Test - Midnight Club: Los Angeles : Dauerhafter Geschwindigkeitsrausch

In der Wahrnehmung der Spieler rangiert Midnight Club immer etwas weiter hinten als die üblichen Verdächtigen des Rennspielgenres. Von der Presse immer hoch bejubelt, verkaufte sich die Serie mittlerweile millionenfach. Der große Durchbruch gelang dennoch nicht. Immerhin gab es in der Vergangenheit keine jährlichen Updates oder krampfhafte Versuche, der Serie mit Gewalt frisches Leben einzuhauchen. Wozu auch? Das Spielprinzip hat immer bestens funktioniert. Teil vier der Serie reiht sich nahtlos in dieses Erfolgskonzept ein.

130 Meilen auf der Uhr und an der Kreuzung starren mich sechs rote Augen an. Die Mechanik im Oberstübchen rattert. Wohin? Nach links in den Gegenverkehr? Rechts stehen die Fußgänger! Oder doch mitten durch und hoffen, dass mein Flitzer ganz bleibt? Nur noch Millisekunden, bis die Entscheidung getroffen werden muss. Lenkrad nach links! Scheiße, das Heck bricht leicht aus. Gegensteuern und gefühlvoll vom Gas gehen. Der Wagen stabilisiert sich, Vollgas! Lange Gerade voraus und freie Fahrt auf der sechsspurigen Fahrbahn. Der Finger gleitet zum roten Nitro-Knopf:„Wuuuusch!" Die Sicht verschwimmt durch die plötzlich entfesselte Kraft.

Weise Voraussicht gefragt

An der nächsten Kreuzung zeigt der Pfeil des Checkpunktes scharf nach links. Einlenken, Handbremse kurz ziehen, rein in die Kurve, mit dem Gas spielen und ruhig am Kurvenkopf beschleunigen. Aber Moment, wo ist der Gegner? Dieser Schuft hat sich durchs Einkaufszentrum geprügelt und ist eine Wagenlänge voraus. Jetzt aber hurtig. Windschatten nutzen, Turbo aufbauen und - „Wuuuuuuusch!" - ich ziehe mühelos wieder an ihm vorbei. Auf Augenhöhe zünde ich zusätzlich die EMP und setze seinen Camaro außer Gefecht. Das hast du davon, du Sacknase! Über Funk höre ich noch ein fluchendes „My Ride!!!" und grinse beim Überfahren der Ziellinie.

Zurück in der Garage betrachte ich meine Karre. Der Lack hat arg gelitten, der Frontspoiler hängt herunter und die Heckklappe lässt sich nicht richtig schließen. Aber egal, die Reparatur kostet mich nichts. Lieber mal einen Blick in die Regale werfen, ob wieder ein paar neue Teile für meinen Flitzer auf den Markt gekommen sind. Von der anfänglichen Schrottkiste hat sich der Nissan 240SX zu einer schnieken Karosse entwickelt. Spoiler rundum geben ein aggressiveres Auftreten. Die Scheinwerfer wurden ausgetauscht, neue dreiteilige Felgen sind zwar sauteuer, machen aber auch einiges her, denn ich habe den Lackiermeister bemüht. Der Innenraum hat ebenfalls eine Generalüberholung hinter sich. Sportsitze und -lenkrad, neue Armaturen und ein paar Zusatzinstrumente wurden verbaut. Frische Farben gab's obendrauf.

Teure Spielzeuge

Auf Parkplätzen treffen sich die tollkühnen Fahrer in ihren aufgemotzten Kisten. Ich fordere sie gerne zum Duell. „Pinkslip" nennt sich das Spielchen. Der Gewinner sackt den Fahrzeugbrief des Verlierers ein. Auf diese Weise habe ich schon einige nette Wägelchen bei Hollywood Auto, der Werkstatt meines Vertrauens, geparkt. Mit jedem Rennen gewinne ich mehr Respekt, steige im Rang und Ansehen. Immer neue Fahrer treten an mich heran und wollen gegen mich Rennen durch Los Angeles fahren. Entweder fahren wir von einer Ampel los zur nächsten oder richtig lange Checkpunktrennen, die uns durch das gesamte Stadtgebiet führen. Auf den Freeways warten die richtig schnellen Leute.

Diese Stadt ist wirklich unglaublich. Breite Straßen, Free- und Highways. Viel Platz für unsereiner. Kein Haus gleicht dem anderen, der Asphalt ist an vielen Stellen aufgerissen. Alles wirkt total realistisch. Wenn nur der Verkehr und die Polizei nicht wären. Ein bisschen mehr Rücksicht kann ich doch erwarten, wenn ich mit Hochgeschwindigkeit den Sunset Boulevard runterrase, oder? Aber nein, Gegenverkehr stellt sich mir in den Weg, an roten Ampeln bleiben die Hanseln einfach stehen und wenn ich Pech habe und im Park ein wenig den Rasen lüfte, dann stellen die Bullen gleich Ermittlungen an. Haben sie mich entdeckt, dann lassen die Burschen auch nicht locker. Lange Verfolgungsfahrten durch die Häuserschluchten sind die Folge. Die wissen einfach nicht, wann sie verloren haben.

Glitzermetropole?

Atemberaubend ist es aber nicht nur bei Tag, sondern auch in der Nacht. Tausende Lichter erhellen die Straßen. Bei hohem Tempo flitzen die Lämpchen nur so an mir vorbei. Immer wieder starre ich fasziniert durch die Windschutzscheibe und bin selbst über die hohen Geschwindigkeiten erstaunt. Es regnet nicht oft an der Westküste, aber wenn, dann spiegelt sich die Umgebung in den Wasserlachen auf dem Asphalt. Eigentlich ist Los Angeles eine hässliche Betonwüste, aber in Midnight Club: Los Angeles kommt mir die Metropole schillernd, pulsierend und gar nicht so hässlich vor.