Test - Legend of Keepers : Küss die Hand, Herr Kerkermeister
- PC
- NSw
Dungeons zu plündern ist harte Arbeit für tapfere Recken. Doch auch die härtesten Rollenspiel-Helden und Heldinnen versagen manchmal in der Hitze des Gefechts. Kehren sie dann in den Kerker ihrer Schmach zurück, ist das Gewölbe wieder bis zum Rand mit Unholden gefüllt. Wenn ihr euch schon einmal fragtet, wie es sein kann, dass solche Monster einfach nachwachsen, dann frohlocket, denn Legend of Keepers liefert euch die Antwort. Trommelwirbel: Das Zauberwort heißt Outsourcing. Hä?
Meine zyklopische Oger-Ausbilderin sitzt kerzengerade und mit ernster Miene am Schreibtisch und, ähem, beäugt mich. Ich solle am Ball bleiben, sagt sie, denn sie hätte nicht viel Zeit, mich lange auszubilden. Die Lage sei kritisch, heißt es. Wen wundert’s? Jeder Dritte und sein Hund hält sich heutzutage für einen tollen Abenteurer. Ständig reiten Heldengruppen in Kerkern ein und wollen das mühsam aus umliegenden Dörfern erplünderte Gold zurück rauben. Wie soll man da für die Rente sparen, so als einsamer Ork, Bilwiss, Oger oder Schattengnom?
Warum es nicht den Menschen gleichtun und sich zusammenschließen? Eine Organisation muss her, vielleicht sogar eine Gewerkschaft. Interessengemeinschaft Plündern und Brandschatzen, kurz IG Pub, das wär’s doch. Würde auch gleich auf ein schönes Hobby verweisen.
Nah, so weit sind wir noch nicht. Eins nach dem anderen. Fürs Erste muss eine Zeitarbeitsfirma genügen. Eine Zentrale, welche die Arbeitskraft dort verteilt, wo sie vonnöten ist. Es gibt schließlich mehr als einen Kerker, und irgendwer muss ja noch die Schätze heranschaffen, die zu beschützen sind. Vorbei die Zeit, in der sich jeder um seinen eigenen Kram kümmerte. Heute sind wir moderne Monster. Wir sourcen aus!
Schlachtplan auf Orkisch
Es ist offensichtlich, dass sich Legend of Keepers von Anfang an nicht so ganz ernst nimmt. Zwinkernden Auges etabliert Goblinz Studio Zusammenhänge, die viele ungesehene Szenarien erklären könnten, wenn sie denn plausibel wären. Was sie aber nicht sind. Ebenso wenig wie ständig gefüllte Dungeons in Rollenspielen, in denen Monster nichts anderes zu tun haben, als auf mutige Abenteurer zu warten. Man darf nicht zu viel darüber nachdenken, sonst reißt einen die Blödsinns-Spirale nur noch tiefer in bestehende Logiklöcher. Für den Spielinhalt ist die Ausgangslage aber spitze: Man darf endlich mal wieder auf der anderen Seite stehen und Anti-Raids organisieren.
Allerdings eher theoretisch, mit strategischem Anstrich und nicht durch eigenes Handanlegen. Dungeon-Keeper-Fans kommen leider nicht auf ihre Kosten, da es vielmehr um das Aufteilen vorhandener Ressourcen geht als um praktische Anwendung. Man legt also fest, welche Fallen ausgelegt werden sollen und welche Monster Position beziehen, ohne einen Bezug zum Dungeon selbst zu haben, denn alle Szenarien bestehen schlicht aus fünf statischen Bildschirmen in einfach gehaltener 2-D-Grafik, zu denen umgeblättert wird, wenn die feindliche Heldentruppe Richtung Endboss durchmarschiert.
Drei Phasen bestimmen das Spielgeschehen: In der ersten legt man einen Verteidigungsplan an, in der zweiten Phase wird gekämpft, und in der dritten geht es um die Organisation aller Ressourcen. Von einem großen Fundus kann vorerst keine Rede sein, vielmehr richtet sich das Material für Fallen wie etwa gigantische Kreissägen, Teslaspulen, Katapulte oder überdimensionale Ballisten nach dem bisher erreichten Tech-Level. Für den Rest braucht es Monster-Söldner, die für ihre Dienste bezahlt werden wollen und zwar in den Währungen Blut, Tränen und Gold. Einmal platziert, warten sie auf die nächste Heldentruppe mit dem Ziel, sie möglichst noch vor dem Erreichen des Bosses am Fortschritt zu hindern.
