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Test - Immortality : Test: Ein Metascore von 90 – Dieser Xbox-Exklusivtitel kommt jetzt endlich für PS5

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Mit Her Story und Telling Lies lieferte Spielemacher Sam Barlow zwei ebenso ungewöhnliche wie aufsehenerregende FMV-Adventures ab. Sein drittes Spiel Immortality stellt sein bislang ambitioniertestes Projekt dar und verfügte über ein Budget und einen Produktionsaufwand, die dasjenige der Vorgänger nochmal um ein Vielfaches übertrafen. Vor anderthalb Jahren erschien der Titel exklusiv für Xbox und PC, kurz darauf auch für Smartphones, und erntete dafür einen Metascore von zwischenzeitlich 90 Punkten (siehe auch unsere Top 12 Geheimtipps 2022). Nun endlich ist auch eine Umsetzung für PS5 erhältlich, was wir zum Anlass nehmen, euch dieses Indie-Kleinod noch einmal ausführlich vorzustellen.

Immortality handelt von der fiktiven Schauspielerin Marissa Marcel, die vor vielen Jahren als aufstrebendes Nachwuchs-Sternchen in Hollywood gehandelt wurde, während ihrer gescheiterten Karriere aber lediglich drei Filme drehte, von denen keiner je veröffentlicht wurde. Danach zog sie sich vollends aus dem Rampenlicht zurück und verschwand unter rätselhaften Umständen genau wie ihre Filme in der Versenkung. Von diesen sind nun überraschend – so die Rahmenhandlung von Immortality – die unvollendeten Filmrollen wieder aufgetaucht, die euch als Spieler nun einzeln und unsortiert vorliegen und dazu dienen, dem Geheimnis um ihr Verschwinden auf die Spur zu kommen.

Und so sitzt ihr jetzt vor diesem Berg aus Filmschnipseln, die meist kaum länger als eine Minute ausfallen und nicht nur Szenen aus den Spielfilmen von Marissa Marcel umfassen, sondern vereinzelt auch Interview-Mitschnitte aus Talkshows oder private Homevideos. Was anfangs wie eine Herkules-Aufgabe scheint und den Spieler dezent überfordert, wird Schritt für Schritt eine fesselnde Erfahrung, wenn sich allmählich die Sinnzusammenhänge herstellen, man zunehmend den Plot der einzelnen Filme und ihre Geschichten nachzuvollziehen und verstehen lernt, gezielt versucht, die noch vorhandenen Wissenslücken zu schließen und die kleinen Hinweise zu deuten weiß, die auf das übergeordnete Mysterium verweisen.

Drei Filme zwischen Erotik-Thriller und Mindfuck-Mystery

Drei nahezu vollständig erhaltene Spielfilme setzt ihr so nach und nach aus ihren Einzelteilen wie ein Puzzle zusammen: Der erste erzählt die Tragödie einer verbotenen Liebe zwischen einem Mönch und einer Nonne in einem mittelalterlichen Kloster. Der zweite stellt in seiner Mischung aus Erotik-Thriller und Film noir im Grunde eine nahezu 1:1-Variation von Basic Instinct dar, in dem ein Detective in einem Mordfall ermittelt und den Reizen der verführerischen Hauptverdächtigen erliegt. Und der dritte handelt zwischen Mindfuck-Drama à la Mulholland Drive und Rache-Thriller von einer Pop-Diva, die eine Doppelgängerin engagiert und so ihre Fans, aber auch den Zuschauer gekonnt an der Nase herumführt, als eine der beiden ums Leben kommt.

Die Art und Weise, wie Immortality seine Geschichten inszeniert, fällt hochgradig clever aus: Denn ihr sichtet die Filmszenen meist im rohen, ungeschnittenen Zustand, was immer wieder einen Kontext liefert, der über die reine Filmhandlung hinausweist. So vernehmt ihr etwa aus dem Off häufig die Regieanweisungen, die im fertigen Film nicht mehr zu hören gewesen wären, und erlebt auch die Outtakes, wenn sich einer der Darsteller verhaspelt, Szenen daher mehrfach einspielen muss oder sie absichtlich mit unterschiedlichen Schauspieltechniken darbietet.

Auch werdet ihr Zeuge der Momente, wenn die Kamera schon oder immer noch läuft, bevor und nachdem es heißt „Action!“ und „Cut!“ In diesen kostbaren Augenblicken nehmt ihr die Schauspieler in ihrem natürlichen Verhalten wahr, könnt mitunter auf unterschwellige Konflikte oder heimliche Techtelmechtel schließen oder erhaltet in den Diskussionen über ihre Rollen und die Handlung des Films ungewollte Einblicke in ihre ungeschönten Denkweisen.

Etliche Szenen liegen nicht als Spielszenen aus den Dreharbeiten vor, sondern lediglich als amateurhafter Mitschnitt von Proben oder der Drehbuchlesung, was zum einen schlicht visuell und erzählerisch für Abwechslung sorgt (und nebenbei den Produktionsaufwand der Spieleentwicklung im vertretbaren Rahmen hält), zum anderen aber vor allem die Figuren für einzelne Momente privat und unverstellt zeigt und dadurch hinter die Fassaden ihrer Rollen blicken lässt.

