täglich. Daher gibt es noch keinen richtigen Test, sondern im Grunde eine Momentaufnahme des Status Quo.
Okay, was haben sich die Moon Studios da ausgedacht? Die Handlung führt uns auf die abgelegene Insel Isola Sacra im Jahr 841 der Spielwelt. Der Herrscher, König Harol, hat gerade das Zeitliche gesegnet, sein eher unsympathischer Sohn und Erziehungsfehler Magnus schielt auf den Thron. Währenddessen entwickelt die Inquisitorin Madrigal Seline gewisse Ambitionen, und zu allem Überfluss wütet auch noch eine Seuche, die so ziemlich alles verdirbt, was in ihre Nähe kommt.
Als Schiffbrüchiger taucht euer selbst erstellter Charakter in diese Situation ein. Erwartet nicht zu viel – ihr könnt einen männlichen oder weiblichen Charakter spielen und ein wenig das Aussehen anpassen. Eine Schönheit werdet ihr allerdings kaum basteln, denn No Rest for the Wicked verfolgt einen recht eigenwilligen Darstellungsstil, dank dem Charaktere und Lebewesen eigentlich eher wie Karikaturen ihrer selbst aussehen. Ihr spielt jedenfalls einen Cerim, eine besondere Art von Krieger, der sich gegen die Pestilenz und überhaupt alles Böse stellt.
Wer jetzt schon mit den Fingern knackt und sich darauf freut, in Diablo-Manier ganze Horden von Dämonen und Gegnern zu vermöbeln: Nee, falsches Spiel. Das machen schon die ersten Kämpfe deutlich und erst recht der erste richtige Boss, den ihr unweigerlich besiegen müsst, um die Stadt im Spiel zu erreichen. Zum Üben bekommt ihr zunächst nur einzelne Gegner vor die Nase gesetzt, damit ihr die vielen Archetypen und Bewegungsmuster ein wenig kennenlernen könnt.
Schnell lernt ihr, dass die Kämpfe keine Schnetzelorgien sind, sondern ein tödliches Ballett aus Positionieren, Verteidigen, Abrollen und Parieren, immer mit einem bangen Blick auf den Ausdauerbalken, denn ist er leer, seid ihr eigentlich schon tot. So umkreist ihr euch mit euren Gegnern, bis ihr den richtigen Moment findet, um ein paar wuchtige Angriffe zu platzieren oder euren Gegner gar ins Straucheln zu bringen. Dabei steht es euch grundsätzlich frei, mit welchen Waffen ihr agieren wollt. Wollt ihr lieber flinke Dolche, mächtige Zweihänder, einen Kampfstab oder einen Bogen? Alles ist möglich und ohne wirkliche Charakterklasse nicht eingeschränkt.
Skills spielen im Kampf eigentlich keine Rolle, sondern nur eure Angriffe und Verteidigungen, gepaart mit Kampfgegenständen wie Nahrung, Ölen und Tränken oder Bomben sowie Runen in euren Waffen, die euch zusätzliche Angriffsoptionen geben, sofern ihr gerade genug Fokus durch eure Aktionen aufgeladen habt. Was allerdings eine Rolle spielt, ist das Gewicht eurer Ausrüstung. Entscheidend ist das Gewicht der Waffen und Rüstungsteile, die ihr tatsächlich angelegt habt. Wer viel oder schwere Rüstung trägt, ist besser geschützt, aber auch langsamer, während ein leicht gerüsteter Dolchkämpfer enorm agil agieren kann.
Aber auch die Werte der Waffen und Rüstungen sind wichtig, denn es gibt ein Lootsystem mit verschiedenen Item-Qualitäten und diversen Boni, wie z.B. erhöhte Ausdauer oder schnellere Beweglichkeit. Items können aber auch negative Perks haben, z.B. kann ein schnellerer Fokusaufbau mit Heilung bei Treffern mit einer stark reduzierten Gesundheit kombiniert werden. Das spricht sehr für das Experimentieren mit Builds im Endgame.
Beim Crafting kann man Gegenstände herstellen, aber auch verbessern und aufwerten, sofern man die passenden Handwerker und Rezepte findet. Waffen und Rüstungen lassen sich infundieren, verzaubern und mit Runen aufwerten. Oder man verbessert sie beim Schmied, damit sie mehr Schaden austeilen oder mehr aushalten. No Rest for the Wicked verfügt über ein erfreulich umfangreiches Crafting-System mit vielen Komponenten und Ressourcen.
