Test - Lego Bricktales : Endlich ein Lego-Spiel, das kreativ ranklotzt
- Multi
Charmant waren alle Lego-Spiele, die sich seit der Playstation-2-Ära mit viel Action und familiengerechten Adventure-Elementen in unser Herz geklotzt hatten. Doch fehlte ihnen das, was echtes Lego seit jeher so attraktiv macht, nämlich der kreative Freifahrtschein. Klemmbausteine sind für Kinder mehr als nur Konstruktionswerkzeuge. Sie machen Fantasie greifbar. Schön, dass Lego Bricktales diesen Gedanken endlich in Software gießt.
Die Behauptung, ein Videospiel vermittle einem Erwachsenen das Gefühl, wieder fünf Jahre alt zu sein, birgt massig Cringe-Potenzial. Für die Zielgruppe der Sechzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen hat ein derartiges Spiel die Anziehungskraft einer Zyankalikapsel, schließlich ist man in dem Alter froh, endlich den Beschränkungen der Kindheit entkommen zu sein. Jenseits der Dreißig ändert sich das wieder, und Lego Bricktales hilft gewaltig, sich dem Gefühl nicht mehr verweigern zu wollen. Es verführt mit dem Zauber der Kreativität, ohne Reue in die Haut eines fünfjährigen Kindes zu schlüpfen.
Der Grund dafür liegt in dem, was echte Steckbausteine so begehrt macht: Man darf alle erdenklichen Dinge bauen, ohne eine Anleitung oder gar handwerkliches Geschick zu benötigen. Was man zusammenbastelt, muss nicht einmal schön aussehen, solange es funktioniert. Ein bisschen Knobeln aufgrund begrenzter Bauteile gehört allerdings dazu. Klingt das nicht viel eher nach dem eigentlichen Sinn hinter den dänischen Klötzchen als Star-Wars-Adaptionen mit Plastiküberzug?
Mikro-Universen mit Noppen
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der erzählerische Rahmen von Lego Bricktales nur marginal von anderen Lego-Spielen, geht es doch um ein typisches Action-Adventure. Ihr steuert eine Hauptfigur, die ihr nach eigenem Gutdünken aus den üblichen Legofigur-Bestandteilen zusammenbaut, mit dem Ziel, eurem wissenschaftlich begabten Großvater bei der Reparatur seines Labors zu helfen. Dieses kurze Tutorial setzt nicht mehr als ein paar Handgriffe voraus. Anschließend bittet euch der Professor um die Hilfe beim Wiederaufbau seines Vergnügungsparks. Ein kleiner fliegender Roboter namens Rusty, der euch dabei unterstützen soll, verrät, dass ihr dazu sogenannte Fröhlichkeitskristalle benötigt, die man immer dann findet, wenn man Menschen aus der Patsche hilft.
Noble Taten, für die ihr mittels eines Dimensionsportals in entlegene Ecken der Lego-Welt reist. Mal geht es in einen Dschungel, in dem Passagiere eines abgestürzten Flugzeugs gerettet werden möchten, mal auf eine Burg im finsteren Mittelalter, in der die Untertanen des Königs an einer Vergiftung leiden. Ein andermal besucht ihr eine futuristische Stadt, die von gemeinen Robotern besetzt wird. In jeder dieser Umgebungen durchsucht ihr alle zugänglichen Wege, sprecht mit den Bewohnern, bietet euch als Held an und rettet selbstlos den Tag.
Das ist freilich leichter gesagt als getan, denn sämtliche Plastikwelten entpuppen sich als Mikro-Universen, die sowohl in ihrer grafischen Darstellung als auch in ihrer grundsätzlichen Präsentation dem von Lego Builder’s Journey ähneln. Soll heißen: stark begrenzte Areale schweben wie auf dem Werbe-Flugblatt eines Lego Themensets im Nichts, wodurch sie euch begrenzten Spielraum für Erkundungen gewähren. Warum? Nun, es geht um eine stilistische Angelegenheit, denn im Gegensatz zu Lego Star Wars und Konsorten verzichten die Entwickler auf Eigenkreationen in der 3D-Grafik. Alles, vom kleinsten Stein auf dem Boden bis zur Vegetation, besteht aus originalgetreuen Bausteinen.
