Test - FIFA 23 : Das müsst ihr jetzt wissen: Grafik, Spielgefühl & Karriere
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Es ist schwer zu glauben, aber FIFA 23 markiert tatsächlich das Ende der Reihe. Muss man nun die Taschentücher rausholen und den Kopf senken? Nein, denn ein Trauerspiel ist das finale Fußballspiel von EA Sports mit Weltverband-Lizenz glücklicherweise nicht geworden. Allerdings auch keine fette Abschiedsparty …
Braucht eigentlich noch irgendjemand einen FIFA-Test? Ist doch eh immer das Gleiche: flott spielbar, hübsch anzuschauen und sehr umfangreich. Und das trifft selbstverständlich auch auf FIFA 23 zu. Reichen euch diese Argumente für den Kauf, dann könnt ihr an dieser Stelle aufhören zu lesen und zugreifen. Ihr wollt doch Details? Die kriegt ihr, denn einmal mehr machen die Feinheiten den Unterschied zum Vorjahres-FIFA aus.
Kennt ihr Nummer 22 und zockt auf einem eher großen Bildschirm mit HDR-Support und 4K-Auflösung, fallen euch die Neuerungen vermutlich bald auf. Es gibt mehr Animationen, zum Beispiel zusätzliche Ballberührungen oder Gewichtsverlagerungen beim Dribbling. Dadurch sieht der Pass etwas natürlicher aus, ebenso der Torschuss oder die Parade des Torwarts.
Die Stadien werden ausgewogener beleuchtet und der Platz zeigt endlich Verschleißerscheinungen: Nach einer heftigen Grätsche muss der Greenkeeper Überstunden schieben, um die teils dicken Kerben im ebenso satten wie strukturierten Rasen auszubessern. Schick ist auch das realistische Wackeln des Tornetzes, wenn der Ball einschlägt – das macht Treffer noch eindrucksvoller.
Ruhiger Spielaufbau? Naja, so halb …
Wie gesagt, die grafischen Feinheiten machen sich vor allem bei größeren Diagonalen und einer hohen Auflösung bemerkbar. Auch beim Spielablauf muss man genauer hinschauen, um die Veränderungen zu registrieren. Tempo-Cracks nennen FIFA 23 bereits langsam, beinahe schon träge. Das ist etwas übertrieben, aber ja: Die Kugel wird spürbar ruhiger geschoben.
Das liegt an der Kombination aus den bereits genannten frischen Animationen, einer stärkeren Betonung der jeweiligen Spieler-Physis und einer verlangsamten Ballbewegung. Langsam, aber mächtig ist auch der neue Power-Schuss: Bei gehaltenen Schultertasten wird kurz Maß genommen, ausgeholt und anschließend wuchtig abgezogen. Das ist effektiv und sieht dank eines kleinen Zooms schick aus. Schick ist auch das richtige Stichwort für die Standards, die aus einer neuen Perspektive getreten werden und es ermöglichen, dem Ball via rechtem Stick einen satten Effet zu verpassen.
Von Fußball unter Valium-Einfluss ist all das dennoch weit entfernt. Bekanntermaßen geht es in FIFA weniger um taktische Meisterleistungen und ermüdendes Mittelfeld-Geplänkel, sondern vor allem um schöne Tricks und tolle Tore. Daran mangelt es auch diesmal nicht, nur wollen die Buden etwas besser vorbereitet werden. Zwei Querpässe oder auch mal hintenrum spielen – was man aus der Realität kennt, passt in dosierter Form auch bei FIFA 23 ins Konzept. Wer deutlich mehr Fußball-Authentizität herauskitzeln will, darf wie gehabt an zig Reglern herumdoktern, um das Spielgefühl den eigenen Wünschen anzupassen.
Auf den höheren Schwierigkeitsstufen reagiert die gegnerische KI etwas besser auf euren Spielstil. Presst ihr permanent, ist es wahrscheinlich, dass der Gegner seine Taktik umstellt oder gewisse Spieler einwechselt, um euch auszukontern. Topmannschaften wie Manchester City oder Real Madrid treten entsprechend auf und nutzen es aus, wenn ihr zu hektisch kickt oder Chancen am laufenden Band vergebt. Die CPU-Kollegen im eigenen Team machen ebenfalls einen guten Job, indem sie sich vernünftig positionieren und dabei individuelle Stärken ausspielen: Große Stürmer warten auf die Flanke, schnelle Flügel freuen sich über Steilpässe, Mittelfeld-Dirigenten sind fast immer anspielbar und so weiter.