Die Kämpfe gegen die flinken und mächtig zuschlagenden Gegner sind extrem fordernd und man muss (leider) auch die Umgebung im Auge behalten. Auf schmalen Plateaus stürzt man schnell ab und der Fallschaden ist derzeit noch sehr hoch. Äußerste Vorsicht ist auch bei Projektilschaden durch Gegner wie Feuerbälle oder Bolzen geboten, hier könnte das Balancing noch etwas optimiert werden.
Was uns aber mehr gestört hat, war, dass sich die Steuerung nicht immer hundertprozentig präzise anfühlte. Vor allem die Funktionen auf dem Steuerkreuz versagten hin und wieder ihren Dienst, vielleicht ein Performance-Problem? Wird sich hoffentlich in Zukunft herausstellen. Ärgerlich ist, dass man die Tasten derzeit nicht neu belegen kann. Auch die Tatsache, dass einmal gestartete Kampfanimationen immer komplett durchlaufen und nicht abgebrochen werden können, hat uns schon den einen oder anderen Todesfall beschert. Aber gut, es ist Early Access und wir wollen nicht zu früh meckern. Schließlich ist so eine Phase dazu da, Feedback zu sammeln, das Spiel zu optimieren und dann hoffentlich die Fans zufrieden zu stellen. Bei Baldur’s Gate III und anderen Titeln hat das ja auch wunderbar geklappt.
Schwieriger sind einige konzeptionelle Entscheidungen, die derzeit unter den Spielern heftig diskutiert werden. Da ist zum einen die Haltbarkeit der Ausrüstung. Wenn ihr sterbt oder einfach nur euren Plunder benutzt, gibt es Verschleiß bis hin zur Unbrauchbarkeit. Das heißt, ihr müsst reparieren (auch euer Sammelwerkzeug) oder anderen Krempel aus eurem Inventar benutzen. In einem Spiel, in dem man schon vom Konzept her viel stirbt, ist das eher eine Strafe als ein Feature. Moon Studios hat die Haltbarkeit zwar schon per Patch erhöht, aber die Proteste der Spieler gegen dieses überholte (und unnötig nervige) Feature werden nicht leiser.
Der zweite Diskussionspunkt ist das Heilungssystem. Heilen ist weitgehend nur über Nahrung möglich (mit Ausnahme einiger Runen, die aber eher selten verwendet werden), und der Verbrauch ist immens. Das heißt, man ist viel mit dem Sammeln von Pilzen, Kräutern und Fleisch oder Fisch beschäftigt, um an sporadisch verteilten Lagerfeuern zu kochen. Das ist, gelinde gesagt, anstrengend und weniger geübte Spieler können nach einigen Bossversuchen oder gar gegen die fiesen Trashmobs schnell in eine Sackgasse geraten und irgendwann pleite und ohne Essen dastehen. Keine besonders gute Lösung, wenn man nicht nur Spieler ansprechen will, denen Elden Ring nur ein müdes Gähnen entlockt.
Zwar gibt es die Möglichkeit, mit der Spielfigur ein neues Reich parallel zu den bisherigen zu eröffnen, um dann z.B. im Anfangsgebiet etwas zu farmen. Dummerweise skalieren die Gegner aber mit, so dass auch das nur wenig Erleichterung bringt. Immerhin hat man in einem neu gestarteten Realm weniger Gegner an der Backe, zumindest bis man die erste Stadt erreicht. Spannend wird übrigens, wie sich Ressourcen, Loot und Schwierigkeitsgrad verhalten, wenn der 4-Spieler-Koop ins Spiel kommt.
Auch das Inventarsystem könnte benutzerfreundlicher sein und hat noch kleinere Bugs. Das Inventar ist von den Plätzen her sehr begrenzt, so dass man eigentlich ständig Zeug wegwerfen muss, gesammelte Ressourcen nicht hineinpassen und so weiter. Zwar kann man die Plätze nach und nach mit Gegenständen aus den Bosskämpfen erweitern, aber muss das wirklich sein? Rein logisch ist es ohnehin egal, ob ihr 20 oder 50 Rüstungsteile mit euch herumschleppt, die Limitierung wirkt wie eine nicht mehr zeitgemäße Gängelung des Spielers. Insgesamt verbringt man jedenfalls fast mehr Zeit mit Sammeln, Craften und Inventarmanagement als mit dem eigentlichen Spiel. Ein etwas schlankeres Design würde dem Spiel vermutlich gut tun.
