Special - Das Rollenspiel ist tot – lang lebe das MMORPG? : Special
Ein Trend scheint sich immer mehr bei den Rollenspielen durchzusetzen, wenn man sich die Entwicklungsarbeiten der mittelfristigen Zukunft vor Augen führt: Weg von der Entwicklung klassischer Einzelspieler-Rollenspiele und hin zur Erschaffung zahlreicher neuer verlockender Online-Welten – sprich MMORPGs.
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Wenn sich der geneigte Rollenspiel-Fan einmal vor Augen führt, was ihm Entwickler und Publisher gegenwärtig und in absehbarer Zeit zum Spielen vorsetzen, dann scheint sich das Genre hinsichtlich der Quantität und vor allem der Qualität offensichtlich stark auszudünnen. Auf der einen Seite stehen eher mittelprächtige Entwicklungen wie ’Dungeon Lords’ oder ’The Fall: Last Days of Gaia’, die zudem auch noch durch zig Bugfixes erst spielbar gemacht oder mit Inhalten angefüllt werden müssen. Eher schon misstrauisch verfolgt man außerdem zum Beispiel die baldige Fertigstellung von ’Dungeon Siege 2’. Und wie sieht es mit den zu erwartenden nächsten Genre-Highlights aus? Nach ’Gothic 3’ und ’The Elder Scrolls 4: Oblivion’ ist erst einmal Totenstille.
Der Konsolen-Trend
Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die ehemals elitär verwöhnte
PC-Spielerschaft immer öfter neidisch den Erstentwicklungen für
Konsolen hinterherlaufen muss. Entweder werden neue Top-Spiele nur noch
gleichzeitig für Konsolen und PC entwickelt, wie beispielsweise ’Knights
of the Old Republic’ oder ’Oblivion’, wobei immer die
teilweise berechtigte Angst vor der Übernahme des Konsolen-Gameplays
auf die PC-Version im Raum steht.
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Mit dem Erscheinen der neuen Konsolen-Generation müssen diese sich nun auch Hardware-technisch in keinster Weise hinter aktuellen Rechnern verstecken beziehungsweise technisch bedingte Abstriche hinnehmen. Im Gegenteil: Auf Microsofts kommender Xbox findet sich problemlos Platz für ein waschechtes Online-Universum. Im ’schlimmsten’ Fall aber erscheint das Rollenspiel primär für die Konsole und wird erst später umgesetzt, wie etwa bei ’Fable: The Lost Chapters’ oder ’The Bard’s Tale’ – ein Schlag ins Gesicht für beinharte Computer-Rollenspieler.
Goldesel MMORPG?
Wo stecken nun also die ganzen Neuentwicklungen? Der entstandene Puffer
bei Singleplayer-Rollenspielen ist nicht einfach nur durch die Schwerpunktverlagerung
immer stärker hin zu den Konsolen zu erklären. Während
in asiatischen Ländern schon seit Jahren unzählige Spieler in
Online-Rollenspielen ihrer Leidenschaft nachgehen, hat spätestens
mit dem Erscheinen von ’World of WarCraft’ das einstige Schattendasein
der Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPG) auch in den
westlichen Hemisphären ein Ende, an dem zuvor auch durchaus gewichtige
Veteranen wie ’EverQuest’ & Co. aber nie wirklich etwas
ändern konnten. Das Genre ist endlich zu dem schon im Namen enthaltenen
Massenphänomen geworden.
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Dies lässt sich auch an harten Zahlen ablesen, die kürzlich im SPIEGEL (Nr. 27/4.7.05) veröffentlicht wurden. Demnach stiegen die Umsätze mit Online-Spielen explosionsartig seit 2000 von 81 Millionen Dollar auf geschätzte gewaltige 3,7 Milliarden Dollar im Jahr 2005 und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Demgegenüber brechen die weltweiten Einnahmen mit PC-Spielen von einstmals 5,7 Milliarden Dollar 2005 auf geschätzte 3,3 Milliarden Dollar ein. Die lukrative Aussicht auf regelmäßige monatliche Einnahmen von den Teilnehmern könnte mit dazu beigetragen haben, dass in der jüngeren Vergangenheit die Zahl der Neuentwicklungen im MMORPG-Sektor sprunghaft angestiegen ist.
Verlockende Falle
Den zahlreichen MMORPG-Neulingen stehen aber nicht wenige Entwicklungseinstellungen
und Pleiten gegenüber. Jüngstes tragisches Beispiel ist das
einst von Mythic entwickelte ’Imperator Online’, aber auch
EAs ’Ultima X: Odyssey’ oder Microsofts ’Mythica’.
Nicht vergessen werden dürfen auch diejenigen Titel, die oftmals
nur durch viel Glück oder durch die Rettung eines optimistischer
eingestellten Publishers das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben:
Ubisoft nahm sich dem totgesagten ’Shadowbane’ an, das sich
ähnlich wie ’Ryzom’ nach Nevraxs finanziellen Problemen
mittlerweile einen Platz in einer kleinen, aber unbedeutenden Nische etablierte.
Und nach Vivendi Universals (’World of WarCraft’) Rückzug
aus ’Middle-Earth Online’ konnte Turbine (’Asheron’s
Call’) die Entwicklung des MMORPGs in der Tolkien-Welt retten. Dass
aber neue Vertriebskonzepte nicht unbedingt zum Scheitern verurteilt sein
müssen, hat ’Guild Wars’ eindeutig bewiesen, das keine
monatlichen Gebühren verlangt. Zwar müssen laut NCSoft im Vergleich
zu klassischen Online-Rollenspielen gut fünf Mal so viel Exemplare
verkauft werden, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein – die weltweite
zahlenmäßig sehr groß vertretene ’Guild Wars’-Fangemeinde
dürfte dies ermöglicht haben -, doch die ersten Nachahmer dieses
Vertriebsweges werden mit Sicherheit nicht lange auf sich warten lassen.
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