Drei Filme als Puzzle

Doch wie spielt sich Immortality nun eigentlich? Im Grunde ähnlich wie sein Vorgänger im Geiste, Telling Lies, nur etwas anders. Während ihr dort auf Schlüsselwörter in den Dialogen klicken musstet, um per Querverlinkung zwischen thematisch verwandten Videoschnipseln zu wechseln, klickt ihr in Immortality auf Personen, Requisiten oder anderweitige Gegenstände im Bild, um von einem Clip zum nächsten zu springen und so zu immer neue Szenen gelangen.

Klickt ihr etwa auf ein Glas, gelangt ihr zu einer anderen, mehr oder weniger zufälligen Szene, in der ebenfalls ein Glas in der Kulisse steht. Klickt ihr auf eine bestimmte Person, startet ein Filmausschnitt, in dem derselbe Schauspieler auftritt. Jeder Schnipsel lässt sich beliebig vor und zurück spulen, anhalten und in diversen Geschwindigkeiten betrachten, um sie nach versteckten Hinweisen abzusuchen und in Ruhe ein Objekt für den nächsten Klick auszusuchen, der zum nächsten Clip führt.

So schaltet ihr nach und nach immer neue Szenen frei und sammelt sie wie in einem Poesiealbum an, was euch schrittweise in die Lage versetzt, das Gesamtbild wie ein Puzzle zusammenzusetzen und die unterschiedlichen Handlungsfäden immer besser zu verstehen. Unvergleichlich geschickt gelingt es den Machern dabei, unaufdringlich, aber doch merklich stets ähnliche Requisiten wie rote Fäden durch die einzelnen Szenen und gar die höchst unterschiedlichen Filme hinweg auszulegen: Flaschen und Kaffeetassen, Zigaretten und Messer, Kruzifixe und Blumentöpfe, selbst bestimmte Gesten und Blicke spannen mit der Zeit ein unterschwelliges, symbolisches Netz aus Querverweisen zwischen den verschiedensten Ereignissen.

Beim konzentrierten Bemühen, überhaupt erstmal die Handlung der drei fragmentierten Filme nachvollziehen zu können, übersieht man schnell schonmal, wie beeindruckend geschickt die Entwickler ihrem Spiel eine im Verborgenen waltende Dramaturgie verleihen, die gleichzeitig auf mehreren Ebenen abläuft: Zum einen natürlich auf der Ebene der Filme selbst, deren Einzelteile der Spieler nach und nach zu einer chronologischen Logik zusammenfügt. Gleichzeitig aber eben auch auf der übergeordneten Ebene des Spiels, dessen wild durcheinander gewirbelter Ablauf sich durch eine Dramaturgie des bloßen Zufalls zu entfalten scheint, aber einem klug justierten Algorithmus im Hintergrund folgt, der immer dann für unvermutete Überraschungen sorgt, wenn man glaubt, so langsam durchschaut zu haben, was vor sich geht. Auf diese Weise schürt Immortality eine ständige Neugier auf neue Enthüllungen, die die Spannung über die komplette Spieldauer von etwa 10 Stunden konstant aufrecht erhält.

Und schließlich ist da natürlich noch die eigentliche Rahmenhandlung von Immortality über das rätselhafte Schicksal seiner Hauptdarstellerin, das man zwischenzeitlich beinahe schon aus den Augen verliert und das nur zu lösen ist, wenn man geheime Szenen innerhalb der Szenen aufspürt, die ihren Mindfuck-Paukenschlag wie eine Art Film im Film zur finalen Auflösung lauern lassen. In diesem Sinne: Selbst wenn ihr schon beim Abspann angekommen seid und euch immer noch stirnrunzelnd fragt, was jetzt eigentlich los war, dann hört nicht auf! Spielt weiter, schnappt euch notfalls irgendwann einen Guide und macht euch auf die Suche nach dem wahren Ende des Spiels, das alles auf den Kopf stellen wird, was ihr zu wissen glaubt.

Und wem das alles noch nicht reicht, der findet in Immortality eine (bisweilen zweifellos prätentiös selbstgefällige) schier überbordende Menge an Andockstellen für unterschiedlichste Interpretationsebenen vor, die den zumeist doch eher recht trashigen Plot der B-Movies mit bedeutungsschwangerer, oftmals christlicher Symbolik und verkopft akademischen Diskursen aufladen: die immer wiederkehrende Obstschale voller Äpfel etwa, die auf den biblischen Sündenfall und Evas Versuchung durch den Teufel anspielt, oder Kussszenen, die nicht nur etwas über die Zuneigung der Personen zueinander verraten, sondern auch auf Judas’ Verrat beim letzten Abendmahl verweisen. Wie am Stammtisch der französischen Bohème geht es auch immer wieder um Fragen nach dem Wesen der Kunst und ihrer Macht, sowohl ihrem Schöpfer als auch ihrem Modell eine Art von metaphysischer Unsterblichkeit zu verleihen, was wiederum auf den Titel des Spiels verweist, von dem ihr euch vielleicht schon gefragt habt, was er eigentlich mit all dem hier zu tun haben soll.

