Test - Nintendo NES Classic Mini : Als Nintendo noch König war
Ausverkauft, und zwar restlos. Eigentlich schon, bevor es in den Handel kam, denn auch über Vorbestellungen war seit Wochen kein einziges Exemplar des Nintendo Classic Mini mehr zu ergattern. Glaubt man gewissen Elektronikfachverkäufern, so ist Nintendos Retrokonsole sogar gefragter als Sonys PlayStation 4 Pro. Erstaunlich, immerhin hat das Gerät ein paar kleine Macken.
Ist es eine Ironie des Schicksals, dass Nintendo mehr Interesse an einer geschrumpften Retrokonsole generiert als an zeitgenössischer Hardware? Was bewegt die Masse, 69 Euro (oder weit mehr angesichts der Mondpreise auf Ebay) für eine kleine Kiste auszugeben, die aussieht wie ein Schuhkarton, nur ein Viertel der Größe des Originals einnimmt und ausschließlich 8-Bit-Klassiker aus längst vergangener Zeit abspielt? Nostalgie kann nicht der einzige Faktor sein.
Nun, einen Vorteil hat der winzige Kasten gegenüber dem normalen NES: Dank HDMI-Ausgabe in 60 Hz und 720p Auflösung sehen alle Spiele auf einem modernen Flachbildfernseher erheblich schärfer und farbkräftiger aus als über einen analogen Cinch-Ausgang. Wenn es aber eine gewaltige Schwäche gibt, die man dem Miniatur-NES unbedingt ankreiden muss, dann den Mangel an Nachschub. Nicht nur bei den Auslieferungszahlen der Hardware, sondern auch bei der Software.
Hunderte empfehlenswerte Spiele aus zehn Jahren Entwicklungszeit schmücken das Portfolio des 8-Bitters und trotzdem muss man sich mit 30 vorinstallierten Titeln zufriedengeben. Zugegeben, die allermeisten Retroschinken der Auswahl gehören zur Crème de la Crème, von den drei Super Marios über die beiden Zeldas bis hin zu Castlevania und Mega Man 2. Trotzdem schade, dass man nicht einfach ein zweites Spielepaket nachordern kann – vielleicht eines mit Raritäten oder ein Action-Bundle voller Ballerspiele.
In dem Fall hätte man über die Handvoll schwächerer Vertreter, die es unberechtigterweise auf die Platine geschafft haben, locker hinwegsehen können. Balloon Fight und Donkey Kong Jr. sind zwei davon, auf die man locker hätte verzichten können, weil ihr Kultfaktor noch unterhalb des Spielspaßkoeffizienten rangiert, während sich bei Ghosts’ N Goblins buchstäblich die Geister scheiden. Das Automatenoriginal war ein Hit, die NES-Umsetzung bewegte sich irgendwo zwischen technischem Tiefflieger und Frustgenerator. Auch ist schwer nachzuvollziehen, warum das durchaus spaßige Super C (hierzulande bekannt als Probotector 2) die Bibliothek schmückt, obwohl dessen Vorgänger mit Namen Contra erheblich bekannter und beliebter war.
Lizenzierungsschwierigkeiten? Probleme mit irgendeiner Jugendschutzbehörde, die das Original noch immer auf dem Index hat? Wir werden es wohl nie erfahren. Kein Beinbruch, Super C stellt immerhin ein herausragendes Beispiel für Programmierkunst der ausklingenden 8-Bit-Ära dar. Große Spielfiguren, viele bewegliche Objekte, voll ausgenutzte Farbpalette – für NES-Verhältnisse ein Augenschmaus.
Kraftprotz im 8-Bit-Gewand
Mit 30 vorinstallierten Titeln kann man nicht jeden zufriedenstellen, so viel steht fest. Man mag darüber streiten, ob 50 oder 100 Spiele es vermocht hätten. Unterm Strich ist das Angebot immerhin okay und repräsentativ für Nintendos erfolgreichste Zeitspanne. Quasi ein grober Querschnitt einer ganzen Ära, zumal Europäer ein paar der mitgelieferten Klassiker seinerzeit nicht zu Gesicht bekamen. Etwa das erste RPG aus der Final-Fantasy-Saga oder das legendär schwere Schnetzel-Jump-’n’-Run Ninja Gaiden.
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