Test - Kingdom Hearts III : Das Warten hat endlich ein Ende!
- PS4
- One
Es ist kaum zu glauben, aber trotzdem wahr: Nach fast 13 Jahren steht der dritte Teil der Kingdom-Hearts-Serie nun endlich in den Startlöchern! Nach etlichen Spin-offs, Side-Storys und vielen Vertröstungen kommt die Geschichte, die 2002 ihren Anfang nahm, zu ihrem Ende.
Besagte Geschichte beginnt ziemlich genau an dem Punkt, an dem der Prolog/Epilog Kingdom Hearts 0.2 endete. Sora, Donald und Goofy machen sich auf die Reise, um ihre verschwundenen Kräfte wiederzufinden, die sieben Streiter des Lichts zu versammeln und dem großen Obermotz Xehanort eins auf die Rübe zu geben.
Das Spiel hält sich nicht lange mit Erklärungen auf, wer diese ganzen Charaktere sind, die euch um die Ohren gehauen werden, und was es mit den zahllosen Storyfäden auf sich hat, die im Laufe des Spiels zusammenlaufen. Wer die vorherigen Teile nicht gespielt hat, wird definitiv Probleme haben, bei dem Gerede über Herzlose, Niemande, Unversierte, Organisationen, Herzen und Disney-Prinzessinnen den Überblick zu behalten. Wer dennoch mit Kingdom Hearts III in die Serie einsteigen möchte, dem sei unbedingt dazu geraten, sich vorher eine der vielen Storyzusammenfassungen auf Youtube anzusehen.
Allzu viel wollen wir zur Geschichte natürlich nicht verraten, aber wir können sagen, dass so ziemlich alle Handlungsfäden, die über die letzten 17 Jahre gesponnen wurden, in Kingdom Hearts III aufgegriffen und zum Großteil entwirrt werden. Natürlich hat es sich Serienschöpfer Tetsuya Nomura trotzdem nicht nehmen lassen, die eine oder andere kleinere Frage offen zu lassen. Ein „Final Mix“ oder ein Story-DLC sind also durchaus nicht unwahrscheinlich.
Qualität statt Quantität
Abseits der außerordentlich verwirrenden Geschichte konnte Kingdom Hearts aber in zwei Bereichen immer punkten: Fanservice und Gameplay. Und in beidem feuert Kingdom Hearts III diesmal so heftig aus allen Rohren, dass es selbst Spieler, die keine Lust haben, sich auf den Plot einzulassen, problemlos an den Bildschirm fesseln kann.
Serientypisch reist ihr auf eurem Abenteuer durch verschiedene Disney-Welten, löst deren Probleme und holt euch euren nächsten Plottwist ab. Insgesamt neun Welten besucht ihr diesmal, von denen der Großteil bisher noch nicht in der Serie vertreten war. Das klingt nun für Kingdom-Hearts-Veteranen nach einer sehr begrenzten Auswahl, aber keine Sorge, an Abwechslung mangelt es definitiv nicht.
Sowohl die neuen als auch die zurückkehrenden Welten sind fast allesamt gigantisch groß. Während man in den Vorgängern die meisten Welten in einer Stunde oder weniger abfrühstücken konnte, seid ihr allein in Corona, der Disney-Welt rund um Rapunzel, durchaus drei bis vier Stunden unterwegs.
Die grafische und spielerische Qualität ist atemberaubend. Die Welten sehen dank der Unreal Engine 4 fast so aus, als stammten sie direkt aus einem der animierten Disney- und Pixar-Filme und im Performance-Modus läuft das Spiel – zumindest auf der PS4 Pro – mit weitgehend stabilen 60 Bildern pro Sekunde - selbst in den nun endlich ordentlich belebten größeren Städten.
Statt aus vielen kleinen Räumen, die durch einen Ladebildschirm voneinander getrennt sind, besteht jede Welt nun aus zwei bis drei riesigen Arealen, die man komplett ohne lästige Übergänge und Ladezeiten erkunden kann. Und erkunden lässt sich einiges: Neben den üblichen Schatzkisten, die wertvolle Belohnungen beinhalten, findet ihr an jeder Ecke Zutaten für das neue Bistro, das euch ganz ähnlich wie in Final Fantasy XV zeitbegrenzte Statusverbesserungen beschert.
Natürlich bietet euch fast jede Welt auch ein oder mehrere Minigames, die ihr meistern müsst, um seltene Gegenstände zu bekommen und euer Logbuch, das sich diesmal auf dem sogenannten Gumifon befindet, zu vervollständigen. Besagtes Smartphone besitzt zudem eine Kamerafunktion. Abseits von Selfies und hübschen Umgebungsbildern könnt ihr damit auch die in jeder Welt versteckten Glücksembleme fotografieren, die euch ebenfalls mit Gegenständen belohnen.
Leider wurde in all dem Fanservice ein wichtiger Teil komplett fallengelassen: das Final-Fantasy-Crossover. Die Charaktere aus der JRPG-Serie spielen in Kingdom Hearts III effektiv keine Rolle mehr, dementsprechend wurde auch Radiant Garden als spielbare Welt gestrichen. Das ergibt zwar storytechnisch Sinn, dennoch hätten wir uns gewünscht, die Welt endlich in echter HD-Grafik zu erkunden.