Aber belassen wir es an dieser Stelle dabei. Wer sich um derlei artsy-fartsy Betrachtungsweisen nicht schert, kann sie komplett ignorieren und sich auf die reine Mystery-Geschichte konzentrieren, die zunächst ebenfalls einen reichlich verworrenen und deutungsoffenen Eindruck macht, aber am Ende doch einen erstaunlich eindeutigen Sinn ergibt.

Große Kunst oder lediglich verschwurbelter Unsinn?

Allerdings weisen diese Überlegungen dezent mit dem Finger auf gleich eine ganze Reihe von Kritikpunkten, die aus den euphorischen pauschalen 90 Punkten im Metascore nicht klar hervorgehen und wahrscheinlich in der anfänglichen Begeisterung untergehen, weil sie sich erst nach einer Weile bemerkbar machen.

Zum einen ist da der ganz allgemeine Aufbau des Spiels, der nüchtern betrachtet hauptsächlich nur aus einem mentalen Puzzlespiel besteht, in dem es gilt, drei Filmrollen, die jemand auseinander geschnitten und vermischt hat, umständlich wieder zusammenzufügen. Der eigentlich interessante Mystery-Plot ist diesem Geschehen nicht clever eingeschrieben, sondern eher wie eine Art Easter-Egg in ihm versteckt und damit vom Rest der Handlung im Grunde ausgelagert. Raffinierter wäre es gewesen, wenn die verschiedenen Ebenen geschickt miteinander verwoben wären, wie es etwa im entfernt verwandten Simulacra oder eben dem Quasivorgänger Telling Lies der Fall war, wo sich in der Rekonstruktion des Geschehens allmählich ein spannender Kriminalfall über einen geplanten Terroranschlag herausschälte.

Das liegt auch an der eigenwilligen Spielweise von Immortality, die sich letztlich im rein willkürlichen und dadurch reichlich planlosen Drauflosklicken auf zufällige Gegenstände erschöpft. Während das über weite Strecken vollkommen ausreicht, um ständig Neues zu entdecken, gerät man irgendwann an den Punkt, an dem man nur noch gleichgültig von einem Hotspot auf den nächsten klickt in der Hoffnung, in irgendeiner neuen Szene zu landen, die man noch nicht kennt.

Auch in diesem Punkt war Telling Lies einen Tick schlauer konstruiert, weil die Querverlinkungen durch Stichwörter eben immer auch einen Bedeutungszusammenhang lieferten, der ein systematisches Vorgehen ermöglichte, um gezielt Lücken zu schließen, die sich im Plot noch auftun. Da in Immortality die Formel dahinter jedoch komplett im Verborgenen waltet, ist man als Spieler ohnmächtig dem Zufall ausgeliefert, der das eigentliche Gameplay zur puren Beliebigkeit erklärt.

Unter diesem Gesichtspunkt ist Immortality eigentlich schon fast kein richtiges Videospiel mehr, in dem man durch gezielte Überlegungen ein narratives Rätsel löst, sondern viel eher eine experimentelle Erzählung, die sich in erster Linie dadurch auszeichnet, dass sie ihr grundsätzliches Verstehen lediglich verkompliziert und dadurch selbstherrlich und künstlich erschwert.

Immortality - Launch-Trailer zum Mindfuck-FMV-Game

Im FMV-Adventure Immortality untersucht ihr das rätselhafte Verschwinden einer Schauspielerin.

Um dem vorzubeugen, hätte es ganz banal schon geholfen, wenn das Spiel seinen Spielern an mancher Stelle einfach ein bisschen unter die Arme greifen würde, indem es etwa, idealerweise nach dem ersten Abspann, dezente Hinweise liefert, wo sich noch Übersehenes verbirgt und wie man dorthin gelangt. Vor allem das Auffinden der versteckten Geheimszenen, die die wahre Auflösung des Metaplots enthalten, erweist sich so gegen Ende zur mühseligen und spielerisch wenig raffinierten Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

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Erschwerend kommt hinzu, dass wesentliche Funktionsweisen der Steuerung nicht offensichtlich oder zumindest leicht missverständlich ausfallen, was (nicht nur bei mir, wie eine kurze Internet-Recherche in einschlägigen Foren zeigte) dafür sorgte, dass ich grundlegende Bestandteile des Spiels erst nach vielen Stunden begriff, als ich eigentlich schon fast damit durch war.

Aber all das soll natürlich auch bis zu einem gewissen Grad genau so sein. Denn alles, was sich an Immortality kritisieren lässt, macht es gleichzeitig eben auch so geheimnisvoll, verwunschen und einzigartig. Immortality will gar nicht mit den Maßstäben eines konventionellen Videospiels oder traditionellen Erzählung gemessen werden, sondern im Gegenteil unsere Gewohnheiten und Erwartungen daran bewusst unterlaufen. Und dieser Widerspruch ist es wiederum, der bedeutsame Kunst ausmacht. Oder prätentiösen Trash. Sucht es euch aus.

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