Test - High on Life : Zum Schreien komisch, zum Davonlaufen ungehobelt
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Ein Ego-Shooter aus der Feder von Justin Roiland im Game Pass? Damit ist doch Weihnachten gerettet, oder? Der Ruf des Rick-and-Morty-Miterfinders reicht aus, um dem Microsoft-Exklusivtitel Anziehungskraft zu verleihen, während der Rest des Spiels nur etablierten Genrestandards folgen muss. Denkste. High On Life erfüllt seine hohen Erwartungen leider nicht, egal ob auf komödiantischer oder auf spielerischer Seite. Und doch ist nicht alles schlecht. Irgendwo zwischen herrlich schrägem Humor und schlampigem Game-Design steckt ein brauchbares Baller-Abenteuer mit Metroidvania-Ansätzen, aber bevor seine Stärken zur Geltung kommen, ist einiges an Geduld vonnöten.
Es gibt Leute, die behaupten, Microsofts Game Pass führe aufgrund seiner implizierten Pauschalpreismentalität auf Dauer zu unfertigen Spielen und mangelndem Feinschliff. Wenn potenziell hochgradige Games im Dutzend billiger feilgeboten werden, fehlt es Entwicklern an Einnahmen (um nicht zu sagen an Motivation), während sich Kunden mit gewissen Mängeln zufriedengeben, weil der Preis es rechtfertigt - so die Theorie.
Ob das so stimmt, sei mal dahingestellt, doch das neue Shooter-Adventure High on Life spült Ozeane auf die Mühlen jener Kritiker, die der genannten These beipflichten. Selten fühlte sich ein Spiel so unterhaltsam und doch zugleich so unfertig an wie dieses. Woran liegt das?
Plappernde Knarren
An der Handlung sicher nicht, denn die ist so schräg wie man es bei Justin Roiland erwartet. Als Mitglieder eines gemeinen Alien-Drogenkartells die Erde finden, stellen sie fest, dass Menschen als berauschende Drogen konsumiert werden können. Nur durch Glück entkommt ein Geschwisterpaar dem Tod durch die aggressiven Invasoren, weil sich die Waffe eines getöteten Aliens als lebendiges Plappermaul herausstellt. Mit dessen Hilfe verwandeln sie das Haus der Eltern in ein Raumschiff und „parken“ es in einer Stadt eines fremden Planeten. Unser Teenager-Held, der von da an nur als Kopfgeldjäger bezeichnet wird, besorgt sich daraufhin einen High-Tech-Kampfanzug und startet einen Rachefeldzug gegen die Anführer des berüchtigten G3-Drogenkartells.
Angereichert mit etlichen One-Linern, Selbstreferenzierungen, Vierte-Wand-Durchbrüchen und ungenierter Zotigkeit strickt High on Life ein zwar nicht übermäßig komplexes, aber grundsätzlich gut erdachtes Beinahe-Metroidvania, bei dem jeder besiegte Kartellboss eine neue lebende und plappernde Waffe hergibt. Diese ballert nicht nur neue effektive Munition, sondern ebnet dank einer Sekundärfunktion auch den Zugang zu verschachtelten Gebieten neuer fremder Planeten. Das manisch gemeingefährliche Messer Knifey dient beispielsweise als Enterhaken, während die Froschkarre große Scheiben schießt, die man in weiche Wände feuern kann, damit sie als Plattform dienen.
Stets vom eigenen Haus aus startend, bahnt ihr euch den Weg über diverse abwechslungsreich gestaltete Planeten, die mit Waffengewalt von niederem Kartell-Gesocks befreit werden wollen, während ihr euch einen Weg durch teils vertracktes Gelände sucht oder kleine Puzzles löst. So arbeitet ihr euch von einem Gangsterboss zum nächsten, befreit unterwegs hilfsbedürftige Teddybären aus der Bürokratie-Sklaverei oder vernichtet die Besatzer einer kleinen todlangweiligen Siedlung. Einmal von einer Tour zurückgekehrt gebt ihr verdientes Geld im Shop aus, damit die Panzerung eures Anzugs stärker und der Munitionsvorrat größer wird. Ein für dieses Genre typischer Gameplay-Loop, der zwar nicht clever, aber solide daherkommt.
Zu viel des Guten, zu wenig des Guten
High on Life mag strukturell keine Genialitätspreise gewinnen, aber das Spielprinzip ist allemal ausreichend für ein paar unterhaltsame Stunden. Zumal Roilands zotiger Humor rettend zur Tat schreitet und einige der oft viel zu langen Feuergefechte gegen generisches Kanonenfutter gekonnt überbrückt. Er mag nicht jedermanns Sache sein, weil er aufdringlich und vorlaut wirkt, aber wenn er mal ins Schwarze trifft, dann richtig. Visuell wie auch erzählerisch erinnern einige Momente an besonders schlitzohrige Klassiker wie Conker’s Bad Fur Day oder Destroy all Humans, inklusive einiger besonders dreckiger Pointen, bei denen man sich insgeheim vielleicht sogar schämt, dass man sie lustig findet.
Beispielsweise wenn man sich inkognito in das Büro eines Kartellmitglieds einschleicht, als Angestellter über gefühlte Ewigkeiten langweiligen Papierkram erledigt und dabei peinliche Anmachversuche unter Mitarbeitern belauscht. Oder wenn man einen Überläufer der Gegner abknallt, weil er einem durch das Erzählen seiner endlosen, weinerlich vorgetragenen Familiengeschichte auf den Zeiger geht.
