Test - Metro Redux : So genial kann Grafik auf der Switch aussehen
- NSw
Die Spiele der Metro-Reihe waren schon immer dafür bekannt, aus ihrer jeweils aktuellen Hardware das grafische Maximum herauszukitzeln – eine Disziplin, in der Nintendos Switch eher berüchtigt als berühmt ist. Umso gespannter waren wir auf die Umsetzung von Metro 2033 und Metro: Last Light in der Redux-Version für die technisch eher schwachbrüstige Konsole.
Als PC-Spieler hat man Metro 2033 und noch mehr seinen Nachfolger Last Light als das Nonplusultra in Sachen Grafik in Erinnerung. Angesichts dessen stellt sich unweigerlich die Frage: Ist solch eine Pracht auf der Switch überhaupt in dieser Form oder nur unter einschneidenden Kompromissen möglich? Doch wie so häufig muss das Gedächtnis im Zerrspiegel der Erinnerung erstmal wieder ins rechte Licht gerückt werden, von dem es sich im Abstand der Jahre ins schummrige Dunkel der Verklärung entfernt hat.
Metro 2033 ist mittlerweile bereits zehn Jahre alt und damit ganz tiefe Last-Gen-Vergangenheit. Damit sollte eigentlich sogar die Switch klarkommen, sollte man meinen. Zumal die Grafikpracht, die man sich vor dem inneren Auge vergegenwärtigt, vermutlich ebenso wenig der Realität entspricht wie der vermeintliche Fotorealismus der ersten CD-ROM-Spiele. Und tatsächlich bezeugen Kleinigkeiten wie nicht immer ultrahoch aufgelöste Texturen, manche Ecken und Kanten und vor allem die altbackenen (Gesichts-)Animationen unzweifelhaft, dass dieses Spiel eigentlich einer anderen Ära entstammt. Das war‘s aber auch schon. Alles andere ist einfach nur sensationell ...
Grafik: Ist das noch Switch oder schon Current-Gen?
Es sagt viel über die Qualität dieses Switch-Ports aus, dass ich jedem meiner Kollegen, der mir beim Zocken über die Schulter schaute, auf die Frage „Ist das Metro?“ erstmal antworten musste: „Ja. Aber auf Switch wohlgemerkt.“ Woraufhin in der Regel ein erst überraschtes, dann sogleich anerkennendes Hochziehen der Augenbrauen folgte. Einen derartigen Look, dreckig, düster, detailliert, bar jeder Putzigkeit, ist man von der Familienkonsole nicht gewöhnt. Und auch nicht diese Grafikqualität. Meine Güte, sieht das in der verbesserten Redux-Version fett aus! Fast genau so, wie man es sich in seiner Erinnerung vorstellt – und das ist mit das größte Kompliment, das man einem solch betagten Spiel und erst recht der Switch machen kann.
Wo etwa vor kurzem das Switch-Remaster von Assassin‘s Creed IV: Black Flag in jedem Moment seine Natur als Zeitreisender aus einer anderen Hardware-Epoche unmissverständlich erkennen ließ und vor Augen führte, welche Kluft zwischen der damaligen und der heutigen Technik klafft, wirkt Metro mit Einschränkung wie der Port eines halbwegs aktuellen PS4-Spiels. Unglaublich wie wenig dieses Spiel gealtert ist – ganz im Gegensatz etwa zu God of War 3 und Dragon Age: Origins, die damals am exakt selben Tag (!) erschienen wie Metro 2033.
Wenngleich es angesichts dieser Grafikpracht zunächst nicht so scheinen mag, ist Metro wie geschaffen für eine Umsetzung auf die Switch. Denn die eingeschränkte Sichtweite in den U-Bahn-Tunneln und die strenge Linearität des Spielablaufs fordern die Hardware weniger als die weiten Areale moderner Shooter und geben ihr so den Freiraum für unverschämt viele Feinheiten und Effekte, denen es auf beeindruckende Weise gelingt, das tatsächliche Alter der Grafik zu vertuschen, ohne sie mit behelfsmäßigen Unschärfiltern wie in Wolfenstein 2 verschandeln zu müssen.
