Test - God of War : Mehr als göttlich
- PS4
Manchmal dauert es eben etwas länger: Die Geschichte rund um Kriegsgott Kratos endete für uns vor acht Jahren mit God of War 3. Alle weiteren Titel der Serie waren Prequels, Spin-offs, Collections oder Neuauflagen. Doch jetzt ist die Durststrecke beendet: Das schlicht God of War benannte PlayStation-4-Spiel ist eine Fortsetzung, die in vielerlei Hinsicht mit den Konventionen der Vorgänger bricht und eines der ausgefeiltesten Spielerlebnisse der Neuzeit abliefert.
Wir erfahren nicht, wie es Kratos nach dem kräftezehrenden Kampf am Ende von God of War 3 gegen Zeus erging und wie oder warum er ins nordische Midgard gezogen ist. Stattdessen begleitet das Spiel einen gealterten Mann, der gemeinsam mit seinem jungen Sohn die Asche der just verstorbenen Ehefrau auf dem höchsten Berggipfel in alle Winde verstreuen will. Es sei ihr letzter Wunsch gewesen.
Trauer und Wut
Mehr Details über die Geschichte werdet ihr in dieser Kritik nicht zu lesen bekommen, mit Ausnahme eines Namens: Atreus. So heißt der Junge, der seinem Vater auf der beschwerlichen Reise begleitet und tatkräftig zur Seite steht. Obwohl das Anliegen der verstorbenen Frau simpel erscheint, entpuppt es sich als eine epische Reise, die euch durch zahlreiche sowie sehr unterschiedliche Gebiete schickt. Auf dem Weg begegnet ihr nicht nur angriffslustigen Schurken, Monstern und Kreaturen, sondern auch dem einen oder anderen hilfreichen Gesellen.
Der Tonfall der Geschichte ist im Vergleich zu den Vorgängern völlig anders. Das liegt einerseits am offensichtlichen Szenariowechsel, weshalb ihr nicht durch das alte, verruchte Griechenland wandelt, sondern durch die kalten Gebiete der nordischen Mythologie. Andererseits geht es nicht um blinde oder gar stupide Rachemotive: Die Reise birgt eine überraschende Tiefe, die gleichermaßen Wut, Ehre und Demut behandelt. Neben den zahlreichen Konflikten, die Kratos und seinem Sohn bevorstehen, ist es insbesondere die Beziehung zwischen den beiden, die God of War zu etwas Besonderem machen.
Ein ungewohntes Vater-Sohn-Verhältnis
Atreus ist ein typischer Junge seines Alters, der mit seiner derzeitigen Situation überfordert ist. Seine Mutter ist gerade gestorben und sein Vater ein alter Mann, dem es sichtlich Schwierigkeiten bereitet, mit ihm eine emotionale Bindung aufzubauen. Mehrmals wird angedeutet, dass die Mutter den Großteil der Erziehung übernommen hat, während Kratos oft unterwegs war. Deshalb müssen die beiden sich in vielerlei Hinsicht erst einmal richtig kennenlernen.
Wir beschreiben dies deshalb so ausführlich, weil die Autoren rund um Director Cory Barlog eine unglaublich gute und vor allem authentisch wirkende Beziehung zweier Ausnahmecharaktere veranschaulichen. Kratos und Atreus durchleben im Laufe des Abenteuers zahlreiche Gefühlsstadien, die allesamt funktionieren.
Vor allem der Junge wirkt von vorne bis hinten real, was abseits der vortrefflich geschriebenen Dialoge auch an Kleinigkeiten zu erkennen ist. Wenn ihr euch beispielsweise in einem Gebiet festbeißt, weil ihr unbedingt irgendein Versteck erkunden oder ein Rätsel lösen wollt, dann bekommt ihr irgendwann ein leicht genervtes “Sind wir jetzt endlich fertig?“ von der Seite zu hören. Wohlgemerkt sind diese Einzeiler so perfekt dosiert, dass sie den Spielfluss niemals stören. Sie tragen einfach zu einer fantastischen Atmosphäre bei.
Es gibt nur zwei Kleinigkeiten, die meiner Meinung nach besser sein könnten: Zum einen verlassen sich die Überraschungen, die den Spieler erwarten, zu sehr auf das Einwerfen irgendwelcher berühmter Götternamen. Ohne zu viel zu verraten: Ihr erfahrt erst im Laufe des Spiels die Herkunft mancher Charaktere und wie sie eigentlich heißen. Gleichwohl diese Erkenntnisse nicht stören, sie wirken immer etwas verkrampft und zu sehr mit dem Brecheisen implementiert.
Der andere Punkt ist minimal schwerwiegender und erneut müssen wir uns auf Andeutungen beschränken. Deshalb nur so viel: Im letzten Drittel der Geschichte gibt es eine Phase, in der sich der Plot gestreckt anfühlt oder besser gesagt zu sehr auf der Stelle tritt. Gleichzeitig müsst ihr wiederholt Orte besuchen, die ihr mental eigentlich abgeschlossen hattet. Allerdings handelt es sich dabei nicht um klassisches Backtracking. Zwar müsst ihr auch mal den einen oder anderen bereits bekannten Weg erneut beschreiten, doch halten sich diese Passagen in Grenzen.
Weniger riesig, mehr vielschichtig
Auch in spielerischer Hinsicht müssen Fans der alten God-of-War-Spiele umdenken, jedoch weniger als vermutlich von vielen befürchtet. Wir verraten vorneweg die größte “Enttäuschung“, die uns aufgefallen ist: Die Endgegner sind vergleichsweise klein. Zwar dürft ihr beispielsweise massig Trolle bekämpfen, die euch ihre fetten Steinwaffen um die Ohren schlagen. Doch sind sie doppelt, vielleicht dreimal so groß wie Kratos selbst. Solch riesige Hünen wie die Titanen aus God of War 3 gibt es diesmal nicht.
Aber das ist letztlich nicht weiter schlimm, weil das neue Kampfsystem hervorragend gestaltet ist und Spaß macht. Es erinnert an eine Mischung aus dem alten God of War und Action-Rollenspielen der Marke Dark Souls. Wie früher metzelt ihr eure Gegner in hoher Geschwindigkeit sowie mit kolossalen Manövern und reiht eine Kombination an die andere. Gleichzeitig zieht euch die Schulterperspektive direkter ins Geschehen und eine Handvoll Rollenspielelemente erweitern die Spieltiefe.
Deshalb könnt ihr eure Rüstung beim Schmied verbessern und euch mit Runen sowie Zaubern ausstatten. Keine Bange: Sie gewähren euch entweder einen passiven Bonus oder eine Spezialfähigkeit, die “nur“ eine bestimmte Aufladezeit zur erneuten Nutzung benötigt. Ihr müsst euch also nicht mit Magiepunkten oder dergleichen auseinandersetzen.
Dafür erhaltet ihr fleißig Erfahrungspunkte, mit denen ihr neue Schlagmanöver freischaltet. Das System dahinter ist komplex genug, um die Serie sinnvoll zu erweitern. Es hält sich jedoch in Grenzen, um Fans reiner Actiontitel nicht abzuschrecken. Einzig die schiere Masse an Runen und Zaubern, die in all den Gebieten verstreut sind, kann leicht überfordern – allein deshalb, weil man letztlich mit halb so vielen durch das Spiel kommen würde.
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