Ähnlich wie bei Rick & Morty baut ein Großteil des Humors auf der Vermittlung bizarrer Vorgänge, die bei einer außerirdischen Gesellschaft als völlig belangloser Alltag durchgehen. Das hohe und geniale Absurditätsniveau von Rick & Morty erreicht das Spiel derweil leider nicht. Dazu fehlt die Balance aktiver Charaktere, die durch ihre eigenen Extreme den Kontext schaffen. Tatsächlich überschreitet High on Life oft die Grenze des Erträglichen durch eine Anhäufung von Belanglosigkeiten. Bestes Beispiel dafür ist die Hauptidee des Spiels mit dem gesprächigen Arsenal.
Der Held des Spiels gehört nämlich nicht gerade zur gesprächigen Sorte. Abseits gelegentlicher Multiple-Choice-Gesprächsoptionen hält er sich aus dem Gröbsten raus. Seine erste Waffe Kenny labert dagegen über alle Maßen hinweg gröbsten Stuss. Was anfangs witzig erscheint, weil Justin Roiland (alias Mortys Stimme) höchstpersönlich dessen Synchro übernimmt, artet spätestens nach der ersten Stunde in ein nervtötendes Geplapper aus, das selbst härteste Rick-&-Morty-Fans an den Rand des Wahnsinns treiben kann. Abseits gelegentlich nützlicher Hinweise, die euch über das Nachladen eines Spezialschusses und kleine Puzzle-Denkanstöße informieren, besteht Kennys hohles Geschwätz aus nervösem Geplapper, etlichen Wiederholungen bereits getätigter Aussagen und manchmal sogar unerträglichem Worthülsen-Geschnatter.
Tatsächlich meint man manchmal sogar, Morty in Waffenversion zu hören, nur passt das nicht auf den vermittelten Charakter, den Kenny an den Tag legt. Mortys Nervosität inklusive kurzen Stottereinlagen passt zu seinem niedrigen IQ und der Angst in beklemmenden Situationen. Kennys Wesen vermittelt das genaue Gegenteil, trotzdem verfällt er regelmäßig in peinliches Gestammel, das hin und wieder anscheinend wild improvisiert wurde. Bei den anderen Waffen fällt es nicht ganz so sehr auf, trotzdem ist es oft zu viel des Guten. Glücklicherweise offeriert das Spielmenü eine Option, das sinnlose Gelaber sämtlicher Waffen und einigen Gegnern zu reduzieren oder sogar auf ein Minimum zu schrumpfen.
Erfahrungswerte
All das könnte man leichter akzeptieren, wenn die Basis des Spiels nur nicht so schlampig umgesetzt wäre. An der Spielidee gibt es wenig auszusetzen und dessen grobe Struktur ist entsprechend verwirklicht worden. Doch beinahe jedem Spielelement fehlt der letzte Schliff. Gemeint sind keineswegs spielzerstörende Bugs oder technische Unzulänglichkeiten, sondern vornehmlich eine schlechte haptische Kommunikation mit dem Spieler, welcher erfahrene Spieleprogrammierer spätestens in der Betaphase mithilfe guter Tester den nötigen Wumms verliehen hätten.
Lebende und plappernde Knarren? Warum nicht. Hält man sich vor Augen, dass Elfenknabe Link aus The Legend of Zelda über Jahre hinweg endlos plappernde Feen und sogar gesprächige Schwerter mit sich herumtrug, kommt einem die Idee gar nicht so fremdartig vor. Zumal sie erst kürzlich sogar im Puzzlespiel The Entropy Centre verwirklicht wurde, das sie sich wiederum von der sprechenden Kartoffel im 11 Jahre alten Portal 2 klaute. Das Problem von High on Life ist, dass sie in ihrer Primärfunktion als Waffe zu wenig Eindruck schinden. Egal bei welcher der fünf im Spiel verwendeten Knarren, das Trefferfeedback ist lächerlich, ja gerade so, als ob man mit einer Nerf-Gun auf Sandsäcke schießen würde.
Genaues Zielen scheint kaum möglich, weil sowohl ihre Projektile als auch der Blick über den Lauf so grob ausfallen, dass man nur nach Gefühl den Abzug drückt. Dieses unbefriedigende Gefühl beim Ballern sticht am PC bei Benutzung von Maus und Tastatur sogar noch eher hervor als an der Xbox, wenn man mit einem Controller spielt.
Bei der Sekundärfunktion wird es nicht besser. Knifeys Enterhaken vermittelt nie den Eindruck einer zielgenauen Anwendung. Es fehlt ein optisches oder haptisches Feedback zur Vermittlung der Schwungweite und der angewendeten Physik. Ja, selbst die Anzeige für den Pfad zum nächsten Zielpunkt zwingt euch zu nervigen Umwegen und sticht manchmal nicht genug aus der kunterbunten Grafik heraus.
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Das sind Kritikpunkte, an die man sich gewöhnen kann, aber sie verleihen dem Erlebnis über die komplette Spieldauer von etwa 15 Stunden einen faden Beigeschmack. Siehe beispielsweise sämtliche Kämpfe mit den Gangsterbossen. Weil sie sich nicht als geschickte Strategen, sondern als Kugelschwämme herausstellen, dauern sie noch länger als die oftmals sowieso schon zu langen Gefechte mit belangloser Laufkundschaft. Gerade hier wären Animationen und Soundeffekte vonnöten, die auch ohne einen Blick auf die gegnerische Energieanzeige vermitteln, dass man ins Schwarze trifft. Es fehlt eine befriedigende Reaktion.
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