Die Disney- und Pixar-Welten von Filmen wie Toy Story, Monster AG und Baymax machen in Kingdom Hearts eine unfassbar gute Figur und obwohl ihr euch diesmal viel länger in den einzelnen Welten aufhaltet, bietet jede davon genug Abwechslung, um nicht langweilig zu werden. Na ja, bis auf eine kleine, eisige Ausnahme – aber den Punkt lassen wir mal jetzt los.
Action-RPG-Futter vom Feinsten
Auch das Gameplay kann in Kingdom Hearts III wieder voll und ganz überzeugen. Dabei fühlt sich das Spiel dieses Mal wie ein Mischmasch aus Kingdom Hearts 1 & 2, Birth by Sleep und Dream Drop Distance an. Die extravaganten, effektreichen Kombos und Fähigkeiten, das Magiesystem und die Reaktionskommandos wurden quasi direkt aus den beiden vorherigen Hauptteilen übernommen. Ihr müsst also glücklicherweise keine verwirrenden Fähigkeitenbretter erwarten.
Aus Birth by Sleep stammt dagegen der Multifokus. Mit dieser Fähigkeit könnt ihr unter Einsatz von Fokuspunkten Gegner anvisieren und ihnen mächtige Attacken um die Ohren hauen. Mit dem „Windschritt“ lassen sich nun auch weiter entfernte Plattformen erreichen. Auch der Formwechsel, der es jedem eurer Schlüsselschwerter ermöglicht, seine Form zu ändern und so ein komplett neues Arsenal an Angriffen freizuschalten, erinnert entfernt an das System aus dem PSP-Ableger.
Zu guter Letzt haben sich die Entwickler am „Freien Fluss“ aus Dream Drop Distance bedient, mit dem sich Wände erklimmen und Umgebungsobjekte für Spezialangriffe verwenden lassen. Glücklicherweise ist diese Fähigkeit in Kingdom Hearts III nicht ansatzweise so übermächtig wie im 3DS-Teil und dient lediglich dazu, die eigenen Kombos etwas aufzubrechen oder schwer erreichbare Ecken in den verschiedenen Welten zu erkunden.
Und weil das alles noch nicht genug war, stellt das Spiel euch noch einige komplett neue Systeme zur Verfügung, um euren Spielstil zu personalisieren. Ihr dürft nun zum Beispiel bis zu drei Schlüsselschwerter gleichzeitig ausrüsten, zwischen denen ihr auch mitten im Kampf jederzeit wechseln könnt.
Besagte Schlüsselschwerter lassen sich diesmal sogar aufwerten. In dem zurückkehrenden Crafting-System könnt ihr nun nicht nur neue, mächtige Ausrüstung und Gegenstände herstellen, sondern eure Waffen auch bis zu neun mal verbessern. Dadurch bleiben auch alte Schlüsselschwerter bis zum Ende des Spiels durchaus nützlich.
Dazu kommen neben den bekannten Spezialangriffen mit euren Gruppenmitgliedern und Beschwörungen die neuen Attraktionen. Trefft ihr einen grün markierten Gegner, beschwört ihr dadurch eine Disneyworld-Attraktion herauf, die größere Gegnergruppen ruckzuck ausdünnt.
Action-RPG-Enthusiasten kommen hier voll und ganz auf ihre Kosten. Auch wenn der Mischmasch an Systemen zunächst sehr unübersichtlich wirkt, hat man den Dreh recht schnell raus, vor allem da die meisten Spezialfähigkeiten über dieselbe Taste ausgelöst werden. Sich durch die immer stärker werdenden und abwechslungsreichen Gegner zu schnetzeln und zu zaubern, macht heute noch genauso viel Spaß wie vor 17 Jahren. Auch die Bosse werden euch, besonders gegen Ende des Spiels, einiges abverlangen. Wer das Kampfsystem bis dahin nicht vollständig im Griff hat, sieht schnell kein Land mehr. Schade nur, dass die Kamera trotz aller Verbesserungen hier und da mal an Ecken und Kanten hängen bleibt.
Hat sich das Warten gelohnt?
Wir könnten hier noch seitenweise auf viele andere kleinere und größere Neuerungen eingehen, zum Beispiel auf die zurückkehrenden Gumi-Schiff-Missionen, die euch durch drei riesige und vollkommen offene Areale führen, oder dass Gastmitglieder der Gruppe Donald oder Goofy endlich nicht mehr zwingend ersetzen. Aber die große Frage, die abschließend noch im Raum steht, lautet selbstverständlich: Ist Kingdom Hearts III ein würdiger Abschluss für die Serie?
Die Antwort dürfte je nach Blickwinkel recht unterschiedlich ausfallen. Aus spielerischer und technischer Sicht ist der dritte Teil mit Abstand das beste Spiel der Serie. Wer sich erhofft hat, dass es in Kingdom Hearts III noch mehr Welten und noch mehr abstruse Plotwendungen gibt als in Teil zwei, könnte auf den ersten Blick enttäuscht werden.
Wir sind hingegen froh, dass sich die Entwickler bei den Welten auf Qualität statt Quantität besonnen und dazu entschlossen haben, die Geschichte zu einem würdigen Ende zu führen, statt noch mehr wirre Storyfäden zu spinnen – auch wenn wir davon ausgehen, dass die Reihe mit dem neuesten Teil noch lange kein Ende finden wird.
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