Verglichen mit dem erwähnten Lego Builder’s Journey, das euch immer nur kurze Mini-Rätsel von kaum mehr als einer Bildschirmbreite vorsetzte, offeriert Bricktales ein Vielfaches an zusammenhängender Spielfläche. Dennoch besteht eine verblüffende Ähnlichkeit in der Darstellung beider Spiele. Sie nutzen beinahe dieselbe Dreiviertel-Vogelperspektive und blättern zwecks Übersichtlichkeit zwischen mehreren Segmenten einer Umgebung hin und her.
Ein willkürlicher Designkniff? Mitnichten! Vielmehr sollt ihr genau wie in Builder‘s Journey kleine Rätsel durch Anpassung der Lego-Strukturen lösen. Genau genommen besteht hier die Aufgabe im Erstellen eigener Kreationen, welche die Welt vervollständigen.
Bauen (beinahe) frei nach Schnauze
Im Dschungel erreicht ihr beispielsweise irgendwann eine unüberwindbare Schlucht. Ein kleines Hammer-Symbol vor dem Abgrund zeigt dort an, dass ihr kreativ tätig werden müsst, um weiterzukommen. Nehmt ihr die Herausforderung an, so schaltet das Spiel in eine neutrale Bau-Ansicht, in der ein fest vorgegebenes Repertoire an Steinen vorliegt, während ein transparenter Quader zeigt, welche Größe euer Bauwerk maximal einnehmen darf, wenn es in die Spielwelt passen soll.
Nun steht es euch völlig frei, wie ihr die benötigte Brücke zusammensetzt, solange sie sich auf die wenigen vorinstallierten Lego-Bauteile des Szenarios stützt und bei Belastung nicht zusammenfällt. Per Maus oder Controller dirigiert ihr Steine in den Baubereich und verbindet sie im Grunde so, wie ihr es mit den Händen tätet, wenn ihr echte Klemmbausteine vor euch hättet. Funktioniert in der Regel gut, weil die Steuerung auf wenige verständliche Kommandos vertraut.
Wobei es manchmal doch etwas fummelig werden kann. Einerseits verliert der Bau-Cursor immer wieder die Orientierung, wenn ihr eure Kamera-Ansicht verändert, andererseits fällt es weit schwerer, Bauwerke von oben nach unten zusammenzustecken als umgekehrt. Letzteres ist nicht oft vonnöten, aber wenn, dann kann es bei ungeduldigen Spielern Schreie der Verzweiflung hervorrufen, weil das Spiel manche Analogstick-Eingaben zu grob interpretiert. Eine von der Kamera unabhängige, alternative Steuerungsoption wäre höchst willkommen, um fummeliges Steinchenfriemeln angenehmer zu gestalten. Zum Glück stehen selten komplexe Bauten an, daher kommt man mit ein wenig Geduld und Spucke durch.
Übung macht den Meister, sodass ihr euch mit der Zeit auf den kreativen Teil konzentrieren könnt. In den meisten Fällen könnt – nein müsst - ihr intuitiv arbeiten, weil euch weder eine Anleitung noch irgendeine Form von Design-Vorbild vorliegt. Ausnahmen, in denen ihr eine exakte Kopie eines Werks erstellen sollt, bestätigen die Regel. Ansonsten gilt: eine Brücke ist eine Brücke ist eine Brücke. Ob sie stabil in den vorgegebenen Sockeln hält, erfahrt ihr, wenn ihr die Szene mithilfe eines Einrad-Roboters simulieren lasst. Schafft er es auf die andere Seite, ohne dass die Brücke einstürzt, dann habt ihr es geschafft, ganz egal, welche architektonischen oder ästhetischen Verbrechen ihr fabriziert.
