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Test - Inscryption : Das irre geniale Horror-Kartenspiel des Todes

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Spiel das Kartenspiel oder stirb! Wenn du verlierst, stirbst du sowieso. Das sind ja einladende Optionen. Also rein ins, öhm … Vergnügen. Was für unseren Avatar eine nervenzerfetzende Geiselsituation darstellt, ist für uns ein makabrer, höchst amüsanter Start in einen wilden Mix aus Roguelike-Adventure und Magic: The Gathering im Tierreich. Inscryption wagt ein Tänzchen mit seiner eigenen Schlitzohrigkeit.

Inscryption ist ein hinterhältiger, fieser Drecksack von einem Roguelike, und genau deswegen so unsagbar gut. Es täuscht, ja es verführt mit roten Heringen zu falschen Annahmen. Wie ein guter Zauberkünstler lenkt es die Aufmerksamkeit des Spielers auf eine Nebensächlichkeit, um hinterrücks ein fieses Ding abzuziehen. Steigt man irgendwann dahinter, meint man das Programmierteam vor dem inneren Auge feixen und lachen zu hören. Und man lacht mit. Ein wenig über sich selbst, um nicht zu sagen über die eigene Naivität. Und über die Gerissenheit der Spieldesigner.

Dabei ist die Idee dahinter mindestens genauso simpel wie die Aufbereitung der Spielfläche. Ein Roguelike auf 20 Quadratmetern? Hammer! Allein die Idee, ein komplettes Adventure in einem einzigen Raum stattfinden zu lassen und dabei zu garantieren, dass nicht eine einzige Sekunde Langeweile aufkommt, zeugt von hoher Kreativität. Ist zwar gespenstig, seinem virtuellen Kidnapper gegenüber zu sitzen – erst recht, wenn von dessen Körper nur glühende Augen erkennbar sind – aber das macht die Sache umso spannender.

Yu-Gi-Oh im Tierreich

Die Situation ist beklemmend düster: stark gedimmtes Licht, auf dem Tisch ein vergilbtes Spielbrett mit vier mal fünf Feldern, die als Ordungsreihen für Aktions-Spielkarten herhalten. Spielkarten mit einer ähnlichen Funktion wie bei Magic: The Gathering, Yu-Gi-Oh oder dem Indie-Geheimtipp Hand of Fate, dem Inscryption spielerisch am nächsten kommt. Sie tragen einfache, überwiegend farblose Tierzeichnungen und Zahlen, die ihre Angriffs- und Verteidigungsstärke indizieren.

Eichhörnchen etwa sind für den Angriff wertlos. Man platziert sie nur, um sie gleich im nächsten Schritt für ein stärkeres Tier zu opfern, das zum Ausspielen Blut benötigt. Der Rest obliegt vorausschauender Strategie: Wo platziert man welches Tier als „Soldaten“, damit es die animalische Armee des Gegners entweder effektiv bekämpft oder gar umgeht, sodass der gemeine Entführer selbst zu Schaden kommt? Gespielt wird rundenweise. Karten ziehen (maximal fünf dürfen auf der Hand sein), Tiere platzieren, angreifen – dann ist der Gegner dran.

Gegenüber, auf der anderen Seite des Tischs, sitzt der Kidnapper und bellt „spiel oder stirb!“. Leichter gesagt als getan angesichts des lächerlichen Decks, das man zur Verfügung gestellt bekommt. Ein paar Nager, dazu eine Handvoll Einsteigerkarten mit geringem Wert. Hier ein Wolf, da eine Schildkröte. Der Welpenschutz des Einstiegs währt nicht lange. Nach dem Tutorial dauert eine Spielrunde gefühlt 60 Sekunden, dann hat der Entführer sein Profi-Deck ausgespielt. Er ruft fliegende Gegner herbei, die meinen Avatar direkt verletzen, weil sie über jede Verteidigungslinie fliegen. Ach was, wenn es sein muss, lässt er selbst Wölfe fliegen oder zwei Ziele gleichzeitig angreifen. Per ausspielbarer Sonderkraft.

Da gibt es so einiges, was man als Anfänger nicht versteht. Etwa Totems mit permanentem Buff oder das Upgrade-System, das die Kräfte zweier Karten verschmilzt, letzten Endes aber keine Trumpfkarte erzeugt, die das Schicksal wendet. Zwei Kerzen manifestieren je einen erlaubten Fehlversuch vor dem Ableben und wären blitzschnell ausgepustet, gäbe es da nicht ein paar Hilfestellungen, die in Form einer kleinen Geschichte daherkommen.

