Test - Nioh: Dragon of the North DLC : Prepare to live! Es gibt ein Leben nach Dark Souls
- PS4
In der Trauer über das Ende der Dark-Souls-Serie und der Neugier darauf, was From Software wohl als Nächstes aus dem Hut zaubern wird, hatte man es beinahe vom Schirm verloren: Nioh, jene Mischung aus Plagiat und Bruder im Geiste, die nun mit seinem ersten von drei DLCs bequem in der Lücke Platz nimmt, die der Aschefürst auf seinem Thron hinterlassen hat.
Kernstück von Dragon of the North sind zwei neue Hauptmissionen, die ein großes Mehr von all dem in den Ring werfen, was man aus dem Hauptspiel kennt. Hinzu gesellen sich eine dritte Hauptmission, die aber weitgehend nur aus einem Bosskampf besteht, und eine größere neue Nebenmission, die auch als Hauptmission durchgehen würde. Kurz gesagt: Drei große Level also und damit vom Umfang her knapp der einer der Inseln aus dem Hauptspiel – ganz ordentlich für einen DLC.
Beim Level-Design gibt es wenig Überraschungen: die übliche Anordnung von Wäldern, Hügeln, Dörfern in Wäldern, Dörfern auf Hügeln, Höhlen, Schluchten, Sümpfen und Anwesen, mal im Schnee, mal bei Tag und mal bei Nacht, aber immer ganz augenscheinlich von From Software inspiriert – böse Zungen mögen es nennen: dreist kopiert. Bereits der erste neue Gegner schreit einem laut ins Gesicht, wo man sich bei Team Ninja geistig gerade befand, als man den Level designte, nämlich im Verbotenen Wald von Bloodborne. Erinnert ihr euch an die Dorfbewohner, denen plötzlich Schlangen aus dem Kopf wuchsen? Die gibt es nun in Nioh auch, sogar in jener ikonischen ersten Begegnung auf einer Brücke, wie im großen Vorbild.
Doch so offensichtlich die Inspirationsquellen für Nioh stets sind, so kongenial gelingt es dem Spiel, niemals nur freches Plagiat zu sein, nicht bloß abzuschreiben, sondern der Fälschung stets den eigenen Stempel aufzudrücken. Das galt fürs Hautspiel genau so, wie es jetzt für den DLC gilt. Dass Team Ninja ihr Spiel sehr am Herzen liegt, merkt man nicht zuletzt daran, dass sie hier nicht lieblos neuen Content rausschleudern, sondern es nochmal bei der Wurzel packen, um die Fans auch noch weit über den nächsten DLC hinaus bei Laune zu halten.
So gibt es nun eine komplett neue Waffengattung, das Odachi, für all jene, die noch einen neuen Charakter an den Start bringen wollen. Auch die bisherigen Waffentechniken und Spielmechaniken haben kleinere Veränderungen erfahren, wie etwa zusätzliche Buffs und das Mitführen eines zweiten Schutzgeistes. Ein neuer Schwierigkeitsgrad, der nochmal härter ist als die ohnehin schon albtraumhaften Zwielicht-Missionen, fällt für mich eher in die Kategorie: Wer's braucht …
Apropos Schwierigkeitsgrad: Dragon of the North setzt mit seiner Geschichte dort an, wo das Hauptspiel endete, und damit einher geht auch das Niveau. Die neuen, meist ziemlich knackigen Gegner wie etwa ein Artverwandter des bekannten Raben-Tengu oder kleine gemeine Vettern der Kristallechsen trifft man nicht nur an neuralgischen Punkten, sondern bald an jeder Ecke und sogar gelegentlich in Grüppchen. Dass man sich das Spiel bisher vor allem im Late-Game mit den richtigen Buffs und Zaubersprüchen relativ leicht machen konnte, scheint Team Ninja mit Interesse beobachtet zu haben und designte daher die neuen Bosse so, dass sie nicht mehr so einfach zu „cheesen“ sind.
Vor allem bei den neuen Nebenmissionen ziehen die Entwickler ordentlich die Daumenschrauben an. Diese fahren die bekannte Mischung auf aus bereits gespielten Abschnitten von Hauptmissionen, Kämpfe gegen Gegnerwellen, und sogar die wegen ihres ultraharten Schwierigkeitsgrades berüchtigten Schlachten gegen zwei Bossgegner gleichzeitig sind wieder mit am Start. Ehrlich gesagt: Spätestens seit dem letzten Drittel des Hauptspiels nerven mich diese generischen Spielzeitfüller ohnehin mehr, als sie Spaß machen. Vor allem die teils extrem schweren Wellengemetzel in Dragon of the North waren mir daher eher ein Akt des Ertragens als des Genießens.
Auf dem Schoß des Aschefürsten
Die Hauptmissionen jedoch verlängern auf angenehme Weise den ohnehin schon langen Atem des Hauptspiels. Die altbekannten Irrgärten aus sich verzweigenden Schläuchen mit ihren Abkürzungen, neuen Gegnern, Kodamas, Verstecken und Nischen spinnen munter das Muster fort, das es seit etwa mindestens 80 Stunden aufzudröseln galt. Einzig ein bisschen mehr Mut zur Eigenständigkeit und Originalität hätte ich mir gewünscht, ein deutlich sichtbares Zeichen von Team Ninja, sich vom großen Vorbild From Software zu emanzipieren. Denn dass man die Klasse dazu hat, ist offensichtlich. Wo immer Nioh mal über den Schatten der dunklen Seele sprang, war es verblüffend kreativ und gewitzt, so etwa der Level auf dem umtobten Schlachtfeld oder bei kleinen Details wie den Mimics, die mit der richtigen Begrüßung zu betören waren.
Solche Ausrufezeichen, die Nioh zu der Eigenständigkeit verhelfen, die es verdient, beenden nur selten die Sätze von Dragon of the North: bei zugefrorenen Flüssen etwa, die einbrechen, wenn man nicht schnell genug über sie huscht. Meistens rollt dann aber doch einfach nur eine riesige Kugel den Abhang hinunter. Insbesondere das Boss-Design, das diesmal ausschließlich die ohnehin eher langweiligen menschlichen Widersacher ins Feld führt, lässt den entscheidenden Pulsschlag an Beherztheit vermissen. Die Levels ein bisschen mehr in die Höhe strecken, statt sie immer nur in der Ebene zu zerfleddern, die Ecken ein bisschen mehr mit Aha-Effekten ausstopfen statt lediglich mit grünen Kobolden, und schon könnte Nioh mit stolzgeschwellter Brust den Schulterschluss mit Bloodborne vollziehen, anstatt ihm bloß auf dem Schoß zu sitzen.
Auch endlich mit dabei ist der schon seit Ewigkeiten versprochene PvP-Modus, der seit dem letzten Patch auch Nicht-DLC-Besitzern zur Verfügung steht. Dass dieser länger als geplant auf sich warten ließ, ist wenig verwunderlich, bedenkt man, wie praktisch gesehen unmöglich ein vernünftiges Balancing in dieser Disziplin ist. Angesichts der Vielzahl an Individualisierungsmöglichkeiten werden bestimmte Charakter-Builds anderen vermutlich immer überlegen sein, egal wie sehr Team Ninja auch zukünftig noch an den Stellschrauben justieren mag. Zum Start hatten PvP-Spieler naturgemäß noch vor allem mit technischen Problemen zu kämpfen, weswegen wir derzeit nicht viel mehr darüber sagen können, als dass es den Modus gibt.
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