Zum Glück ist der Boss ein wahrer Klotz: so mächtig, dass die meisten Helden an ihm abprallen wie Lederlappen an einer Felswand. Und doch hat auch er seine Schwachpunkte, und wenn so eine Dreiergruppe Abenteurer unbeschadet bei ihm ankommt, steckt er unter Umständen mächtig Schaden ein - abhängig vom Schwierigkeitsgrad und vom Spielfortschritt. Die Krux: Jedes Mal, wenn eure normalen Monster sterben, werden sie wiedererweckt, verlieren aber weiter an Moral und Kampflust, was sie anfälliger und unzuverlässiger macht – und den Angreifern den Weg zum Boss vereinfacht. Was also tun?
Das Geheimnis des Erfolgs liegt im Ausbalancieren der Kräfte. Wichtigster Punkt im Monster-Management ist die Reihenfolge, in der ihr eure Söldner aufstellt. In der zweidimensionalen Anordnung ist klar ersichtlich, wer vorne den Tank macht, mittig den Damage Dealer mimt und hinten den Fernkämpfer abgibt. Wer würde schon einen Schmalhans mit Bogen nach vorn stellen, richtig? Nun, unvorhergesehene Entwicklungen im Schlachtgeschehen bedingen trotzdem die ein oder andere Niederlage. Beispielsweise wenn die Helden einen Zauber anwenden, der die Aufstellung eurer Monster umkehrt. Verluste könnt ihr gar nicht ausschließen, egal, wie gut ihr plant.
>> Böse Mädchen: Top 10 weibliche Bösewichte <<
Im Geschäft bleibt ihr nur, wenn ihr diese Verluste in der dritten Phase abfangt. Schickt ein paar erschöpfte Orks nach erfolgreicher Verteidigung auf eine Geschäftsreise zwecks Fortbildung (ja, im Ernst!). So frischt ihr nicht nur deren Motivation auf, sondern schafft auch neue Technologie für Fallen an. Ein Besuch im Fitnessstudio schafft Muckis und eine Plündertour im nächsten Dorf erweitert die Ressourcen. Währenddessen geht natürlich der Dungeon-Alltag weiter, inklusive zufälliger Ereignisse. Prügeleien untereinander, mysteriöse Besucher, edle Gönner und weitere Schlüsselmomente halten euch zwischen den Schlachten bei Laune, wobei oft eine Auswahl zwischen mehreren Ereignissen treffen sollt ohne zu wissen, welche genauen Auswirkungen sie haben. Zufall und Glück sind fester Bestandteil des Spielablaufs, tragen aber immer nur Bruchteile zu Erfolgen und Niederlagen bei.
Der Charme der Übersicht
Legend of Keepers wirkt auf den ersten Blick übersichtlich. Vorbestimmter Ablauf, begrenzte Auswahlmöglichkeiten und geradlinige strategische Planung kauen die Herausforderung in mundgerechten Häppchen vor. Wie komplex die Zusammenhänge sind, merkt man erst nach ein paar Runden, wenn der Fundus an Kriegern und Fallen größer wird und talentiertere Heldentruppen antraben. Was toll ist, denn so fühlt sich selbst ein Pausensnack von 15 Minuten wie ein vollwertiges Spielerlebnis an. Man kommt nie in die Bedrängnis, schnelle Entscheidungen treffen zu müssen, weil die drei Phasen klar in sich abgeschlossen sind. Selbst wenn man das Spiel für mehrere Tage unterbricht, kann man ohne jegliche Erinnerung an die letzten Ereignisse weitermachen und verliert dabei nichts.
Auf der anderen Seite verliert man sich schnell im Spielgeschehen. „Nur noch eine Runde“ hört man sich murmeln und merkt dann zwei Stunden später, wie tief man im Management versunken ist.
Kommentarezum Artikel