Stärker verändert wurde das Laufverhalten der Spielerinnen und Spieler. Nun können etwa Verteidiger, die erst langsam Tempo aufnehmen, einen Stürmer mit geringer Endgeschwindigkeit im Laufduell einholen. Umgekehrt braucht ein bulliger Kerl wie Erling Haaland einen Moment, um in Fahrt zu kommen – dann ist die Tormaschine allerdings kaum noch zu bremsen. Das erinnert ebenfalls an den realen Fußball und bringt eine interessante Komponente ins Spiel. Allerdings kommt das System bei Leuten ins Schleudern, die einen irren Antritt, ein hohes Lauftempo und noch dazu feine Dribblings draufhaben. Typen wie Liverpools Salah oder Uniteds Antony holen viele Abwehrspieler maximal noch mit dem Auto ein …
Eine Karriere mit Persönlichkeit
In der Spieler-Karriere müsst ihr wie gehabt eure Leistungen in verschiedenen (selbst einstellbaren) Trainingseinheiten erbringen, um von der Reserve in die erste Elf aufzusteigen – und dort zu bleiben. Lasst ihr die Übungen nämlich mehrmals aus, landet ihr selbst dann auf der Bank, wenn ihr pro Spiel zwei Tore macht und drei vorbereitet.
Auf dem Platz gibt sich das System ebenfalls etwas steif und wenig dynamisch. Haltet ihr beim Angriff oder in der Rückwärtsbewegung nicht eure Position, geht die Bewertung gleich nach unten. Ein konkretes Beispiel: Ich habe als zentraler Mittelfeldspieler beim VfL Bochum begonnen. Schon nach wenigen Partien liefere ich Vorlagen und hänge mich defensiv volles Pfund rein – da kommen die alten Kreisliga-Gene durch!
Statt jedoch meine Spielweise zu erkennen und die Vorgaben darauf anzupassen, kassiere ich ständig Kritik fürs Verlassen der mir zugedachten Position. Dazu kommt, dass ich die drei Aufgaben häufig nicht erfülle, die mir vor jedem Einsatz gestellt werden. Dabei macht so etwas wie “Erziele ein Tor” wenig Sinn, weil ich im Zentrum ja ganz andere Aufgaben habe. Zieht es mich doch nach vorne, erhalte ich wieder Strafen für mein (angeblich fehlerhaftes) Stellungsspiel.
Merkwürdig fällt auch die Integration der neuen Charakterentwicklung aus. Dabei gibt es drei Schwerpunkte: Freigeist, Teamwork und Disziplin. Deren dynamische Veränderung steuert ihr weniger durch eure Züge beim Rasenschach, sondern über statische Aufgaben: Investiert einen Teil eures Gehalts in feine Anzüge oder kauft euch ein sündhaft teures Trampolin. Das steigert primär den Teamwork-Wert und bringt als Nebeneffekt ein Plus auf die eigene Sprungkraft. Ob auch ein Cristiano Ronaldo sein Ansehen bei den Kollegen von Manchester United verbessert, indem er auf einem Trampolin herumhüpft? Schwer vorstellbar …
Im FIFA-Kontext passt so ein Quatsch zwar irgendwie, schließlich handelt es sich dabei um ein Videospiel. Und in solchen macht man ständig irren Kram, um die eigenen Werte zu erhöhen. Dennoch wäre eine Verknüpfung mit den fußballerischen Leistungen sinnvoller und vor allem näher am tatsächlichen Sport gewesen, als auf eine Schaltfläche zu klicken und damit Boni in Bereichen wie Passspiel oder Zweikampfstärke einzustreichen. Das nennt man verschenktes Potenzial.
Eine ebenfalls gut gedachte, aber mäßig umgesetzte Neuerung ist die Möglichkeit, nur Schlüsselmomente einer Partie zu spielen. Statt 90 Minuten abspulen zu müssen, steigt ihr in zufällig generierte Sequenzen ein, an denen euer Kicker beteiligt ist. Leider sind diese Passagen derart kurz, dass ihr oftmals kaum etwas reißen könnt. Nach wenigen Sekunden kommt schon der nächste Part, kurz darauf ist Schluss und eure Bewertung nicht selten im Keller. Spielt ihr eine andere Position als Stürmer, macht diese Option wenig Sinn. Verschenktes Potenzial, ihr wisst schon.
Und sonst?
Legt ihr als Coach eines Clubs los, erwartet euch eine ähnliche Erfahrung wie im Vorjahr. Neu sind einige Zwischensequenzen und eine Analyse der Transfers: So erfahrt ihr beispielsweise, ob die Neuverpflichtung ein guter Deal war oder völlig überteuert eingekauft wurde. Außerdem könnt ihr mit realen Trainern wie Pep Guardiola oder Thomas Tuchel an den Start gehen. Vielleicht ist dessen virtuelle Karriere beim FC Chelsea von längerer Dauer. Und wer die Apple-TV-Serie Ted Lasso kennt, freut sich über den gleichnamigen Coach sowie seinen Club AFC Richmond mitsamt aller Spieler.
Freundschaftsspiele mit und ohne Hausregeln (nur Volleys und Kopfbälle, keine Regeln und so weiter) im Rahmen von UEFA Champions League oder Südamerika-Meisterschaft, eigens erstellte Turniere, Skill-Spiele und Training runden das Angebot der Offline-Modi ab. Erstmals anwählbar sind sämtliche Frauen-Vereinsmannschaften aus der ersten englischen und französischen Liga, wenn auch allein für die genannten Schnellspiel-Modi.
Wie es um die Online-Spielarten Ultimate Team, VOLTA und Co. bestellt ist, erfahrt ihr im zweiten Teil des Tests in der nächsten Woche.
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