Test - Loot River : Geniale Idee: Bloodborne trifft Tetris
- PC
- XSX
- One
Die Indie-Szene lebt von Spielen, die altbekannte Regeln aufbrechen, durchmischen und zu etwas ganz Neuem verarbeiten, das aus der Masse heraussticht. Loot River wäre so ein Spiel geworden, wenn es nicht etliche Spielelemente auf einmal in sich vereinen wollte, die in der Ausführung (noch?) nicht so recht ineinander passen wollen. Etwas mehr Trennung hätte diesem Roguelike besser gestanden.
Loot River von den slowakischen Straka Studios ist ein prozedurales Hack-n-Slash im 16-Bit-Pixel-Look, das sich in seiner Basis an den Regeln typischer Roguelikes orientiert. Man dirigiert ein Pixel-Strichmännchen in Vogelperspektive durch einen Kerker, der im Wasser versunken ist, kämpft mit Schwertern und Speeren gegen Unholde, lernt und wächst an seinen Aufgaben. Aber sobald die Hauptfigur stirbt, fängt der Spaß von vorn an. Für manche Spieler ist das allein schon ein Ausschlusskriterium. Wozu spielen, wenn ein einziger Ausrutscher jeglichen Erfolg zunichte macht?
Liebhaber des Roguelike-Genres als harte Hunde einzustufen, wäre wahrscheinlich zu viel des Guten. Dass sie geduldig sind und Durchhaltevermögen beweisen, kann man ihnen dagegen nicht absprechen. Allerdings strapaziert Loot River diese Geduld heftiger als sonst, denn hier kommen einige Rahmenbedingungen als grober Mischmasch zusammen, die bei anderen Entwicklern ganze Spiele definiert hätten.
Puzzle dich durch
Da wäre zum Beispiel die ulkige Art der Fortbewegung. In Loot River läuft der Held nicht meilenweit durch etliche komplexe Labyrinthe. Nein, er stellt sich auf Inseln, die in einem großen Wasserbecken stehen, und nicht zufällig Tetris-Klötzen ähneln. Diese Inseln lassen sich durch Kommandos auf dem rechten Analogstick des Controllers verschieben beziehungsweise aneinanderreihen, sodass man sich eigenhändig Wege durch den Kerker zusammenpuzzelt. Bewegt wird immer nur jene Insel, auf welcher der Held augenblicklich steht.
Ist das nicht eine irre Idee? Mein Gott, wie viele sprichwörtliche Puzzlemöglichkeiten ergeben sich dadurch abseits des Suchens nach dem richtigen Pfad! Variable Schlachttaktiken? Cheezen durch das Trennen besonders harter Fieslinge von restlichen Mobs? Stellungs-Spielereien mit Endgegnern? Ja, verdammt! Das ist wirkliche eine Wahnsinnsidee, an der man in den ersten Minuten vor Freude glucksend zehrt.
Aufgrund der prozeduralen Natur der Spielabschnitte lässt sich keines der Kerker-Layouts auswendig lernen. Man muss buchstäblich in Echtzeit puzzeln, wie bei einem laufenden Tetris-Match. Hier soll man einen Schlüssel finden, da sucht man eine Insel mit einer Treppe, die auf eine höhere Ebene führt, und an anderer Stelle gilt es, die Plattformen in der richtigen Reihenfolge zu bewegen, damit man aus einem Geflecht von Inseln heraustreten kann. Mega!
Tia, zumindest eine Zeit lang. Genauer gesagt, bis zu dem Moment, an dem man merkt, dass sich ein weiteres Spielelement aufdrängt, das von Minute zu Minute mehr vom Puzzlen ablenkt. Ein Element, das man angesichts des winzigen Heldensprites so nicht erwartet hätte: erbarmungslose, Souls-typische Parade-Moves und die zugehörigen Hit-and-Run-Vorgaben.
Die Mischung dieser beiden Spielelemente ist eigentlich clever und könnte sich wunderbar ergänzen. Siehe allein die Möglichkeit des Cheezens durch das Verschieben der Inseln mitten im Kampf. Man hofft also das Beste und wartet auf die Früchte einer kongenialen Gamplay-Symbiose. Aber sie stellt sich nicht ein. Stattdessen wächst Frust an. Das Gefühl nicht vorwärtszukommen und zugleich nichts aus den eigenen Fehlern zu lernen, nimmt irgendwann Überhand. Eine tödliche Entwicklung für ein Roguelike. Aber woran liegt das?
Eine vielversprechende Genre-Hochzeit
Nun, in den ersten Spielstunden fällt es schwer, den Schwachpunkt im Spieldesign ausfindig zu machen, schließlich gaben sich die Entwickler alle Mühe, der typischen repetitiven Natur des Genres ein Schnippchen zu schlagen. In jedem neuen Anlauf erwirbt man neue Waffen, Rüstungsteile und magische Kräfte, die das Herausfriemeln einer neuen taktischen Herangehensweise ermöglichen. Ein echtes Inventar gibt es nicht. Ausgerüstet wird immer vor Ort mit einem Gegenstand, den man gerade findet. Das alte Zeug verschwindet auf Nimmerwiedersehen.
Gar keine schlechte Idee, denn so muss man sich immer auf Gedeih und Verderb einer Spielart verschreiben. Mal passiver als zuvor, mal aggressiver, mal überhaupt nicht an Kämpfen orientiert, sondern feige herumwuselnd. Wozu kämpfen, wenn man sich vorbeischleichen und Inseln vom Feind wegbewegen kann? Wobei gewisse taktische Vorgehensweisen auch durch Modifikatoren vorgegeben werden, die man nach dem Besiegen größerer Gegner aktiviert. Beispielweise ein Modifikator, der im nächsten Abschnitt weniger Inseln generiert und den Weg dadurch geradliniger macht.
