Test - Millennia : Test: Muss sich Civilization warm anziehen?
- PC
Schon viele Entwicklerstudio haben in den vergangenen Jahren versucht, den Genrekönig Civilization vom Strategie-Thron zu schubsen. Einige ambitionierte Titel hatten es sogar fast geschafft, letztendlich waren sie jedoch allesamt gescheitert. Mit Paradox Interactive fordert nun ein regelrechter Veteran dieses Genres den Klassenprimus heraus.
Millennia setzt nicht nur auf bewährte Features, sondern will gleichzeitig mit einigen neuen Ideen für frischen Wind sorgen. Hinter dem Spiel steckt nicht etwa ein riesiges Entwicklerstudio samt gigantischem Budget, sondern das noch eher unbekannte Team von C Prompt Games. Es besteht aus einer Vielzahl von Entwicklern, die bereits an anderer Stelle reichlich Erfahrung im Bereich der Strategiespiele sammeln konnten, so etwa an Titeln wie Age of Mythology, Starcraft und Warcraft. An ausreichend Know-how dürfte es demnach nicht mangeln. Und tatsächlich macht Millennia vor allem zu Beginn einen viel versprechenden Eindruck.
Wie bei vielen anderen Strategiespielen dieser Art beginnt ihr auch bei Millennia in der tiefsten Steinzeit, genauer gesagt im Jahr 10.000 vor Christus. Die zivilisierte Menschheit befindet sich noch in ihren primitiven Kinderschuhen. Umgehend schickt ihr euren anfänglichen Siedler aus, um das Gebiet zu erkunden und eine erste Stadt zu gründen. Dies ist das Fundament einer jeden Partie in Millennia, jeder fängt bekanntlich mal klein an.
Eines sei gleich an dieser Stelle gesagt: Wer es eher gemächlich und nicht allzu komplex mag, wird mit diesem Spiel keine Freude haben. Bereits in den ersten Minuten zeigt sich, wie tiefgründig das System ist: Ständig ist etwas zu entdecken, einzustellen und beobachten. Mikromangement gibt es reichlich, mitunter etwas schnöde präsentierte Menüs ebenfalls. Doch durchbeißen lohnt sich, denn schon bald sorgt Millennia für die ersten Aha-Momente, die sich sogar vom Genreprimus Civilization abheben.
Eine Frage des (Zeit-)Alters
Zu den großen Besonderheiten zählen nämlich die Zeitalter. Ja, die gibt es natürlich auch in vielen anderen Strategiespielen. Doch im Vergleich zur Konkurrenz schlägt Millennia diesbezüglich einen etwas anderen Weg ein: Ihr könnt die einzelnen Epochen quasi „erforschen“ und somit erzwingen. Das gilt dann übrigens für alle teilnehmenden Nationen, nicht nur für euch selbst. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Reiz im Spielverlauf. Denn wenn ihr als erste Nation ein neues Zeitalter erreicht, winken euch nützliche Boni wie etwa zusätzliche Rohstoffe oder Kulturpunkte.
Hinter dieser Mechanik verbirgt sich die interessante Idee, dass quasi immer die aktuell führende Nation das Zeitalter vorgibt. Das bringt nicht nur Spannung, sondern auch Abwechslung ins Spielgeschehen – der Verlauf ist nicht immer vorhersehbar. Das erfordert von euch mitunter eine enorme Flexibilität bei der weiteren Planung eurer Aktionen.
Und davon gibt es reichlich, denn um euer Reich zu expandieren, müsst ihr auf zahlreiche Dinge achten. Millennia überschüttet euch geradezu mit verschiedenen Punkten. Für nahezu jeden Bereich gibt es solche: Kultur, Diplomatie, Kriegsführung oder Ingenieurswesen. Sie alle wollen möglichst durchdacht genutzt werden, um die eigene Zivilisation voranzubringen. Doch nicht nur darauf müsst ihr achten, auch das Tempo eurer Expansion ist wichtig. Wenn ihr die Grenzen eures Reiches zu schnell erweitert, ohne über ausreichend Kulturpunkte zu verfügen, kann euch das schnell zum Verhängnis werden. Wie bei den meisten Aspekten von Millennia müsst ihr stets eine gewisse Balance bewahren.
Doch das ist gar nicht so einfach angesichts der zahlreichen Faktoren, die ihr stets im Auge behalten müsst. Vor allem die Städteverwaltung inklusive kleiner Warenkreisläufe – Anno lässt grüßen – nimmt mehr Zeit in Anspruch als bei Civilization & Co. Natürlich stehen auch Kämpfe auf dem Programm, das bleibt bei konkurrierenden Nationen, die um den Sieg ringen, nicht aus. Diese zählen jedoch eher zu den Schwächen von Millennia: Weder sind sie besonders hübsch inszeniert, noch sonderlich tiefgreifend. Zu allem Überfluss lassen sie sich nicht deaktivieren, daher müsst ihr dieses notwendige Übel stets über euch ergehen lassen. Auch die Wahl der Nation spielt eher eine untergeordnete Rolle, große Unterschiede hinsichtlich des Gameplay gibt es diesbezüglich nicht.
Die KI ist der größte Feind
So interessant viele der Ideen von Millennia auch sein mögen, hat das Spiel zumindest in der aktuellen Fassung mit einigen heftigen Problemen zu kämpfen. Die mit Abstand größte Baustelle ist das unberechenbare Verhalten der KI. Das macht sich vor allem bei der eigentlich sehr wichtigen Diplomatie negativ bemerkbar. Wenn einer eurer Allianzpartner plötzlich einen Krieg mit seinem Nachbarn vom Zaun bricht, werdet ihr unweigerlich in den Konflikt mit reingezogen. Dabei habt ihr nicht mal die Gelegenheit, die Partnerschaft rechtzeitig aufzukündigen – mitgefangen, mitgehangen. Da die KI solch haarsträubende Entscheidungen quasi am laufenden Band trifft, macht sie euch nervig oft einen Strich eure Rechnung.
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Auch am Balancing hapert es hin und wieder. So sind einige Siegbedingungen mitunter nicht zu erfüllen, da die für euch jeweils verfügbaren Optionen hierfür nicht ausreichen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Zeitalter der Harmonie, dessen Zielvorgaben sich oftmals leider nur durch brachiale Militärgewalt erreichen lassen – und somit an der eigentlichen Prämisse dieser Epoche vorbeischießen.
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