Besonders der massive Einsatz von Grafikeffekten lässt das Gezeigte in einer geradezu prahlerisch zu nennenden Opulenz erstrahlen, wie sie ganz und gar untypisch für die Switch ist. Die Szenen in den Bunkern der Metrostationen etwa, in denen die letzten Überlebenden mehr vor sich hinvegetieren als ihr Dasein fristen, wirken in beinahe schon protziger Übertreibung vollgestopft mit leuchtenden Lampen, blinkenden Lichtern, sprühenden Funken, deren Lichtstrahlen sich in bunten Reflexionen brechen, ihre Schatten an den Wänden zum Tanzen bringen und den wabernden Rauch aus Zigaretten und Lagerfeuern erstrahlen lassen, dass es den Eindruck erweckt, die Entwickler spielten hier mit der Potenz ihrer Engine wie ein Bodybuilder mit seinen Muskeln.
Wenn dann noch das Licht der Scheinwerfer den aufsteigenden Nebel in den dunklen U-Bahn-Tunneln geisterhaft erfüllt, schwebende Ascheteilchen in der Luft wie Glühwürmchen glitzern und sich auf der Linse der Gasmaske die Wassertropfen mit den Blutspritzern vermischen, versetzt das in ein Staunen, das unvergleichlich geschickt von kleinen Einschränkungen wie der schon in wenigen Metern Tiefe beginnenden Unschärfe ablenkt. Selbst die mangelnde Kantenglättung der Switch kaschieren die Entwickler sagenhaft clever durch minimal gröbere Pixel, die das Bild zwar mitunter leicht schwammig, aber dafür nahtlos wie aus einem Guss wirken lassen.
So viele Effekte, so viele Details, solch eine Inszenierung habe ich auf der Switch bislang noch nicht gesehen – und auch nicht für möglich gehalten. PS4- und Xbox-One-Besitzer werden trotzdem sicherlich amüsiert die Nase rümpfen, doch auch sie werden zumindest nicht um ein anerkennendes Nicken herumkommen. Metro ist zweifellos ein Kind der letzten Konsolengeneration, doch gerade als solches führt es eindrucksvoll den technischen Fortschritt vor Augen, wenn man bedenkt, dass hier und heute ein Spiel, das vor wenigen Jahren noch das Maß aller Dinge auf sündhaft teurer Hardware darstellte, auf einem flachen Tablet läuft, dessen Rechenleistung noch nicht einmal von einem Lüfter gekühlt werden muss.
Gameplay: Das bessere Call of Duty?
Doch auch spielerisch stellt Metro aus heutiger Sicht eine interessante Reise in die Vergangenheit des Shooter-Genres dar, als Call of Duty: Modern Warfare der heißeste Scheiß war und seine Spielegattung durch seine simple und vorwiegend am inszenatorischen Spektakel interessierte Bauart in eine neue Ära der Spielegeschichte führte und gleichzeitig inhaltlich doch um Jahre zurückwarf.
Metro eiferte dieser Blaupause nach, ohne sie jedoch abzukupfern. Ihre vorstechenden Kennzeichen: Erstens ein streng lineares Leveldesign, für das sich der Ausdruck „Schlauch“ einbürgerte, weil sich der einzig mögliche Weg auf eine unbeirrbare Weise durch die Spielwelt fräßt, wie sie ausschließlich innerhalb der Logik von Videospielen einen Sinn ergibt. Zweitens geskriptete Szenen, in denen das Spiel dem Spieler regelmäßig die Kontrolle nimmt und ihn so zum Zwangsbewunderer der orgiastischen Inszenierung macht. Geradezu klischeehaft typisch für diese Form der Inszenierung in der damaligen Zeit: Szenen, in denen der Held von einer anderen Person am ausgestreckten Arm aus der Bredouille gezogen wird. Allein in seiner ersten Stunde zitiert Metro dieses Stilmittel an die fünf Mal.