Zudem halten viele Spielabschnitte gewisse Gestaltungsmerkmale bereit, die bei Laune halten. So darf man unter keinen Umständen Öllampen zerstören, weil sonst die Insel, auf der man momentan steht, in Brand gerät. Stößt man mit einer brennenden Insel auf ein weitere, dann wird das Feuer weitergegeben. Einfach weglaufen löst die Zwickmühle also nicht. Man muss einen schnellen und sicheren Fluchtweg finden, der auf sicheren Boden führt. Klappt natürlich nicht immer, sodass der ein oder andere Bildschirmtod unnötigem Missgeschick zuzuschreiben ist.
Passiert eben, aber zum Glück lässt sich Vorsorge treffen. Nach jedem Bildschirmtod erwacht der Held in der sogenannten Zuflucht, einer Art Basis-Hub mit wohlgesonnen Helfern. Von Anfang an ist es beispielsweise möglich, bei einem Alchemisten Heiltränke zurückzulegen, auf das sie sich bei der nächsten Begegnung mit ihm verdoppeln. Mit der nächsten Begegnung kann das automatische Treffen nach dem Ableben gemeint sein oder die Absolvierung eines kompletten Spielabschnitts. So oder so wird man für ein wenig Risiko belohnt.
Andere Helfer verkaufen Waren im Austausch gegen Artefakte, die man aus Truhen plündert, wobei der ein oder andere NPC erst dazu überredet werden muss. Kurzum: je länger man durchhält, desto besser werden die Bedingungen, das Abenteuer zu überleben. Steigendes Wissen (quasi Erfahrungspunkte) lässt Lebensleiste und weitere Attribute wachsen. Man kämpft sich Zentimeter für Zentimeter ein Stück weiter durch.
Typisch Roguelike und grundsätzlich das richtige Rezept zum Steigern der Motivation. Trotzdem klafft eine große Lücke zwischen Idee und Ausführung, die zu ungewollten spielerischen Sackgassen führt, denn auf dem begrenzten Platz der kleinen beweglichen Inseln findet man manchmal keine Zuflucht, wenn man mal von Gegnern überrannt wurde. Da kann man cheezen wie man will, parieren bis zum Sanktnimmerleinstag und noch so geschickt ausweichen. Manchmal ist ein Bildschirmtod unausweichlich, sobald man vom Mob umkreist wurde.
Kein Platz zum Leben
Moment mal! Sollten die beweglichen Inseln nicht diesen Freiraum gewähren? Ja, die Spieldesigner vertrauen darauf, dass man in solchen Situationen von einer Insel zur nächsten huscht und Abstand gewinnt. Eine Vorgehensweise, die ganz besonders bei den teils bildschirmfüllend großen Endgegnern lebenswichtig ist, damit man ihren Giganto-Laserstrahlen, schwingenden Armen und ihrem Schwarm aus Helferkreaturen aus dem Weg geht.
Aber was, wenn das gerade nicht möglich ist, weil sämtliche kommenden Inseln mindestens einen großen Klotzgegner beherbergen oder kleine schnelle Widersacher einem auf Schritt und Tritt folgen? Wie soll man lebenswichtige schwere Attacken aufladen, wenn zugleich Gegner wie Flöhe um einen herumtanzen?
Das ist der Punkt, an dem sich das Spielprinzip mit den Tetris-Inseln und der Soulslike-Anteil gelegentlich im Weg stehen. Es gibt manchmal keine praktikable Rückzugsmöglichkeit. Zumal das Heldensprite derart winzig ist, dass seine Ausrichtung im Schlachtgetöse untergehen kann.
>> Spiele, die dich fertig machen: Die 10 besten Roguelikes <<
In Dark Souls oder Sekiro mögen die Ansprüche an Timing und Kampfstrategie hoch sein, aber sie sind immer einschätzbar. Man verliert einen Kampf nicht, weil man die Waffe des Helden, beziehungsweise die Richtung, in die er schaut, aus den Augen verliert. In Loot River passiert das durchaus. Selbst auf einem 65-Zoll-Fernseher. Unverzeihlich angesichts der Sekundenbruchteile, die einem manchmal zum Parieren oder Wegrollen bleiben. Erst recht bei einigen größeren Gegnern, deren gigantische Schwerter über derart großzügige Collider verfügen, dass man das Gefühl hat, Wahrsager sein zu müssen, um ihnen zu entkommen.
Es mag nach einer konservativen Ansicht klingen, aber ein wenig mehr saubere Trennung hätte den Spielelementen gut gestanden. Souls- und Roguelike? Warum nicht, dann aber bitte die Puzzelei davon trennen und sie ausschließlich als Wegfindungselement verwenden. Puzzle und Souls-like? Auch das geht, dann aber bitte ohne Rogue-Elemente, damit Patzer im Kampfsystem nicht gleich zu einem Neustart führen.
Loot River steht sich selbst im Weg, weil es alles zugleich sein will. Dabei liegen doch einige Stolpersteine auf der Hand. Wenn man schon auf Gedeih und Verderb seiner nicht austauschbaren Ausrüstung ausgeliefert ist, müssen die Kampfarenen großzügiger ausfallen, um jeder erdenklichen Strategie den nötigen Platz zu gewähren. Ein prozedurales Leveldesign kann das nicht garantieren, also müssten doch zumindest die heftigeren Gegneransammlungen an Orte mit mehr Platz gebunden sein. Sind sie aber nicht. Der Zufall hat in Loot River leider viel zu viel Einfluss auf den Erfolg, und man kann sich weder darauf vorbereiten noch strategisch entgegenwirken.
Kommentarezum Artikel