Klingt einfach und ist in einigen Fällen auch kaum der Rede wert. So eine Brücke oder eine Treppe bastelt ihr ohne Nachdenken in fünf Minuten zusammen. Doch der Schwierigkeitsgrad steigt rapide, bis Physikvorgaben in Form von Belastbarkeit und Balance herbe Kopfnüsse servieren, die ihr nicht mal so eben im Vorbeigehen löst. Eine Eulenschaukel, die trotz asymmetrischer Struktur das Gleichgewicht halten soll? Eine Feuertreppe, deren Bestandteile trotz begrenztem Platz einander stützen müssen? Da geht einiges an Bedenkzeit und Geduld für wildes Herumprobieren drauf. Das ein oder andere Mal werdet ihr Konstruktionen, die ihr für beinahe komplett haltet, wieder auseinandernehmen, weil doch irgendeine Kleinigkeit nicht zusammenpasst. Passiert sogar öfter als man denkt, obwohl ihr in jedem Puzzle weit mehr Legosteine zur Verfügung gestellt bekommt, als ihr am Ende benötigt.
Egal wie knifflig das ein oder andere Baurätsel sein mag, ist das Ego erst einmal angekratzt, entfaltet die Kombination aus losen Bauvorgaben und vogelfreier Baulust einen Suchtfaktor ungekannten Ausmaßes. Man knobelt und fummelt und werkelt bis die Ohren glühen. Und wenn es nicht gleich funktioniert, geht man ins Bett und grübelt beim Einschlafen, welche Lösung man wohl übersehen haben mag. Ungelogen: das ist reine Spielfreude, wie man sie zuletzt als Kind erlebt hat, auch wenn man sich manchmal über seine eigene Blödheit wundert.
Knifflige Konstruktionen vs. kinderleichte Erkundung
Das Hantieren mit Bauteilen und die Erkundungspassagen halten sich zeitlich die Waage, allerdings fallen sämtliche Bauphasen merklich intensiver aus, daher solltet ihr Lego Bricktales unbedingt als Knobelspiel mit Adventure-Anteil ansehen und nicht umgekehrt. Erkundungstouren beschränkt sich meist auf Gespräche mit herumstehenden Figuren, die euch mit Hinweisen zum nächsten Puzzle lotsen, sowie das Finden versteckter Wege, für die ihr euch bei fünf Sonderfertigkeiten bedient, die eure Spielfigur nach und nach erlernt.
Der Stampfsprung dient der Zerstörung zerbrechlicher Hindernisse, ein Wasserstrahler löst Dreck von Apparaturen und per Blitzschlag bringt sie elektrische Geräte zum Laufen. Solche Hilfsmittel strecken den Lösungsweg kleiner Wegpuzzles, die sich beinahe automatisch ergeben. Nur in jenen kleinen Dungeons, in denen ihr eine neue Fertigkeit erlernt, gerät man kurz ins Stocken, denn in diesen darf man Spezialfertigkeiten nicht nach Gutdünken zuschalten. Stattdessen knobelt man sich durch ein paar Logik-Puzzles, die auf zeitlicher und räumlicher Abfolge basieren, beziehungsweise genaue Vorgaben machen, wann man welche Sonderkraft einsetzen soll. Sobald man das Kerkerrätsel geknackt und die neue Fertigkeit gemeistert hat, darf man alle erlernten Fähigkeiten beliebig anwählen, um sie in den Adventure-Passagen einzusetzen.
Mitunter, um in längst gelösten Welten Sammelobjekte zu finden, darunter Tiere und levelspezifische Währungen, mit denen ihr Outfits kauft. Im Vergleich mit der Knobelei beim Konstruieren der Bauten ist das alles nicht mehr als Geplänkel, weil furchtbar leicht. Angesichts der kniffligen Baupuzzles fragt man sich des Öfteren, ob man sich beim Klötzchenstapeln bloß zu ungeschickt anstellt oder ob die Adventure-Passagen womöglich ein wenig zu kindgerecht ausgefallen sind.
Kommentarezum Artikel