Special - Frauen in der E3-Hauptrolle : Das starke Geschlecht

Vor genau einem Jahr sorgte Ubisoft mit Assassin's Creed: Unity während der E3 für Aufruhr. Man habe sich bewusst gegen die Implementierung von Frauen im Koop-Modus des Spiels entschieden, weil es mit großem Aufwand verbunden sei, hieß es damals. Die nachfolgende Diskussion war eine wilde Mischung aus Missverständnissen, Ressentiments, Drohungen und was die Streitkultur im Internet noch so alles hergibt. Spielentwickler taten sich aufgrund ihres angestammten Kernklientels schon immer schwer damit, Frauen ins Rampenlicht ihrer Produktionen zu stellen. Die E3 2015 zeigt jedoch, dass es auch anders geht.

Vor allem Ubisoft selbst, also genau der Entwickler und Publisher, der die Geschlechterdiskussion durch unglückliche Wortwahl letztes Jahr erst ins Rolle brachte, wagt mit Assassin's Creed: Snydicate den Versuch, eine Frau als Hauptcharakter zu etablieren. Evie Frey ist die Zwillingschwester von Protagonist Jacob Frey und soll eine gleichbedeutende Rolle neben ihrem Bruder einnehmen. Ubisoft traut sich anscheinend noch nicht, das allumfassend nach außen zu tragen. Trailer und Gameplay-Videos legen den Fokus dann doch auf Jacob statt auf Evie. Die Angst, die potenzielle Käuferschaft zu vergraulen, scheint also noch immer präsent. Dabei haben die Franzosen bereits mit Assassin's Creed: Liberation und Assassin's Creed Chronicles: China gezeigt, dass es auch anders geht.

Neben Assassin's Creed gibt es auch weitere etablierte Spieleserien, in denen Frauen die Hauptrolle spielen und allen (vermeintlichen) Widerständen zum Trotz zu den am sehnlichsten erwarteten Titeln des Jahres gehören. Allen voran natürlich Rise of the Tomb Raider, das Fans durch opulente Optik und eine filmreife Inszenierung begeistert. Aber auch Mirror's Edge: Catalyst rund um Protagonistin Faith könnte endlich der Erfolg werden, den sich Electronic Arts bereits für den Erstling erträumte.

Größte Überraschung im Rahmen bekannter Serien, auch wenn sie nicht im Rahmen der E3 erfolgte, ist wohl die Möglichkeit, in FIFA 16 mit Frauenmannschaften zu spielen. Diese durchweg positive Nachricht wurde – deswegen scheuen sich womöglich auch andere Publisher davor – von einigen Spielern skeptisch aufgenommen, was letzten Endes in frauenfeindlichen, vorurteilsbehafteten Kommentaren gipfelte. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass diese Reaktion negative Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg hat. Das Gegenteil scheint eher der Fall.

Auch abseits bekannter Namen findet anscheinend in den Kreisen großer Entwicklerstudios und Publisher allmählich ein Umdenken statt. So wurden sowohl bei Microsoft als auch bei Sony zwei große Titel angekündigt, in denen Frauen in den Mittelpunkt rücken. Die Redmonder zeigten einen ersten Trailer zu ReCore, das unter der Führung von Keji Inafune entsteht und bei dem mit Armature Studio, das aus einigen ehemaligen Enwicklern der Retro Studios besteht, zusammengearbeitet wird. Informationen zum Spiel sind noch rar gesät. Fest steht nur, dass der Titel 2016 für Xbox One erscheinen soll.

Sony zeigte mit Horizon: Zero Dawn eine der wohl größten Überraschungen der Messe. Die Mixtur aus Urzeit und Postapokalypse kommt erfrischend anders daher und scheint die PS4 hinsichtlich Leistung an ihre Grenzen zu treiben. Der kurze Einblick in das Spiel selbst legt die Vermutung nahe, dass ihr in die Rolle einer Frau schlüpfen werdet, die geschickt mit Pfeil und Bogen umgehen kann. Noch sind solch große Ankündigungen eher die Ausnahme als die Regel, doch sie zeigen, dass es keinen Unterschied macht, ob nun Mann oder Frau unsere Verbindung zur Spielwelt darstellen. Hauptsache, die Spiele sind gut.