Genauer gesagt in Form eines Mensch-Ärger-Dich-Nicht-Steins, der auf dem erwähnten vergilbten Spielbrett auf Pfaden eines zufällig generierten Waldstücks umherwandert. So erreicht er eine Upgrade-Stätte, Ziehe-eine-Karte-Felder und weitere Markierungen, die kurze interaktive Zwischensequenzen auf den Tisch bringen. Interessant, ja geradezu magisch und mystisch. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, alles im Hintergrund laufe nach Schema F. Man kapiert nur Bahnhof, holt aber so viel raus wie eben geht und sieht dann zu, wie der Entführer gewinnt. Immer und immer wieder. Und so geht das Spiel irgendwann von vorne los. Wieder mit schwachem Deck, wieder völlig unterlegen.

Mehr als nur ein Kartenspiel

Nach drei oder vier Toden samt amüsanter Ablebe-Sequenz dämmert es einem dann: Das Kartenspiel, das man mangels Verständnisses und fehlender Truppenstärke nicht gewinnt, kann nicht alles sein, andernfalls wäre die Endlosschleife endgültig. Man fragt sich, welchem Zweck der Rest des Raumes dient. Großzügig gestattet der Entführer, man möge sich umsehen, aber ja nichts anfassen oder entwenden.

Man kann den eng geschnittenen Raum mit seiner überwiegend hölzernen Einrichtung nicht verlassen, aber in den Spielpausen ein paar Schritte herumwandern. Etwa um die wenig hilfreiche Spielanleitung zu lesen oder an Wand-Safes herumzuschnüffeln, die man ohne die passende Zahlenkombination nicht geöffnet bekommt.

Moment mal! Sind das etwa versteckte Hinweise in der Spielanleitung? Und wenn man an der Uhr herumspielt oder die Kombination des Safes knackt, kommen versteckte Spielkarten zum Vorschein! Huch! Sogar mächtige Karten, die auch mal mit Schmackes austeilen. Nicht unbedingt Joker, die einen Sieg garantieren, aber Karten mit dem Potenzial, das Kräfteverhältnis zu verschieben.

Aha! Der Groschen fällt und klimpert so laut, dass es die Nachbarn drei Straßen weiter noch hören. Man lacht, weil man auf so einen dummen Trick hereingefallen ist. Die ganze Aufmachung mit der düsteren Stimmung, dem Retro-Pixelfilter, der vermeintlich machtlosen Opferstellung – das ist alles nur Show. Ein großes Drumherum, das einer Zwiebel ähnlich so viele Schichten um einen empfindlichen Kern wickelt, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.

Es ist alles so geschickt verpackt, dass jemand, der die Genrebezeichnung nicht liest, glatt davon ausgehen könnte, es ginge tatsächlich nur um ein Kartenspiel mit düsterer Stimmung und besonders schwerem KI-Gegner. Aber das Spiel schält sich – um den Zwiebel-Vergleich wieder aufzugreifen – langsam, sodass einem die Tränen kommen. Entweder vor Lachen vor der eigenen Naivität oder aus Frust, weil man es noch nicht geschnaggelt hat. Letzteres ist aber unwahrscheinlich, denn nach ein paar verlorenen Runden bekommt man passende Hinweise an den Kopf geworfen. Zum Teil auf so sarkastische Weise, dass auch das als gesonderte Spielschicht gewertet werden kann.

Schicht um Schicht

Von denen gibt es einige. Neue Karten und Boost-Optionen findet man beispielsweise erst nach einer kleinen Kopfnuss. Logikpuzzles, Schieberätsel. Sowas halt. Aber alles ist in diesem einen Raum versteckt.

Inscryption - Trailer

Im Indie-Roguelike Inscryption spielt ihr mit Karten gegen ein Ungeheuer um euer Leben.

Natürlich findet der gesichtslose Entführer wenig Gefallen am Upgrade-Wahn des Spielers und rüstet selbst auf, wodurch das Kartenspiel stetig komplexer und undurchsichtiger wird. Auch das erzählerische Gefüge zwischen Entführer und Gefangenem gewinnt an Komplexität. Es entsteht so etwas wie eine Beziehung. Keine Gesunde, aber eine mit – oh, welch’ Überraschung – weiteren Schichten. Wobei auch diese sicher nur von den nächsten Winkelzügen im Erzählstrang ablenken sollen, denn spielerisch tut sich einiges im Hintergrund. Wer die Augen offenhält, entdeckt irgendwann Lücken in der Strategie des „Gastgebers“. Er ist nicht so stark, wie er sich selbst darstellt. Ganz im Gegensatz zur Stimmung von Inscryption, die mit jeder erzählerischen Vertiefung an Stärke gewinnt. Atmosphärisch brennt dieses Roguelike ein Feuerwerk ab, das zwar nicht ganz bis zum Schluss durchhält, aber immerhin bis kurz davor.

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Nur der Schlussakt kommt nicht so recht in Fahrt. Nachdem alle Geheimnisse offengelegt wurden, zieht der Schwierigkeitsgrad noch einmal an und das Kartenglück, beziehungsweise die von der KI gewählte Strategie spielt eine nicht zu verachtende Rolle. Hier ist letztendlich Geduld und Spucke gefragt – wie bei so ziemlich jedem Roguelike, das etwas auf sich hält.

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