Die Einflüsse von Call of Duty sind bereits in der erinnerungswürdigen Eröffnungsszene von Metro 2033 deutlich zu erkennen. Gleich zu Beginn werden wir mitten hineingeworfen in ein apokalyptisches Spektakel, wie es seinerzeit seinesgleichen suchte. An der Oberfläche des nach einem Atomkrieg verwüsteten und verstrahlten Moskau gerät Held Artjom in den Hinterhalt eines Rudels von mutierten Monsterhunden, während gleichzeitig riesige drachenartige Fledermäuse aus der Luft angreifen, ein ganzes Autowrack packen und auf ihn schleudern, während wir nicht mehr wissen, wie uns geschieht. Metro dreht von der ersten Sekunde an alle Hebel auf Anschlag.
Doch mit einem bloßen Plagiat gab sich Entwickler 4A Games nie zufrieden. Metro sollte immer schon das insgeheim „bessere Call of Duty“ darstellen, zumindest aber ein Call of Duty, das anders ist. Allein schon durch das einzigartige Setting. Und den starken Fokus auf die Geschichte. Seine Atmosphäre zwischen trostloser Apokalypse, psychologischem Überlebensdrama und dezentem Monster-Horror. Und auch spielerisch durch das anspruchsvollere Gameplay in einem ständig Wechsel von Ballern und Schleichen.
Ein Spiel, wie es im Buche steht
Metro basiert auf den Büchern von Dmitri Gluchowski, in denen die Ruinen der russischen Hauptstadt in erster Linie weniger als Setting für Kämpfe zwischen Menschen und Mutanten dienen, sondern Bühne waren für ein soziologisches Gedankenexperiment, ein Mikrokosmos unterschiedlicher Gesellschaftsformen, die unter dem Brennglas des apokalyptischen Szenarios gegeneinander ausgespielt wurden: Demokraten, Militaristen, Faschisten, Händler, religiöse Fanatiker.
Gruppen unterschiedlichster Ideologie treten im Kaleidoskop der Moskauer U-Bahn in einen ideologischen Wettstreit ums Überleben. Survival of the Fittest als endzeitliches Game of Thrones gewissermaßen. Von der vielschichtigen Diskussion ist in den Spielen zwar nur noch ein fernes Echo während der Nachladepausen zu hören, dennoch verleiht der dezent philosophische Unterbau diesem nicht gerade für seine Subtilität bekannten Genre eine fesselnde inhaltliche Tiefe.
Spielt man Metro 2033 und Metro: Last Light im Doppelpack der Redux-Edition hintereinanderweg, wirken sie derartig Rücken an Rücken gestellt wie kleiner und großer Bruder: ein typischer Erstling und seine reifere Fortsetzung. Wo in 2033 das Wechselspiel zwischen Action und Schleichen noch etwas holprig ausfiel, wirkt es in Last Light von Grund auf ausgefeilter und bildet dort einen zentralen Aspekt des Gameplays, statt dieses nur in bestimmten Momenten unentschlossen zu flankieren. Die Gameplay-Merkwürdigkeit, dass Munition gleichzeitig auch als Währung fungiert, entstammt direkt der Romanvorlage und demonstrierte anschaulich, dass nicht alles, was einen narrativen Zweck erfüllt, auch spielerisch einen Sinn ergeben muss. Sie wurde im Nachfolger stark entschärft und darf in den Optionen der Redux-Version vollständig den eigenen Vorlieben angepasst werden.
Erzählerisch und im Ablauf ähneln sich die beiden Spiele sehr, was vor allem auch daran liegt, dass die Geschichte von Last Light auf keiner Vorlage basiert, sondern direkt für das Spiel geschrieben wurde, weil die Entwickler befanden, die Romanfortsetzung Metro 2034 sei nicht für ein Actionspiel geeignet. Dadurch wirkt sie bisweilen wie eine lediglich aufgebohrte Variation des Vorgängers, kann sich aber mehr Freiheiten erlauben, um die Handlung enger an das Spielgeschehen zu knüpfen.
Auf Switch beeindruckt insbesondere, dass der Nachfolger auch auf der Nintendo-Konsole den grafisch ohnehin beeindruckenden ersten Teil nochmal in jederlei Hinsicht deutlich übertrifft. Nur der Schwarz-Kontrast war in manchen Schleichpassagen (vor allem auf dem Handheld) so dermaßen dunkel, dass nur ein manuelles Nachjustieren der Helligkeit am Bildschirm die Unspielbarkeit verhinderte. Die Entwickler versprechen aber baldige Abhilfe per Patch.
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