No Rest for the Wicked macht aber deutlich, dass Moon Studios auch abseits der Mischung aus Souls-like, Roguelite und Survival-Crafting-Elementen viel vor hat. So mangelt es nicht an Inhalten, denn neben der Story und den Nebenquests gibt es noch Kopfgelder sowie tägliche und wöchentliche Quests, mit denen man Ausrüstung erbeuten und seinen Account füllen kann. Sogar für Wohnraum ist gesorgt, denn in der Stadt bekommt man eine Wohnung, die man mit gekauften oder selbst hergestellten Gegenständen einrichten kann.
Doch das ist bei weitem nicht alles, was No Rest for the Wicked so besonders macht. Erwähnenswert ist auch die Gestaltung der Spielwelt, die nicht nur optisch durch ihren handgemalten Stil auffällt. Das Spiel setzt stark auf die Vertikale und so entdeckt man immer wieder Möglichkeiten, in bisher unzugängliche Ebenen über oder unter der Oberfläche zu gelangen und dort neue Geheimnisse zu entdecken. Das Erkunden der Spielwelt wird dadurch äußerst befriedigend und mit immer neuen Levelabschnitten belohnt. Es dürfte fast unmöglich sein, alles in einem Durchgang zu entdecken.
Dabei wird man vom Spiel nicht an die Hand genommen, sondern kann völlig frei auf die Suche gehen. Etwas schade: Die Kletter- und Sprungmechanik ist manchmal etwas fummelig und verzeiht wenig, und der Sturzschaden ... wir haben es schon erwähnt. Autsch.
Auch hier nervt wieder, dass es bisher keine Möglichkeit gibt, die Tasten- und Controllerbelegung zu ändern, was sich hoffentlich bald ändern wird - derzeit ist dies einer der Hauptkritikpunkte am Spiel, unter anderem auch im Hinblick auf die Barrierefreiheit für beeinträchtigte Spieler, die derzeit kaum eine Chance haben, ihre Notwendigkeiten und Bedürfnisse umzusetzen.
Technisch ist noch viel Luft nach oben, auch wenn die ersten Updates schon deutliche Verbesserungen gebracht haben. In der 1440p-Auflösung mit einer RTX 4090 nur auf rund 80 fps zu kommen, ist angesichts der visuellen Umsetzung eher weniger berauschend und auf einem Steam Deck war der Titel kaum spielbar. Immer wieder kam es zu massiven Framedrops und auf dem Steam Deck sogar zu kompletten Freezes.
Der letzte Patch brachte immerhin zeitweise über 100 fps auf die RTX 4090, optimal ist das aber immer noch nicht, vor allem in Anbetracht des Grafikstils, der eigentlich deutlich flüssiger möglich sein sollte. Beim Steam Deck brachten die Updates nicht viel - die Bildwiederholrate blieb instabil und weit von den angepeilten 30 fps entfernt. Wer auf dem Handheld spielen will, muss sich vorerst in Geduld üben. Aber auch hier: Early Access, da geht noch was und hoffentlich integriert Moon Studios noch Upscaler wie DLSS, FSR und XeSS. Zumindest DLSS ist bereits als inaktive Option in den Menüs zu finden.
Vielleicht hätte Moon Studios gut daran getan, den Early Access noch etwas zu verschieben und zumindest die grundlegenden Probleme zu beheben. Natürlich muss man im Early Access mit einigen Unzulänglichkeiten rechnen, schließlich ist eine solche Phase kaum mehr als ein Alpha-Test, aber der erste Eindruck zählt für viele und trotz eines Preises von derzeit 35,99 Euro sind die User mit nur 67 Prozent positiven Bewertungen eher weniger zufrieden und ordnen das Spiel im Mittelfeld ein. Wobei unklar ist, wie viele der Negativ-Bewerter einfach etwas anderes erwartet haben als ein Souls-ähnliches Spiel. Das Potenzial des Spiels ist jedoch unbestreitbar und wir sind gespannt, wie es sich in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird.
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